Magazinrundschau
Wie seltene Vögel
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
16.06.2015. "Urlaub im Protektorat"? Das tschechische Magazin Aktualne winkt dankend ab. Lyrik? Sollte man auch besser lassen, meint die London Review. Der Economist sucht nach Gründen für den Hass auf die Rohingya in Burma und findet sie - bei den Briten. Les inrockuptibles sucht nach Gründen für die Identitätskrise Frankreichs und findet sie - bei Mitterand. Französische Denker sind auch nicht mehr, was sie waren, diagnostiziert Sudhir Hazareesingh im Guardian.
New Yorker (USA), 22.06.2015

Außerdem: Margaret Talbot berichtet über den Mord an drei muslimischen Studenten in Chapel Hill, North Carolina vor zwei Jahren und was die Tat für westlich orientierte Muslime bedeutete. Rachel Aviv schickt einen Brief aus Belgien über einen Fall von assistiertem Selbstmord einer depressiven Frau. James Wood stellt den chilenischen Autor Alejandro Zambra vor. Anwen Crawford hört sich durch "Apocalypse, girl", das neue Album der norwegischen Musikerin Jenny Hval. Calvin Tomkins porträtiert den Maler Mark Bradford, der sehr erfolgreich AIDS-Zellen auf die Leinwand bannt. Anthony Lane sah im Kino "Jurassic World" und Myroslav Slaboshpytskiys ukrainischen Horrorfilm "The Tribe". Peter Schjeldahl schreibt über Albert Oehlens erste Museumsausstellung im New Museum in New York. Lesen dürfen wir außerdem eine Kurzgeschichte von Ben Marcus, "The Grow-Light Blues".
London Review of Books (UK), 18.06.2015

Weiteres: Thomas Powers schreibt über den New-Yorker-Autor Joseph Mitchell. Chris Lehmann staunt über die Bereitschaft zu demütigenden Niederlagen im Lager der republikanischen Präsidentschaftskandidaten.
Elet es Irodalom (Ungarn), 16.06.2015

(Hintergrund:
Guardian (UK), 13.06.2015

Außerdem berichten mehrere Reporter in einer ausführlichen Recherche, wie der Islamische Staat das rivalisierende al-Qaida-Netzwerk ausgeschaltet hat: "Der IS hat al-Qaida nicht nur auf den Schlachtfeldern von Syrien und Irak in den Schatten gestellt, oder im Wettbewerb um die Finanzierung und neue Rekruten. Wie sich aus mehreren exklusiven Interviews mit führenden dschihadistischen Ideologen ergibt, hat der IS gegen al-Qaida "geputscht", um das Netzwerk von innen zu zerstören. Infolgedessen ist al-Qaida jetzt - als Idee und Organsiation - am Rande des Kollaps."
Weiteres: Justine van der Leun erzählt von einem Ermittlungsteam in Südafrika, das alten Fällen verschwundener Apartheidsgegner nachgeht und dafür auch mit denjenigen Polizisten zusammenarbeitet, die für Morde und Entführungen verantwortlich waren. In höchsten Tönen lobt John Gallagher Noel Malcolms Buch "Agents of Empire", das die Geschichte des Mittelmeers im 16. Jahrhundert am anhand zweier albanischer Familien, den Brunis und den Brutis, erzählt.
Economist (UK), 13.06.2015

Nicht so recht überzeugt ist der Economist von Sudhir Hazareesinghs Buch "How the French Think: An Affectionate Portrait of an Intellectual People". Zwar teilt er die These vom Niedergang Frankreichs. Auch sei der Einfluss französischen Denkens auf die Welt seit Sartre, Camus und Foucault zurückgegangen, "aber es ist doch seltsam, dass [Hazareesingh] das beste Gegenbeispiel nicht erwähnt, Thomas Piketty, ein Ökonom, dessen Buch 'Das Kapital im 21. Jahrhundert' die englischsprachige Welt gerade im Sturm erobert hat. Der Autor wertet dessen Fach als 'technischen Bereich' ab."
Abschließend ruft der Economist Maestro Boulez noch ein fröhliches "Happy birthday, Pierre" zu.
Les inrockuptibles (Frankreich), 09.06.2015

Bloomberg Businessweek (USA), 15.06.2015

Aktualne (Tschechien), 11.06.2015

New York Magazine (USA), 15.06.2015

Nepszabadsag (Ungarn), 12.06.2015

New York Times (USA), 14.06.2015

Außerdem in der Times: Dan Kaufman berichtet aus Wisconsin, wo sich Gewerkschaften und Republikaner weiterhin heftig bekriegen. Und Alexandra Alter findet in Joshua Cohens Roman "Book of Numbers" eine neues Beispiel für die "Great American Internet Novel", das einzige Problem des Buches: Die Wirklichkeit ist schneller.
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