
Viele Briten haben genug von Brexit-Diskussionen. Sie wollen jetzt aus der EU aussteigen, egal wie, und die Sache
hinter sich bringen. Aber es ist eine Illusion, zu glauben, ein "No deal"-Austritt würde wenigstens einen
sauberen Bruch bedeuten, wie Boris Johnson behauptet,
erklärt Ivan Rogers, ein langjähriger Staatsbeamter, der Britannien zwischen 2013 und 2017 in der EU vertreten hat, seinen Landsleuten. Diese Vorstellung "ermutigt eine Öffentlichkeit (in der viele verständlicherweise die Nase voll haben vom Spiel der Politik) zu glauben, dass ein '
Abschluss' nur wenige Wochen entfernt sein könnte. Aber das ist völlig irreal. Die Realität eines 'no deal' ist, dass
alle ungeklärten Fragen über unsere zukünftigen Beziehungen zur EU
ungelöst bleiben und nicht einmal sicher ist, ob es danach überhaupt Verhandlungen zur Lösung dieser Probleme geben wird. Es wäre also
nur der Anfang und nicht das Ende. Die von den Ministern propagierte Vorstellung, dass die Unternehmen nach einem 'No Deal'-Ausstieg in acht Wochen endlich die 'Klarheit' und 'Gewissheit' haben würden, die sie benötigten, ist lächerlich. Sie wüssten nicht einmal, ob es irgendeine Art von
Präferenzabkommen (mit anderen Worten, eins, das wesentlich über die WTO-Verpflichtungen hinausgeht, aber wesentlich weniger tief geht als die Mitgliedschaft im Binnenmarkt und in der Zollunion und damit weniger Handelsvolumen mit dem Kontinent liefert, als wir es jetzt haben) mit unserem größten Handelspartner geben wird, geschweige denn, welche Art von Abkommen und wann."
Fraser Nelson, der Boris Johnson eigentlich für einen Guten hält, der nach dem Brexit
mehr Globalisierung und Freihandel will, nicht weniger, hört beim Premier in jüngster Zeit einen "subtile, aber
unwillkommene Änderung des Tons" heraus. In welche Richtung marschiert Johnson denn nun eigentlich,
fragt er sich verwirrt. "Wir haben auffallend wenig über seine Vision von einem '
globalen Brexit' gehört, sein großes Thema als Außenminister war und seine angebliche Agenda für die Zeit nach dem 31. Oktober. Oder von seinem Versprechen eines 'liberalen Konservatismus', eine Waffe, die - versicherte er den Abgeordneten - sie vor der gelben Gefahr einer Renaissance der Liberaldemokraten retten würde. Seine Hauptpriorität ist es,
Wähler von Nigel Farages Brexit-
Partei zu gewinnen, und das erfordert eine andere Taktik. Statt des liberalen Toryismus hören wir also von Plänen, Menschen länger einzusperren und dafür mehr Gefängnisse zu bauen. Die Wähler der Brexit-Partei strömen zu den Tories, die nun über eine komfortable Mehrheit verfügen. Und es gibt noch mehr. Vor einigen Wochen wurde angekündigt, dass die
Freizügigkeit, das visafreie System, das alle EU-Bürger überall auf dem Kontinent frei leben und arbeiten lässt,
am 31.
Oktober um 23.
00 Uhr endet. Wodurch wird sie ersetzt? Die Regierung hat sich nicht entschieden. Das hat Millionen von Menschen in Unsicherheit und Panik versetzt: Was wird mit ihnen geschehen? Und
ihren Kindern in der Schule hier?"