Vergangene Woche veröffentlichte der Historiker
Krisztián Ungváry in einem Podcast sowie in einem Artikel Informationen zur Biografie des Großvaters des Publizisten
Zsolt Bayer. Neben der Verwendung von
antisemitischen Stereotypen wies Ungváry auch auf die
kommunistische Vergangenheit der Eltern- und Großelterngeneration von gegenwärtigen
oppositionellen Politikern hin. Bayers Großvater war Mitglied der ungarischen
Nazipartei der Pfeilkreuzler und wirkte während des Krieges unter anderem als Lagerarzt in Internierungslagern für Juden, die vor der Deportation standen. Nach dem Krieg war er bis zu seinem Tode
freiwilliger IM der kommunistischen Staatssicherheit. Ungváry veröffentlichte nach eigenen Angaben die Dokumente, um Zsolt Bayer, sowie seine Generation besser zu verstehen und um eine Debatte über die
fehlende Aufarbeitung anzustoßen. Eine Debatte ist in der Tat entbrannt, wobei nach widersprüchlichen Aussagen von Bayer nun die Person Ungvárys sowie Familienmitglieder von Oppositionsvertretern in allen regierungsnahen Medien
denunziert werden. Ob die Debatte eine Wendung zur Aufarbeitung der ungarischen Vergangenheit des 20. Jahrhunderts nimmt, bleibt abzuwarten. Der Publizist Árpád Tóta W.
kommentiert die Ereignisse: "Seit der Geburt unserer Großväter sind achtzig bis hundert Jahre vergangen. Ein Weltkrieg, zweieinhalb Wenden, ein schwindelerregender Fortschritt von der Petroleumlampe bis zum Internet. Selbst wenn sie ihr Weltbild weitergeben konnten, wird es bei normalen Menschen unaufhaltsam von der Zeit überschrieben. Dem Rest ist das egal. Die können auch ohne Nazi-Großvater ihre eigene
extreme Rechte finden, QAnon, Fidesz oder was gerade zur Hand ist. Die
faulen Früchte von Zsolt Bayers Stammbaum sind beinahe völlig irrelevant (...) Wir haben keine andere Wahl, als anderen die
Sünden ihrer Vorfahren zu vergeben. Wer den Willen und den Glauben dazu hat, kann sich auf die christliche Tradition berufen.
Schließlich sind wir alle Sünder. Auch wenn unsere Väter und Großväter Heilige waren. Sicherlich gibt es einen Ur-Ur-Großvater der Wegelagerer war. Oder einen korrupten Gendarmen. (...) Aber eine Sache muss zugegeben werden. Man muss zugeben, dass ein gesundes Land eine freie Öffentlichkeit, akademische Autonomie und eine unabhängige Presse braucht. Man schuldet ihnen auch Dankbarkeit - denn die auf den Regierungsbrüsten gemästeten Bullshit-Forschungsinstitute hätten nie ans Licht gebracht, was Krisztián Ungváry ans Licht brachte."