Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
20.06.2006. The New Republic beobachtet um sich kreisende Blogger, Journalisten und Politiker in Las Vegas. Outlook India erklärt die sexuelle Metaphorik eines Duetts vor Tulpenkulissen. In Le Point fordert Bernard-Henri Levy die sofortige Schließung von Guantanamo. Im Spiegel kommen Springer-Vorstand Mathias Döpfner und Günter Grass zu einem Konsens über ihren Dissens. Der Spectator fordert mehr Unterstützung für Georgien. In Reportajes fordert Mario Vargas Llosa den neuen Präsidenten Perus auf, das Land zu modernisieren. Die Weltwoche besucht Martin Suter auf Ibiza. Nepszabadsag wünscht sich, die Ungarn würden mehr György Ligeti hören. Der New Yorker bewundert die ersten europäischen Vertreter des Cool.
New Republic | Nepszabadsag | Heti Valasz | BN/De Stem | Economist | Weltwoche | New Yorker | HVG | New York Times | Outlook India | Espresso | Point | Spiegel | Gazeta Wyborcza | Spectator | Reportajes
New Republic (USA), 26.06.2006

Outlook India (Indien), 26.06.2006

Außerdem: Im Interview mit Saibal Chatterjee spricht der Filmemacher und Liedtexter Gulzar über den Verlust der Poesie in der Filmmusik. Und im Buchteil entdeckt Nilanjana Roy den Geist Rabelais', Celines und Kafkas in einem Erzählband von Vilas Sarang.
Nur auf der Website besingt der israelische Friedensaktivist Uri Avnery sehr elegisch Sarajewo, die Stadt der Grabsteine, der Toleranz und der Schönheit: "In Sarajewo kann man einfach nicht indifferent bleiben. 'Auch die Steine in der Mauer werden schreien', schrieb der Prophet Habbakuk (2,11). Mauern, von Kugeln durchlöchert, Ruinen, die einst Heime waren, Menschen, die markerschütternde Erzählungen mit sich tragen, als wären sie erst gestern passiert. Eine Stadt, die das Herz erwärmt und zugleich bricht."
Espresso (Italien), 22.06.2006

Point (Frankreich), 16.06.2006

Spiegel (Deutschland), 19.06.2006

In einem Debattenbeitrag äußert sich auch Joachim Gauck ehemaliger Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, zu der Forderung der so genannten Sabrow-Kommission, bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit stärker den Alltag miteinzubeziehen (hier der Kommissionsbericht): "Die Aufarbeitung der DDR-Diktatur wird scheitern, wenn wir nur über die Stasi-Gräuel sprechen. Denn bei der Fixierung auf den Geheimdienst kommen wesentliche Bereiche des Lebens in der 'sozialistischen' Gesellschaft nicht vor: weder die führende Rolle der SED noch die differenzierten Anpassungs- und Karrieremuster. Denn die DDR-Bevölkerung ist in großen Teilen geprägt durch ein Angst-Anpassungssysndrom, das keineswegs vom Polizei- und Geheimdienst allein geschaffen war."
Weiteres: Der Titel ist der derzeitigen "Deutschland-Party" gewidmet, die Cordt Schnibben hymnisch besingt: "Die Menschheit feiert sich selbst in solchen Momenten, sie feiert ihre Kreativität, sie feiert ihre Vielfalt, sie feiert ihr Miteinander." Im Interview mit Moritz von Uslar antwortet Simon Rattle Kritikern, die ihm vorwerfen, er habe den Klang der Berliner Philharmoniker verflacht: "Es hat für mich wenig Sinn, zu sagen: Gebt mir euren alten Karajan-Sound! Die große Mehrheit der Philharmoniker hat ihn nie gehört." Wichtig sei vielmehr, "dass der Ton sich vom Boden abhebt, Flügel bekommt und hoch hinausgeht".
Gazeta Wyborcza (Polen), 17.06.2006

Der Papst-Besuch Ende Mai und vor allem der Besuch Benedikt XVI. in Auschwitz findet seinen publizistischen Nachklang. Nachdem einige Autoren (u.a. Daniel Goldhagen) dem Papst vorgeworfen haben, die Beteiligung der katholischen Kirche am Holocaust zu verschweigen, kontert die Historikerin Anna Wolff-Poweska: "Goldhagens Absichten gehen an denen des Papstes völlig vorbei: während er den Auschwitz-Besuch in politischen Kategorien betrachtet, wählt Benedikt XVI. geistige. Goldhagen interessieren nur die ermordeten Juden, während der Papst sich über alle Opfer der Nazis beugt; der eine macht Anschuldigungen, der andere wählt die Liebe und Hoffnung. Goldhagen wählte den Aufschrei - Benedikt XVI. die Stille."
Spectator (UK), 17.06.2006

Tim Walker porträtiert den Dramatiker und Drehbuchautor Ronald Harwood, der mit seinen 71 Jahren so produktiv ist wie nie. "Im September werden zwei seiner Drehbücher verfilmt, eine Adaption von Gabriel Garcia Marquez' 'Liebe in Zeiten der Cholera', mit Mike Newell als Regisseur, und 'The Diving Bell and the Butterfly', die Geschichte von Jean-Dominique Bauby, dem Journalisten, der nach seinem Schlaganfall ein Buch schrieb, aus Briefen, die er mit dem Zucken seines Augenlids verfasst hatte. Im Augenblick sitzt Harwood an 'Dover', einem Buch über den Prozess Kreationisten gegen Darwinisten in Pennsylvania, der vor sechs Monaten die Schlagzeilen bestimmte." Die Arbeitswut kommt von seiner Mutter. "Sie treibt mich immer noch an, sogar jetzt. Was für einen anderen Zweck hat der Ruhm, als ihn auf das Grab seiner Mutter zu legen?"
Reportajes (Chile), 18.06.2006

Nepszabadsag (Ungarn), 16.06.2006

Heti Valasz (Ungarn), 16.06.2006

BN/De Stem (Niederlande), 14.06.2006
"Wo ist nur der nüchterne Holländer geblieben?" wundern sich Romain van Damme und Frank Lambregts von BN/DeStem und versuchen das Wesen des Oranjewahns zu ergründen. Expertenhilfe leistet Paul Post, Theologe an der Katholischen Universität Tilburg, dessen Essay "Fußball ist Krieg und Ritual" (download PDF hier) über die Riten der Fußballpilger die Journalisten zitieren. "Sport bringt uns regelmäßig in kultische Extase. Es fängt schon mit dem Gang zum Stadion an. Das ist ein andächtiges, rituelles Kommen und Gehen. Eine Prozession mit Hymnen, Flaggen und Kleidung, die nur an diesem besonderen Tag aus dem Schrank genommen wird. Vor allem bei Stadien, die wie in England mitten in der Stadt liegen, sind die Parallelen zum früheren Kirchgang unübersehbar." Auf dem "heiligen Grund" der Fussballtempel wird der sportliche Wettstreit dann zum Hochamt: "Die Spieler treten nicht nur einfach gegen den Ball. Sie beten, schlagen Kreuze, küssen Amulette, wühlen in Grasbüscheln, heben die Hände zum Himmel, bitten um Heil und Rettung. ('Redding' ist im Niederländischen ebenso Torwartjargon wie Kirchensprache) Wir sehen lauter Beschwörungsgesten - so wie vielleicht jedes Ritual im Grunde eine Beschwörung ist. Ein Bannen des Bösen und Erflehen des Guten. You never walk alone..."
Economist (UK), 16.06.2006

Und Neues aus der Welt der Kunst: Paris setzt mit dem demnächst eröffneten Musee du Quai Branly der afrikanischen, asiatischen, ozeanischen und lateinamerikanischen Kunst und Kultur ein architektonisch beeindruckendes Denkmal, das als Anstoß dienen soll, über das Verhältnis zu außereuropäischen Kulturen nachzudenken, berichtet der Economist.
Weltwoche (Schweiz), 15.06.2006

Weiteres: Walter De Gregorio stellt kurz den umstrittenen Schweizer Nationaltorwart und deutsch-schweizerischen "Doppelbürger" Pascal Zuberbühler vor. Alain Zucker unterhält sich mit Michael Berg, der sich über den Tod Abu Mussab al-Sarkawis, Mörder seines Sohnes, nicht freuen kann. Simon Brunner versucht sich als Verkäufer des Straßenmagazins Surprise.
New Yorker (USA), 26.06.2006
Der Dadaismus war ein Vorläufer des Cool, konstatiert Peter Schjeldahl nach einem Tag in der aus Paris stammenden Schau im Moma. "Wer sich fragte, was dahinter steckt, hat es nie erfahren. Man musste dabei gewesen sein, weshalb die informativsten der im Moma gezeigten Objekte die Filme sind, besonders der irre 'Entr'acte'(1924) von Rene Clair und Picabia, mit einem Soundtrack von Erik Satie (mehr). Eine tanzende Ballerina, gefilmt von unten durch Glas, stellt sich als fett und bärtig heraus. Duchamp und Man Ray spielen Schach auf einem Dach, bis ein Wasserstrahl das Brett leerfegt. Ein drolliger Schütze mit Tirolerhut wird erschossen. Sein Leichenwagen bricht von dem Kamel weg, das ihn zieht. Die Trauergäste folgen in einem absurden Gespringe, und das alles in Zeitlupe. Der Leichenwagen zerschellt auf einem Feld. Der wiederbelebte Tote berührt die Trauergäste, die verschwinden."
Weitere Artikel: Sasha Frere-Jones wünscht sich mehr Bands wie Radiohead, die sich von ihrem Label befreit haben, um über den Vertrieb im Internet nachdenken. David Denby sah die Filme "The Road to Guantanamo" und "Nacho Libre". Louis Menand stellt Robert Greenfields "erschöpfende Timothy-Leary-Biografie vor. Der Autor David Sedaris hält ein humoriges Memoriam auf seine Zeit in Princeton, als sie einen Gott namens Sashatiba anbeteten, und er Vater- und Muttermord studierte. Außerdem zu lesen ist Ruth Prawer Jhabvalas Kurzgeschichte "Innocence".
Leider nur im Print: Joshua Hammers Brief aus Zimbabwe. Bill Bufords Porträt eines Küchenchefs für Desserts! Und Ian Fraziers Bericht über Utopia in der Bronx: Co-op city.
Weitere Artikel: Sasha Frere-Jones wünscht sich mehr Bands wie Radiohead, die sich von ihrem Label befreit haben, um über den Vertrieb im Internet nachdenken. David Denby sah die Filme "The Road to Guantanamo" und "Nacho Libre". Louis Menand stellt Robert Greenfields "erschöpfende Timothy-Leary-Biografie vor. Der Autor David Sedaris hält ein humoriges Memoriam auf seine Zeit in Princeton, als sie einen Gott namens Sashatiba anbeteten, und er Vater- und Muttermord studierte. Außerdem zu lesen ist Ruth Prawer Jhabvalas Kurzgeschichte "Innocence".
Leider nur im Print: Joshua Hammers Brief aus Zimbabwe. Bill Bufords Porträt eines Küchenchefs für Desserts! Und Ian Fraziers Bericht über Utopia in der Bronx: Co-op city.
HVG (Ungarn), 14.06.2006

Tamas Vajna fasst die deprimierenden Ergebnisse eines unveröffentlichten Berichts über die europäischen Medien zusammen, die von zehn europäischen Universitäten verfasst wurden. Im Bericht geht es unter anderem darum, dass es für europäische Journalisten immer schwieriger sei, unabhängig zu arbeiten: "'Das Selbstverständnis ost- und westeuropäischer Journalisten unterscheidet sich wesentlich voneinander. In den postsozialistischen Ländern passen die Redakteure ihr Wertesystem den Eigentümern oder den Politikern an. In Westeuropa betrachten sich Journalisten als autonome Akteure innerhalb der Gesellschaft', meint Andras Kovacs, Soziologieprofessor der Budapester Central European University, Leiter der Untersuchung in Ungarn. ... Mittlerweile werden auch die westeuropäischen Redaktionen von ihren - in Süd- und Osteuropa als traditionell geltenden - Netzwerken mit wirtschaftlichen und politischen Eliten zu stark beeinflusst." Redakteure in Frankreich beklagen, "dass die wichtigsten Akteure der Politik, Wirtschaft und Presse die gleichen Universitäten besucht haben. Meinungen aus den Niederlanden und Italien bestätigen dieses Ergebnis".
New York Times (USA), 18.06.2006
Nun ist er da: John Updikes neuer Roman "Terrorist" (Leseprobe) über die Radikalisierung junger Muslime in den USA. Robert Stone schreibt eine etwas lahme Besprechung dazu, als sei das Thema irgendwie schal. Ist es ja aber nicht. Beeindruckt zeigt sich Stone von Updikes Vorstellungskraft, die "glaubhafte" Charaktere und Orte hervorbringe: "Updike kann sich gut hineindenken in die moralische Entrüstung, die dieses Land in den Herzen derer erzeugt, die unterprivilegiert und zugleich überzeugte Traditionalisten sind. Andererseits ist das Buch auch keine endlose Folge von Selbstanklagen." Didaktisch möchte es sein, schreibt Stone, indem es "verschiedene Sichtweisen über die USA und ihr Image" in einem Plot zusammenführt.
Weiteres: Echte journalistische Kleinode sieht Adam Hochschild in John McPhees Porträts von Sattelschlepper- und Kohlenzug-Fahrern (Leseprobe "Uncommon Carriers"). Joe Queenan bespricht Spionage-Geschichten für Teens von Charlie Higson und Anthony Horowitz. Und Harold Bloom hält Rebecca Goldsteins Versuch, Spinozas Philosophie in einen jüdischen Kontext zu stellen (Leseprobe "Betraying Spinoza") für sympathisch, aber wenig ergiebig.
Im Magazin der New York Times untersucht Joe Nocera den Misstrauen erweckenden Wunsch des Tabakriesen Philip Morris nach mehr staatlicher Kontrolle in der Zigarettenindustrie: "Stell' dir vor, alle Hersteller müssten den gleichen Richtlinien folgen, Standards, die Zigaretten einst tatsächlich weniger gefährlich machen könnten. Stell' dir vor, es gibt keine Tabakwerbung mehr und kein Rauchen an öffentlichen Orten ... Und das nicht wegen vereinzelter Verbraucherklagen, sondern aufgrund nachhaltiger nationaler Anstrengung." Was Philip Morris davon haben könnte? Die Chance auf einen besseren Ruf, meint Nocera, und die Möglichkeit, mit harmloseren Produkten, wie rauchlosen Nikotinpräparaten, einen ganz neuen Markt zu erschließen.
Ferner: Chuck Klosterman stellt den Popavantgardisten Brian Burton aka Danger Mouse vor. Und Deborah Solomon interviewt den Komiker Jack Black ("High Fidelity").
Weiteres: Echte journalistische Kleinode sieht Adam Hochschild in John McPhees Porträts von Sattelschlepper- und Kohlenzug-Fahrern (Leseprobe "Uncommon Carriers"). Joe Queenan bespricht Spionage-Geschichten für Teens von Charlie Higson und Anthony Horowitz. Und Harold Bloom hält Rebecca Goldsteins Versuch, Spinozas Philosophie in einen jüdischen Kontext zu stellen (Leseprobe "Betraying Spinoza") für sympathisch, aber wenig ergiebig.

Ferner: Chuck Klosterman stellt den Popavantgardisten Brian Burton aka Danger Mouse vor. Und Deborah Solomon interviewt den Komiker Jack Black ("High Fidelity").
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