Magazinrundschau
Multitasking gedeiht, so wie wir
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.12.2009. Im Wilson Quarterly liebt der Ökonom Tyler Cowen sein Multitasking. Prospect kennt die Monster der Linken. Der Boston Globe entdeckt mit James C. Scott das neue Shangri-La in den Bergen "Zomias". Die Weltwoche empört sich über die Kritik an der Minarett-Abstimmung. Im Nouvel Obs macht sich Pierre Nora Gedanken über den Bestseller. New Criterion weiß, warum die Preise für Pop-Art nicht sinken. NZZ-Folio untersucht Chicken Nuggets. Al Ahram fragt: Was will der politische Islam? Walrus bedauert das erste Opfer von C-58. In Resetdoc erklärt Joseph Massad, den arabischen Homosexuellen zu einer Erfindung des Westens.
Wilson Quarterly | Odra | Folio | Elet es Irodalom | Al Ahram Weekly | Dawn | Walrus Magazine | ResetDoc | Nepszabadsag | Prospect | Polityka | Boston Globe | Weltwoche | Nouvel Observateur | New Criterion
Wilson Quarterly (USA), 07.12.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q212/A25997/wilson.jpg)
Nepszabadsag (Ungarn), 05.12.2009
Der Literaturwissenschaftler Akos Szilagyi ist beunruhigt über die politische Gleichgültigkeit vieler Ungarn: "Die Frage ist heute nicht mehr, welche Art des Herrschens - die liberale oder illiberale - innerhalb der Demokratie die Oberhand gewinnt, sondern, ob die parlamentarische Demokratie, der Rechtsstaat als Garant des Humanitätsprinzips überhaupt bestehen bleibt, wenn ein Großteil der Gesellschaft sich für das eigene Schicksal nicht mehr interessiert und die von Hysterie und Irrationalität befallene, zunehmend antidemokratische Mittelschicht die Zerstörung ihrer selbst mehr und mehr als ihre wichtigste Aufgabe betrachtet. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem sogar die illiberale Demokratie der aus dem kalten Bürgerkrieg als Sieger hervorgehenden Rechten sich als schöner Traum erweisen könnte - verglichen mit der sich in hysterischen Seelen und grausamen Herzen ankündigenden höllischen Wirklichkeit eines Monsterstaates der ethnonationalistischen Diktatur."
Prospect (UK), 07.12.2009
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Polityka (Polen), 04.12.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q95/A25984/polityka.jpg)
Boston Globe (USA), 06.12.2009
Das neue Shangri-La? Drake Bennett stellt im Boston Globe Ideas die Ideen des Yale-Politologen James C. Scott über die wilden Bergvölker Asiens vor. Sie leben in "Zomia" - nach einem vom Amsterdamer Historiker Willem van Schendel geprägtem Begriff. Gemeint sind damit die bergigen Regionen von der vietnamesisch-chinesischen Grenze über Tibet bis hin zu Afghanistan. Scott entwickelt über diese Gebiete eine Art anarchistisch inspirierter politischer Theorie Diese Völker, sagt er, haben in ihrer Abkehr von den großen Zivilisationen der Tiefebene bewusst auf zivilisatorischen Fortschritt verzichtet und eine antihierarchische Kultur ausgebildet: "In seinen spekulativsten Argumentationen sieht Scott sogar das Fehlen der Schrift bei vielen Zomia-Völkern als eine bewusste gesellschaftliche Entscheidung. Für Bauern war Schrift in erster Linie ein Instrument staatlicher Kontrolle - das Instrument, mit dem die Eliten Geld, Arbeit und Muilitärdienst von ihnen erzwingen wollten. Folglich haben diese Bauern nach ihrem Rückzug in die Berge die Schrift verworfen um zu verhindern, dass ein neuer hierarchischer Zwang in den von ihnen gebildeten Gesellschaften entstand." Hier ein längerer Artikel aus Crooked Timber über James C. Scott, hier noch einer und hier eine Kritik seines letzten Buchs, in dem er seine Ideen über "Zomia" darlegt: "The Art of not Being Governed".
Weltwoche (Schweiz), 03.12.2009
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Der Hotelier Peter Bodenmann stellt Gleichstellungsforderungen auf, die wir von Herzen unterstützen: Geht es nach dem Walliser Bischof Norbert Brunner, sollen Priester künftig heiraten können. Aber das reicht nicht. "Brunners Forderung ist eine Revolution, wenn auch eine unvollendete: Warum sollen Priester Frauen heiraten dürfen, Frauen aber weiterhin nicht Priesterinnen werden dürfen? Warum sollen künftig katholische Priesterinnen nicht das Recht haben, Männer zu heiraten oder Päpstin zu werden? Wer den ersten Schritt wagt, müsste den zweiten und den dritten auch angehen. Denn für die Katholiken in der Schweiz hat das Gleiche zu gelten wie für die Muslime in der Schweiz: Irrationale Religionen dürfen nicht die Gleichstellung behindern."
Außerdem: Martin Schubarth erklärt der Regierung genau, wie sie sich vor dem Gerichtshof in Straßburg zu verhalten hat. Und Andreas Gross, ein Gegner des Minarettverbots, bedauert das Versagen der Parteien und der Medien.
Nouvel Observateur (Frankreich), 03.12.2009
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New Criterion (USA), 01.12.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q113/A25991/newcriterion.jpg)
Odra (Polen), 01.11.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q166/A25988/odra.jpg)
Folio (Schweiz), 07.12.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q8/A25994/folio.jpg)
Peter Haffner erzählt die Geschichte des Lebensmittelwissenschaftlers Robert Baker, der Hühnerfleisch so profitabel machen wollte wie Rindfleisch und der unter anderem die Chicken Nuggets erfand: "Jacoba 'Jackie' Baker, der munteren, nun 89-jährigen Witwe, oblag es zu kochen, was ihr Gatte zusammengebraut hatte. 'Wenn unsere Kinder es nicht gern hatten, zuckte er mit den Schultern. Mochten die Nachbarkinder es nicht, hielt er sie für verwöhnt', sagt sie. 'Nur wenn der Hund es nicht fraß, meinte er, er müsse nochmals ins Labor und dran arbeiten.'"
Reto U. Schneider verleidet einem erfolgreich Frühstücksflocken, die bis zu 55 Prozent aus Zucker bestehen. 'Manchmal ist es gesünder, den Karton zu essen', sagt die Ernährungswissenschafterin Marion Nestle von der Universität von New York."
Außerdem inspiziert werden Dosenravioli, Ketchup, Chips und Salat. Und Luca Turin erkennt in seiner "Duftnote", dass Cocktails wie Parfum sind: "Martini ist Chypre, Manhattan ist Chanel No. 5, Gin Tonic ist Pino Silvestre, und die Margarita ist Chanel Pour Monsieur. "
Elet es Irodalom (Ungarn), 27.11.2009
"Wir müssen erkennen, dass die Geschichte in unsere Ohren trommelt", schreibt der Politikwissenschaftler Ervin Csizmadia über die heutige ungarische Politikwissenschaft, die ihm zufolge viel zu sehr auf die Gegenwart fixiert ist. Dies wäre nicht weiter schlimm, schließlich habe sich die Politologie vordergründig mit den aktuellen Mechanismen und Prozessen zu befassen. Dennoch kann man die ungarische Politik allein aus ihrer Gegenwart nicht verstehen, meint Csizmadia: "Ich glaube, dass nur jene Politikwissenschaft eine 'Wissenschaft der Demokratie' werden kann, die für die Vergangenheit sehr empfindlich ist und alles konsequent aufzudecken beginnt, was sich in ihrem Land unter dem Stichwort Politik bislang ereignet hat. (...) Natürlich erscheint dieses Programm in etablierten Demokratien als ziemlich armselig, in einem Land aber, das mit dem Systemwechsel die Vergangenheit als abgeschlossen betrachtete, ist es das Maximum. Es hilft nun einmal nichts: In den vergangenen zwanzig Jahren haben wir vom Westen gerade das Wesentliche nicht erlernen können: Das Verständnis für die eigene Vergangenheit und für uns selbst."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 03.12.2009
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q73/A25995/ahram.jpg)
Nehad Selaiha bedankt sich herzlich beim Institut für Darstellende und Bildende Künste der Amerikanischen Universität in Kairo (AUC), die Klassiker des Welttheaters nach Kairo bringt. Besonderes Verdienst hat in ihren Augen der Schauspieler, Regisseur und Lehrer Mahmoud El-Lozy, der dafür sorgt, dass die AUC einmal im Jahr ein Stück aus dem modernen ägyptischen Repertoire inszeniert. Diesmal hat er sich ein Melodram von Tawfiq El-Hakim ausgesucht: "Der Dieb". Es geht um eine junge Frau, die sich mit Witz und Einfallsreichtum gegen ihren lüsternen Stiefvater zu Wehr setzen muss, bis nichts mehr hilft und sie nur durch das Eingreifen eines ehemaligen Angestellten gerettet wird, der den Stiefvater erschießt. Den Schluss hat El-Lozy allerdings verändert: Der Stiefvater stirbt nicht, sondern schäumt vor Wut. Er verstößt seine Frau in die Armut, wirft die Tochter raus und bedroht ihren Ehemann. Was Selaiha alles ganz hervorragend findet, denn: "Indem er das künfigte Schicksal aller Hauptfiguren in der Schwebe hängen lässt, ist El-Lozy nicht nur das einfache, symmetrische Design des Stücks losgeworden - die Handlung wird durch einen Schuss ausgelöst und beendet -, er hat auch den Stiefvater in ein unsterbliches Symbol für Nötigung, Ausbeutung, ungehemmte Gier und moralische Korruption verwandelt. Die Botschaft des Stücks war nicht mehr, dass man in die göttliche Gerechtigkeit glauben soll, sondern eine Warnung, dass solche Geschäftsmänner wie der korrupte, skrupellose und ausbeuterische Pascha noch immer unter uns sind, nur in neuer Gestalt, die jüngere Generation verführend und ausnutzend. Es war, als wäre El-Hakims Pascha von der Bühne direkt in unseren heutigen Alltag getreten."
Dawn (Pakistan), 07.12.2009
Wenn Barack Obama den Krieg gegen die Taliban gewinnen will, muss er mehr tun als Soldaten schicken. Ein Bombenattentat Ende Oktober auf einem belebten Markt in Peschawar hat über hundert Tote gekostet. Schuld sind - die Amerikaner, jedenfalls nach Meinung vieler Paschtunen, berichtet AFP. "'Was hat mein Vater getan? Warum hat uns jemand das angetan?', fragt Rashid Javed, der seinen Vater und zwei Cousins am 28. Oktober verloren hat. 'Die Hälfte des Körpers meines Cousins fehlte. Wir haben die obere Hälfte bekommen ... Ich glaube, Amerika, Israel und Indien sind involviert. Die Taliban können das nicht tun - sie haben gewöhnlich nur Polizisten und Soldaten angegriffen.' Das hört man oft in Peschawar, einer kulturellen Hauptstadt für die Paschtuns. Diese Gefühle werden lokal befeuert durch Talibanpropaganda, die Amerika und den Rivalen Indien für Pakistans Krankheiten verantwortlich machen und die Vereinigten Staaten beschuldigen, sie versuchten die Region zu besetzen."
Walrus Magazine (Kanada), 01.01.2010
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q127/A26000/walrus.jpg)
ResetDoc (Italien), 01.12.2009
Joseph Massad, Professor an der Columbia Universität in New York, spricht im Interview über sein Buch "Desiring Arabs" und erklärt, dass Homosexuelle in der arabischen Welt eine sozialdarwinistische, kulturalistische, zivilisatorische, orientalistische, kolonialistische Erfindung des Westens sind. "Westliche Anthropologen und schwule Internationalisten sind unglücklich, weil ihre eigenen 'Forschungen' ergeben haben, dass die meisten arabischen (oder lateinamerikanischen oder indischen oder iranischen etc.) Männer, die Sex mit anderen Männern haben, sich genauso wenig mit diesen intimen Praktiken identifizieren oder sich danach benennen wie jene Männer, die Sex mit Frauen haben, sich nach diesen Praktiken benennen. Es gibt zwar eine kleine Gruppe verwestlichter Araber aus der Oberklasse und oberen Mittelklasse, die von Homosexualität und dem amerikanischen Beispiel verführt sind, doch sie sind nicht repräsentativ für die Mehrheit der Frauen und Männer, die Sex mit dem gleichen Geschlecht praktizieren und sich nicht mit diesen Praktiken identifizieren."
Einige dieser in Massads Augen "verwestlichten Araber" haben in Beirut Helem, eine Organisation zum Schutz schwuler, lesbischer und Transgender-Libanesen gegründet. Hossein Alizadeh von Helem weist Massads Vorwurf strikt zurück: "Es stimmt, dass das Konzept von Homosexualität, wie wir es im Westen kennen und verstehen, eine strikt westliche Erfahrung ist. Es hat aber auch in anderen Kulturen schon Menschen gegeben, die sich nach dem gleichen Geschlecht sehnten, bevor sie Kontakt zum Westen hatten. Die Wahrheit ist, dass die arabische islamische Gesellschaft nie einen offenen Dialog über Sexualität akzeptiert hat. Die Vorstellung schwul zu sein und eine andere Identität zu haben, hat sich unter Muslimen nie entwickelt. Das heißt nicht, dass Homosexualität aus dem Westen exportiert wurde, so wie Menschenrechte nicht nur im Westen, sondern auch für Muslime gültig sind."
Einige dieser in Massads Augen "verwestlichten Araber" haben in Beirut Helem, eine Organisation zum Schutz schwuler, lesbischer und Transgender-Libanesen gegründet. Hossein Alizadeh von Helem weist Massads Vorwurf strikt zurück: "Es stimmt, dass das Konzept von Homosexualität, wie wir es im Westen kennen und verstehen, eine strikt westliche Erfahrung ist. Es hat aber auch in anderen Kulturen schon Menschen gegeben, die sich nach dem gleichen Geschlecht sehnten, bevor sie Kontakt zum Westen hatten. Die Wahrheit ist, dass die arabische islamische Gesellschaft nie einen offenen Dialog über Sexualität akzeptiert hat. Die Vorstellung schwul zu sein und eine andere Identität zu haben, hat sich unter Muslimen nie entwickelt. Das heißt nicht, dass Homosexualität aus dem Westen exportiert wurde, so wie Menschenrechte nicht nur im Westen, sondern auch für Muslime gültig sind."
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