Magazinrundschau
Scheitern, Risiko, Experiment
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
23.06.2015. Die NYT erklärt, wie bequem, aber auch wie befreiend das Privileg ist, nicht auf seine Hautfarbe festgelegt zu werden. Die NYRB lernt, wie strategisch durchdacht die Brutalität des IS ist. Das war bei den Bolschewisten auch schon so, erklärt Medium. Quarterly Conversation verteidigt die argentinische Autorin Silvina Ocampo gegen den Vorwurf bourgeoiser Frivolität. Im Telegraph feiert Jeanette Winterson die große Bildhauerin Barbara Hepworth. In Eurozine warnt Sofi Oksanen vor einer Finnlandisierung Europas.
New York Times (USA), 23.06.2015

Anlässlich des Falls der Rachel Dolezal denkt auch der Historiker Daniel J. Sharfstein über Rasse in Amerika nach: Das öffentliche Interesse an Dolezal zeige, wie sehr die Bedeutung der ethnischen Identität gestiegen ist. Und das, obwohl gleichzeitig moderne DNA-Analysen, wie sie etwa Ancestry.com durchführt, eine uralte amerikanische Erfahrung bestätigen: Dass viele Menschen nicht sind, wer zu sein sie glauben: "Die amerikanische Gesichte ist eine Geschichte dunkelhäutiger Weißer und hellhäutiger Schwarzer. Unzählige Männer und Frauen haben ihre Hautfarbe wegerklärt mit Geschichten über ihre spanische, portugiesische, italienische und - wie in einem Fall 1874 vor einem Gericht in Tennessee - karthagische Herkunft. Mehr Weiße haben angeblich eine Cherokee Großmutter als demografisch möglich ist."
Außerdem unbedingt lesenswert: Alexis Okeowos Porträt der südafrikanischen Ombudsfrau Thulisile Madonsela, die in öffentlichem Auftrag die Korruption der Regierung Jacob Zumas untersucht. In der Sunday Book Review werden u.a. Susan Neimans Buch "Why Grow Up?", Vivian Gornicks Erinnerungen und Milan Kunderas Roman "Das Fest der Bedeutungslosigkeit" besprochen.
New Yorker (USA), 29.06.2015

Außerdem: Jane Kramer schildert in einem Brief aus Europa Renzo Matteis Versuche, Italien wieder auf die Füße zu stellen.
The Nation (USA), 06.07.2015

La regle du jeu (Frankreich), 22.06.2015

New York Review of Books (USA), 09.07.2015

Weitere Artikel: Andrew Delbanco liest eine Reihe von Büchern, die sich mit der Ungleichheit im amerikanischen Bildungssystem auseinandersetzen. Und Marina Warner liest die Märchen der Gebrüder Grimm.
Medium (USA), 16.06.2015

Clarin (Argentinien), 20.06.2015

Quarterly Conversation (USA), 15.06.2015

The Atlantic (USA), 01.07.2015

Telegraph (Großbritannien), 23.06.2015

Das Foto zeigt eine Hepworth-Skulptur vor dem Saint Catherine"s College in Oxford. Steve Cadmann hat es unter CC-Lizenz bei Flickr publiziert.
Sehr lesenswert schreibt Jeanette Winterson, Autorin von "Orangen sind nicht die einzige Frucht", über die große Skulpteurin und (und nebenbei Rilke-Verehrerin) Barbara Hepworth, der eine längst fällige große Ausstellung in der Tate Britain gewidmet wird. Wie Virginia Woolf, so Winterson, "die versuchte, eine Sprache als Frau zu finden (was nichts mit dem gesagten zu tun hat), versuchte Hepworth herauszufinden, was es heißt, als Frau Bildhauerin zu sein. Männer fragten damals nicht - heute tun es manche -, was es heißt, als Mann zu schreiben oder zu meißeln. Wenn die Ideologie einer geschlechtlichen Überlegenheit zufällig mit ihrem Geschlecht übereinstimmt, dann muss man solche Fragen nicht stellen. Aber wenn es nicht der Fall ist, was tun? Sich assimilieren? (Zu versuchen, wie ein Mann zu arbeiten.) Dekorieren? (Also den zweitrangigen Status anerkennen.) Detonieren. (Die Zuschreibungen über den Haufen werfen und den eigenen Weg finden.) So machte es Woolf. Und Hepworth auch.... Diese Künstlerinnen sind Frauen, die die Welt neu gestalten, wie sie sie sehen. Und das heißt Methode, Theorie, Scheitern, Risiko, Experiment."
Eurozine (Österreich), 19.06.2015

Literarni noviny (Tschechien), 17.06.2015

Guardian (UK), 22.06.2015

Politico.eu mischt die europäische Politik- und Medienszene ganz schön klug und virtuos auf und gestattet dem Miteigentümer Springer so, Einfluss in Brüssel zu gewinnen - bis man das Haus in Brüssel fürchtet wie in Berlin. Gideon Lewis-Kraus berichtet recht launig über das Magazin, stellt einige der Journalisten vor und lässt nebenbei ein paar britisch-herablassende (und letztlich dann doch ungerechte) Sätze über die deutschen Medien fallen: "Deutschland hat wie die meisten Länder Europas die Realitäten des digitalen Journalismus sehr langsam akzeptiert und genutzt. Wenige seiner Medien haben - mit Ausnahme der der Zeit - größere Anstrengungen in eine robuste Online-Präsenz gesteckt." Aus dem Mund eines Financial Times-Kollegen fällt dann noch der Satz: "Die FAZ hatte neulich einen riesigen Scoop über Griechenland, und sie hat ihn nicht mal online gestellt."
Und: "Es ist wie eine Krankheit, ich spreche ständig über Dinge, über die man nicht sprechen soll. Es fing an mit Homosexualität und dann wollte ich jedes Tabu brechen", sagt Charles Aznavour im Gespräch mit Angelique Chrisafis, die den Chansonier anlässlich seines neuen Albums besucht hat.
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