
Tomáš Maca führt ein spannendes
Gespräch mit dem Psychiater und Neurowissenschaftler
Jiří Horáček, der die menschliche Anfälligkeit für
Verschwörungstheorien erforscht. "Der menschliche Geist ist von der sogenannten prädiktiven Kodierung geprägt", so Horáček. "Wir registrieren die Realität um uns nicht so, dass wir sie im Geiste fotografieren, sondern so, dass wir darüber Mutmaßungen anstellen, wie sie in Zukunft aussehen wird, und anschließend überprüfen wir unsere Vorstellungen. Wir vergleichen sie mit dem, was kommt, und falls unsere Vorhersagen nicht zutreffen, müssen wir sie aktualisieren. (…) Es handelt sich um einen uralten Anpassungsmechanismus, den wir von unseren biologischen Vorfahren geerbt haben und der sich nicht unterbinden lässt. Er generiert
immer wieder neue Vorhersagen, doch in Zeiten der Unsicherheit, wie wir sie etwa während der Pandemie erlebt haben, passt keine von ihnen." In diese Lücken stoßen dann die vermeintlichen Sicherheiten der Verschwörungstheorien. Hinzu komme die Funktion des Hormons
Oxytocin, das für menschliche Bindungen verantwortlich ist und "uns nicht nur in unangenehmen Situationen zu Gruppen zusammenschließt, sondern auch unser kollektives Verhalten synchronisiert". Die durch entsprechende Algorithmen verengten Echokammern der sozialen Medien, in denen der Nutzer nur seine eigene Stimme hört, verstärkten diese Wirkung. Was ursprünglich eine wichtige Überlebensfunktion war, wendet sich in einer global vernetzten Welt gegen uns. Es zeige sich, dass weder Bildung noch Intelligenz dagegen schützten. Gibt es dann überhaupt eine Lösung? Laut Horáček ja: "Als effektive Strategie erweist sich das sogenannte
Prebunking, also eine vorausgehende Warnung und Impfung gegen Desinformation. Es geht von der Annahme aus, dass wir, wenn wir die Wirkung von Falschnachrichten vermindern wollen, eine Präventivstrategie entwickeln sollten, die auf denselben Prinzipien beruht, die die Desinformatoren verwenden. Es funktioniert ähnlich wie bei der Impfung gegen eine Infektion, bei der der Patient einen Wirkstoff derselben Infektion, nur in abgeschwächter Form erhält."