Magazinrundschau - Archiv

ResetDoc

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Magazinrundschau vom 05.07.2016 - ResetDoc

In einem leider etwas struppigen, aber doch bemerkenswerten Artikel erhebt Chiara Cruciati schwere Vorwürfe gegen die Vereinten Nationen, die den Jesiden nicht zu Hilfe kommen, obwohl ihre eigene Untersuchungskommission zu Syrien das de facto verlangt. Im Focus steht wieder einmal der Menschenrechtsrat: "'Völkermord ist verübt worden und wird weiter verübt', betonte Paulo Pinheiro, Vorsitzender der Kommission: 'Der IS hat an allen jesidischen Frauen, Männern und Kindern, derer er habhaft werden konnte, die entsetzlichsten Gräueltaten begangen'. Sein Bericht stellt fest, dass für die Kommission 'das Außmaß und die Art der Gräueltaten, sowie die Tatsache, dass die Opfer aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppen vorsätzlich und systematisch ins Visier genommen werden, weitere Faktoren waren, aufgrund derer sie auf eine genozidale Absicht schließen konnte. Dazu gehört auch, dass die Geburt jesidischer Baby verhindert wird, Erwachsene zwangskonvertiert werden, jesidische Männer und Frauen voneinander getrennt werden.' Doch wie Carla del Ponte berichtet, reagierte der Menschenrechtsrat in keiner Weise angemessen, sondern machte erst einmal jede Chance zunichte, 'Strafmaßnahme gegen die an diesen schrecklichen Verbrechen Schuldigen einzuleiten'."

Magazinrundschau vom 25.11.2014 - ResetDoc

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hörte der Westen auf, sich für Russland zu interessieren - ein Fehler, der sich nun rächt, schreibt Roberto Toscano, ehemaliger italienischer Botschafter in Moskau, in einem lesenswerten, langen Porträt Wladimir Putins: "Mit Russlands Beziehung zum Westen ging es steil bergab, nachdem Putin an die Macht gekommen war, aber seine Rolle, wenn sie auch zentral ist, erklärt nicht, warum seine provokative, revisisonistische, herausfordernde Haltung gegenüber Amerika und Europa im heutigen Russland so überwältigend populär ist. Eine persönliche Erfahrung: Als ich Moskau im Juni letzten Jahres besuchte, war ich betroffen von dem pauschalisierten, bitteren Antiamerikanismus selbst bei denjenigen, die als liberale, pro-westliche Intellektuelle und internationale Experten gelten. Paradoxerweise fand ich diesen Antiamerikanismus, trotz der offiziellen Propaganda, nicht in der zweiten Hälfte der Siebziger, als ich vier Jahre in Russland lebte ... Tatsächlich ist die Stimmung in Russland nicht nur neo-imperialistisch und revanchistisch, sondern auch - für Russen, die wirklich gehofft hatten, dass das Ende des Kommunismus eine volle Aufnahme in die moderne, freie, entwickelte Welt bedeuten würde - ein Produkt des Bedauerns und der Erniedrigung: weil man eben nicht aufgenommen wurde, weil man nicht respektiert wurde, weil die Sicherheit und ökonomischen Interessen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ignoriert wurden."

Magazinrundschau vom 08.02.2011 - ResetDoc

Welche Rolle werden die Muslimbrüder in Tunesien und Ägypten spielen, wird Tariq Ramadan gefragt. In Tunesien haben die Islamisten beim Aufstand gar keine Rolle gespielt, meint er. In Ägypten sei das zwar etwas anders, aber dabei "geht es nicht um Trends, es ist eine Generationenfrage. Bei den ägyptischen Muslimbrüdern heißt 'jünger sein' sechzig sein! In den vierziger Jahren war das anders. Es gibt einen internen Kampf zwischen den Generationen. Ich glaube nicht, dass es eine monolithische Realität des heutigen Islamismus gibt. Wenn man die zwei Länder vergleicht, stellt man fest, dass Tunesien viel fortschrittlicher ist was Demokratie und die Gleichberechtigung der Frauen angeht. Das ist sehr wichtig. Eine Bewegung wie Kefaya wäre vor zwanzig Jahren in Ägypten undenkbar gewesen. Die Muslimbrüder hätten sich geweigert, mit anderen politischen Gruppen - Kommunisten, Linke, Atheisten - zusammenzuarbeiten. Aber sie haben sich verändert, weil sie verstanden haben, dass sie die Diktatur Mubaraks nicht allein stürzen können."

Magazinrundschau vom 04.01.2011 - ResetDoc

Bei den ägyptischen Wahlen am 28. November 2010 hat sich Präsident Hosni Mubarak ein famoses Ergebnis gegönnt: 419 von 508 Sitze für seine NDP, die Oppositionsparteien sind damit de facto abgeschafft. Der Journalist und Blogger Issandr El Amrani kommentiert das Ergebnis im Interview so: "Wenige Menschen haben ernsthaft daran geglaubt, dass sich Ägypten demokratisiert, und das Regime Mubarak scheint entschlossen, aus- und inländische Kritik an den Wahlen zu ignorieren. Da es keine starke innere Opposition oder ausländischer Partner gibt, die bereit wären, hinsichtlich Demokratie und Menschenrechte Druck auszuüben, glaubt Ägypten, dass es sich schlechte Presse leisten kann. Aber es wird einen hohen Preis zahlen müssen; die offizielle Politik hat durch diese Wahlen an Legitimität verloren, und Oppositonsparteien haben wenig Anlass an 'schrittweise Reformen' zu glauben, eher werden sie ihre Differenzen beilegen und sich gegen den Status quo zusammenschließen."

Dass selbst die bisher größte Oppositionsbewegung, die Muslimbrüder, keinen einzigen Sitz gewonnen hat, lässt den Politikwissenschaftler Amr El Shobaki darüber rätseln, ob sie nun offiziell verboten sind oder nicht: "Sie wurden in keiner Weise in das politische System integriert. Die Regierung hat zu allen erdenklichen Mitteln gegriffen, um diese Minderheit nicht einmal die Ergebnisse von 2005 erreichen zu lassen. Allerdings hat die Bruderschaft auch nie die Regeln des Landes akzeptiert und immer wieder eine antidemokratische Rhetorik benutzt und den modernen, zivilisierten Staat abgelehnt."
Stichwörter: Mubarak, Hosni, Muslimbrüder

Magazinrundschau vom 02.11.2010 - ResetDoc

Resetdoc ist stolz auf sich, schließlich wird die Hauptveranstaltung des UNESCO-Welttags der Philosophie nun nicht mehr in Teheran, sondern in Paris stattfinden. Die Reset-Redakteure haben in den vergangenen Monaten mitgeholfen, die Unesco unter Druck zu setzen, mit einem offenen Brief, einer eigenen Protest-Website und vielen Artikeln. Zum Beispiel dem von Ramin Jahanbegloo über die Bürgerpflichten eines Philosophen: "Die Funktion des Bürger-Philosophen als Person, die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten im Blick hat, sollte aufrechterhalten werden, auch wenn das Konzept heute kein politisches Gewicht mehr hat. Der Philosoph kann nicht durch Karriere-Akademiker ersetzt werden, auch wenn es im Augenblick opportun erscheint. Philosophen können immer noch eine Menge beitragen zur Demokratisierung der Demokratie. Sie werden sicherlich nützlich sein für menschliche Gesellschaften, aber nur so lange, wie die Menschen daran festhalten, dass Philosophie nicht überflüssig ist."
Stichwörter: Jahanbegloo, Ramin

Magazinrundschau vom 12.10.2010 - ResetDoc

Was geschieht mit dem Irak? Obwohl sich die meisten Iraker als Patrioten verstehen, schreibt Harith Alqarawee, befindet sich das Land in einer ernsthaften Identitätskrise. Alle Sektierer haben irgendwelche Narrative, die extreme Gewalt von ihrer Seite rechtfertigen sollen. Aber nur wenn das Land sich mit seiner Vergangenheit unter Saddam Hussein auseinandersetzt, kann der Irak auf eine stabile Zukunft hoffen, so Alqarawee: "Die irakische Gesellschaft muss akzeptieren, dass sie einige Verantwortung für diesen Konflikt trägt, nicht nur weil sie lange schweigend zugesehen hat, wie ein großer Teile der Bevölkerung durch die Regierung unterdrückt wurde, sondern auch, weil sie ein grausames Regime jahrzehntelang akzeptiert hat. Bis jetzt hat es nicht den Anschein, als hätten solche Überlegungen stattgefunden."

Außerdem: Ein großes Problem, erklärt Ornella Sangiovanni, Journalistin und Mitbegründer der News-Webseite Osservatorio Iraq, ist der Streit um das Öl, der im kurdischen Teil des Iraks liegt: Die Kurden wollen allein bestimmen, wer dort zu welchen Konditionen bohren darf. Und die Politologin Bessma Momani erzählt, dass die Iraker heute "zwar größere politische Freiheit haben, aber alles andere sich sehr verschlechtert hat. Es gibt weniger persönliche Freiheit. Man kann seine Meinung sagen, aber damit setzt man seine Sicherheit aufs Spiel."

Magazinrundschau vom 15.06.2010 - ResetDoc

Die Nahost-Expertin Marcella Emiliani erklärt nach den Vorfällen um die Gaza-Flotille das Vorgehen der türkischen Regierung: "Eingedenk der Tatsache, dass sein Land der Nato angehört, hat Erdogan als Muslim agiert. Und als Muslim hat er Verbindungen zum Iran. Dieses Match wird nicht im Nahen Osten ausgetragen, sondern in der viel größeren islamischen Umma." Und welche Rolle spielen die Ägypter? "Mubaraks Zug, den Grenzübergang bei Rafah zu öffnen, zeigt, wo das wirkliche Problem liegt, das die internationale Öffentlichkeit ignoriert: die Blockade von Gaza. Mubarak ist außerdem die selbe Person die unterirdische Stahlwände baut, um das Problem der Tunnel unter der Grenze zu lösen. Wie man sehen kann, ist seine politische Haltung ambivalent."

David Judson, Chefredakteur der Hürriyet Daily News, spricht über den "Ausbruch von Antisemitismus" in der Türkei und die Verschlechterung der türkisch-israelischen Beziehungen: "Die türkische Gesellschaft ist sehr emotional. Als Italiener werden Sie sich vielleicht daran erinnern, was los war, als Italien sich weigerte, [den PKK-Führer] Abdullah Öcalan auszuliefern; Demonstrationen, Proteste und Forderungen, italienische Produkte zu boykottieren. Heute kochen die Gefühle für die Opfer der israelischen Attacken hoch, aber man darf nicht vergessen, dass die türkische Gesellschaft sich schnell ändert. Die Beziehungen zu Griechenland zum Beispiel waren in der Vergangenheit sehr gespannt. Heute haben die beiden Länder sehr feste Beziehungen und Griechenland ist dabei, der Hauptverbündete der Türkei in der Europäischen Union zu werden."

Magazinrundschau vom 09.03.2010 - ResetDoc

In einem kurzen Interview erklärt der französische Politikwissenschaftler Olivier Roy, warum sowohl die christliche Rechte und die säkulare Linke seiner Meinung nach islamophob sind: "Die erste Tendenz ist die christliche Identität. Der Glaube, dass Europa christliche Wurzeln hat, hat nichts mit religiösem Glauben zu tun. Das ist die rechtskonservative Position. Die italienische Lega Nord geht nicht zur Kirche, betrachtet die Kirche aber als Teil ihrer eigenen Identität. Diese Leute sind in der Regel fremdenfeindlich und islamophob. Die zweite Tendenz ist die der säkularen Linken, die gegen den Islam opponiert - nicht weil er die Religion der Immigranten ist, sondern weil er eine Religion ist, und die säkulare Linke gegen jede Religion ist. Bis vor kurzem, also im 20. Jahrhundert, fand die Debatte zwischen der säkularen Linken und der christlichen Rechten statt, aber die sind jetzt keine Gegensätze mehr."

Außerdem: In einem Videointerview plädiert die in Yale lehrende Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib für möglichst offene und transparente Einbürgerungsmöglichkeiten für Immigranten.

Magazinrundschau vom 26.01.2010 - ResetDoc

Resetdoc hat in einem Offenen Brief die Generaldirektorin der Unesco, Irina Bokova, aufgefordert, den Weltphilosophentag nicht ausgerechnet im Iran abzuhalten. "Unserer Meinung nach sollte Irans Kandidatur für die nächste Sitzung nicht als normale Rotation in Betracht gezogen werden, da wir mit den jüngsten Vorkommnissen schmerzlich erfahren haben, wie Menschen im Iran für ihre Ideen eingesperrt werden können und ihr Leben riskieren. Die junge Frau, die im Juni zum Symbol der Proteste nach den Wahlen wurde, Neda Agha Soltan, besaß Abschlüsse in Theologie und Philosophie."

Hier die Liste der bisherigen Unterzeichner.
Stichwörter: Theologie

Magazinrundschau vom 05.01.2010 - ResetDoc

Für die Soziologin Nilüfer Göle zeigt das Minarettverbot, wie schwer sich die Schweiz damit tut, Muslime als "endogenen Bestandteil" ihrer Gesellschaft anzuerkennen. Und Moscheen mit weithin sichtbaren Minarettten scheinen für sie der entscheidende Ort von Integration: "Moscheen dienen als Schnittstelle zwischen urbaner Umgebung, muslimischen Bürgern und religiösem Pluralismus. Wie können wir neu über den Moscheeraum für Frauen, für Jugendliche und verschiedene Aktivitäten nachdenken? Ihre Sichtbarkeit zu akzeptieren, zieht eine Reihe von Verhandlungen und Regeln nach sich in Bezug auf Ästhetik, Gebetsordnung, Finanzen, Architektur und Raum, um Objekte eines in Zukunft geteilten Erbes zu schaffen. Das Schweizer Referendum hat nun eine Nicht-Verhandelbarkeit geschaffen und in diesem Sinne zeugt das Referendum von einer undemokratischen Haltung, denn es stoppt den Prozess von Evolution, Austausch und kultureller Mischung."