Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
26.04.2004. In Kafka erklärt der Psychiater Petr Prihohoda, wie sich die Tschechen mit der Vertreibung der Sudetendeutschen selbst verletzten. In der New York Review of Books prophezeit Peter W. Galbraith für das Jahr 2005 den großen Krach im Irak. In Le Point erzählt Bernard-Henri Levy, wie Salman Rushdie die Füße seiner Braut verwechselte. Outlook India porträtiert die Filmkomponisten Shankar-Ehsaan-Loy. Der New Yorker fischt im Irak mit TNT. Der Espresso stellt den Metzger Bouriqui Boucheta vor, einen selbsternannten Imam. In Haaretz erzählen acht junge Aussteiger, warum sie in der Negev-Wüste leben.
Kafka (Deutschland), 01.05.2004

Der tschechische Psychiater und Publizist Petr Prihohoda fürchtet, dass die Vertreibung der Sudetendeutschen nur eine von mehreren unbewältigten Vergangenheiten ist: "Die meisten Tschechen haben außer Befürchtungen keine spontane Zukunftsvision. Eine Minderheit setzt auf die Europäische Union. Und die Mehrheit? Die ist ambivalent, viele empfinden Unlust... In diese Gemengelage dringt von Zeit zu Zeit die Stimme der Sudetendeutschen. Es sind nicht viele, doch rühren sie an den neuralgischen Punkt unserer Existenz. Ihre Vertreibung hat nicht nur sie, sondern auch uns verletzt. Selbst wenn man einen Moment lang die moralische Seite ausklammert, sind die Beschädigungen enorm. Die sudetendeutschen Gebiete erlebten eine Zerstörung, die wir nicht rückgängig gemacht, sondern noch vergrößert haben. Die Vertreiber und ihre Befürworter waren später entscheidend an der Gestaltung der Verhältnisse im ganzen Land beteiligt. Vertreibung wurde eine zulässige Methode, denn auf die Vertreibung der Deutschen folgte die weiterer Gruppen; nicht aus dem Land, sondern an den Rand der Gesellschaft und in die Gefängnisse."
Die jugoslawisch-ungarische Schriftstellerin Victoria Radics erzählt von den Isbeglica, den Hunderttausenden von Heimatlosen auf dem Balkan: "Isbeglica an der grünen Grenze, Isbeglica in sündhaft teuren Autos. In Massenquartieren, in Luxushotels und in Gästezimmern. Im Zug, die Habe gebündelt auf dem Rücken, oder mit riesigen Siegelringen an den Fingern. In Wien, in Berlin, in Budapest. Ungarn, Albaner, Serben und Moslems."
In der Printausgabe ist auch ein Essay von Karl Schlögel über das Jahrhundert der Vertreibungen zu lesen: "Wo solch ungeheure Menschenmassen im Bruchteil einer historischen Sekunde versetzt werden, müssen ungeheure Kräfte wirksam gewesen sein. Es bedarf einer ungeheuren Gewalt, um die Trägheit des Lebens zu überwinden, die Routinen zu erschüttern und Menschen in Bewegung zu versetzen. Daher ist seit jeher der Schock, die überfallartige Situation, die das Überraschungsmoment nutzt, ganz entscheidend. Mit langen Erklärungen wird nur alles komplizierter, ja verdorben. Man darf den zum Abtransport Bestimmten nicht mehr als maximal eine halbe Stunde geben, sonst kommen sie ins Nachdenken darüber, was man dagegen unternehmen kann ..."
Weiteres: Der Publizist Adam Krzeminski glaubt, dass der deutsch-polnische Streit um die Vertriebenen weniger diesen selbst und ihrem Schicksal gilt als vielmehr der politischen Rolle des Bundes der Vertriebenen. Und Doris Liebermann erinnert an verschiedene Schicksale deutscher Tschechen.
As-Safir (Libanon), 23.04.2004
In der Kulturbeilage der libanesischen Tageszeitung As-Safir hält Saqar Abu-Fachar den oft betonten arabischen Einfluss auf Europa im Mittelalter für überschätzt, da Denker wie Avicenna, Averroes oder Ibn Khaldun selbst "außerhalb der arabischen Kultur gestanden" und dort wenig Spuren hinterlassen hätten. "Obwohl seit 800 Jahren die arabische Kultur zerfällt, wird oft geradezu hochmütig behauptet: Ohne die Araber wäre Europa zugrunde gegangen und würde noch im dunkelsten Mittelalter stecken. Es gilt diese Legende zu berichtigen", sagt Abu Fachar und empfiehlt statt dessen die Frage, warum das westliche Modell so erfolgreich war.
Weitere Artikel: Feuilletonchef Abbas Beydoun (mehr hier) berichtet über ein Treffen zur modernen arabischen Literatur seit den siebziger Jahren an der Sorbonne Nouvelle. Ein weiterer Artikel beleuchtet die Geschichte des 1959 verstorbenen russischen Schriftstellers Daniel Andrejew (Sohn des bekannten Schriftstellers Leonid Andrejew, mehr hier), der 25 Jahre lang wegen eines unveröffentlichten Romans im Gefängnis saß. Uthman Uthman schreibt über die Anfänge des arabischen Buchdrucks in der syrischen Stadt Aleppo, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Muhammad Ali Schams ad-Din ist von einer Textsammlung des Dichters Ibrahim al-Mulla, mit dem Titel "Ich verlor meinen Blick im Brunnen" beeindruckt, aus den düsteren Texten sprecht aber nach Meinung des Rezensenten vor allem eines: "Verzweiflung, Verzweiflung, Verzweiflung." Noch mehr Poesie: Zu einem Gemälde Van Goghs hat Shauqi Basi' ein Gedicht mit dem Titel "Bäume" verfasst.
Weitere Artikel: Feuilletonchef Abbas Beydoun (mehr hier) berichtet über ein Treffen zur modernen arabischen Literatur seit den siebziger Jahren an der Sorbonne Nouvelle. Ein weiterer Artikel beleuchtet die Geschichte des 1959 verstorbenen russischen Schriftstellers Daniel Andrejew (Sohn des bekannten Schriftstellers Leonid Andrejew, mehr hier), der 25 Jahre lang wegen eines unveröffentlichten Romans im Gefängnis saß. Uthman Uthman schreibt über die Anfänge des arabischen Buchdrucks in der syrischen Stadt Aleppo, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Muhammad Ali Schams ad-Din ist von einer Textsammlung des Dichters Ibrahim al-Mulla, mit dem Titel "Ich verlor meinen Blick im Brunnen" beeindruckt, aus den düsteren Texten sprecht aber nach Meinung des Rezensenten vor allem eines: "Verzweiflung, Verzweiflung, Verzweiflung." Noch mehr Poesie: Zu einem Gemälde Van Goghs hat Shauqi Basi' ein Gedicht mit dem Titel "Bäume" verfasst.
New York Review of Books (USA), 13.05.2004
"Amerikaner glauben gern, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Für den Irak mag das nicht länger stimmen, befürchtet der früheren US-Diplomat Peter W. Galbraith, der als Mitglied der Senate Foreign Relations Committee Saddam Husseins Giftgasangriffe gegen die Kurden enthüllt hatte. Nun untersucht er in der gebotenen Länge die Misserfolge der amerikanischen Besatzungspolitik. Noch düsterer ist sein Ausblick auf die künftige Entwicklung: "2005 wird der Irak den großen Krach erleben zwischen einer gewählten, von Schiiten dominierten Zentralregierung, die versucht, die Interimsverfassung umzustoßen, um ihren Willen dem ganzen Land aufzudrücken, und einer kurdischen Regierung, die darauf beharren wird, ihren de facto unabhängigen Status beizubehalten, den Kurdistan seit dreizehn Jahren genießt. Den politischen Streit wird ein erbittterter territorialer Streit um die ölreiche Provinz Kirkuk verschärfen, an dem sich Kurden, Sunniten, Schiiten, sunnitische Turkmenen und schiitische Turkmenen beteiligen werden. Das ist eine Formel für Bürgerkrieg." Um einigermaßen heil aus dem Irak herauszukommen und eine komplette Auflösung des Landes zu verhindern, fordert er eine Drei-Staaten-Lösung nach dem Vorbild des post-titoistischen Jugoslawiens.
Weitere Artikel: "Ratten machen uns Angst. Nein, sie versetzen uns in Angst und Schrecken. Sie sind unverschämt. Sie leben in unseren Häusern, essen sich durch unsere Wände und beißen unsere Kinder... Andere Tiere sind wesentlich gefährlicher, aber sie kommen uns nicht so nah". Sue M. Halpern hat sich schön mit Robert Sullivans Geschichte der possierlichen Tierchen "Rats" gegruselt. Luc Sante lästert über die jung gebliebenen Leser des jung gebliebenen, aber verantwortungsbewusst gewordenen Nick Hornby: "Wie Hornby können auch sie über ihr jüngeres Selbst lachen, sie hören dämlichen Heavy Metal und sind erleichtert, dass sie sich selbst keinen Herausforderungen mehr stellen müssen. Der Schock des Neuen ist etwas, was sie im Alter zwischen sechzehn und vierundzwanzig gesucht haben."
Brian Urquhart warnt davor, Richard Clarkes "äußerst lesenswertes, oft aufregendes" Buch über die Terrorbekämpfung der Regierung Bush "Against all Enemies" als Neocon-Bashing misszuverstehen: "Es ist ein wichtiges Buch" (Dazu empfiehlt Urquhart auch die website der 9-11-commission). Und Freeman J. Dyson schließlich wünscht sich, so viel zu wissen wie Brian Greene, der mit "The Fabric of the Cosmos" ein grandioses, bestens verständliches Buch über theoretische Physik vorgelegt hat.
Weitere Artikel: "Ratten machen uns Angst. Nein, sie versetzen uns in Angst und Schrecken. Sie sind unverschämt. Sie leben in unseren Häusern, essen sich durch unsere Wände und beißen unsere Kinder... Andere Tiere sind wesentlich gefährlicher, aber sie kommen uns nicht so nah". Sue M. Halpern hat sich schön mit Robert Sullivans Geschichte der possierlichen Tierchen "Rats" gegruselt. Luc Sante lästert über die jung gebliebenen Leser des jung gebliebenen, aber verantwortungsbewusst gewordenen Nick Hornby: "Wie Hornby können auch sie über ihr jüngeres Selbst lachen, sie hören dämlichen Heavy Metal und sind erleichtert, dass sie sich selbst keinen Herausforderungen mehr stellen müssen. Der Schock des Neuen ist etwas, was sie im Alter zwischen sechzehn und vierundzwanzig gesucht haben."
Brian Urquhart warnt davor, Richard Clarkes "äußerst lesenswertes, oft aufregendes" Buch über die Terrorbekämpfung der Regierung Bush "Against all Enemies" als Neocon-Bashing misszuverstehen: "Es ist ein wichtiges Buch" (Dazu empfiehlt Urquhart auch die website der 9-11-commission). Und Freeman J. Dyson schließlich wünscht sich, so viel zu wissen wie Brian Greene, der mit "The Fabric of the Cosmos" ein grandioses, bestens verständliches Buch über theoretische Physik vorgelegt hat.
New Yorker (USA), 03.05.2004

Jon Lee Anderson ist im Irak mit TNT fischen gegangen und hat dabei einiges über den gemeinsamen "Aufstand" von Shiiten und Sunniten erfahren, die ihre Differenzen vorläufig begraben haben. Mehr in seinem langen, langen Brief aus Bagdad.
Weiteres: Rebecca Mead erklärt anlässlich der Wiederaufführung des Dokumentarfilms "Town Bloody Hall" von 1971 - der eine Debatte über Sexualpolitik zwischen Norman Mailer, Germaine Greer, Diana Trilling, Jill Johnston und Jacqueline Ceballos resümiert -, weshalb sie mit einer Wiederbelebung der Frauenbewegung rechnet. In einer Glosse amüsiert Christopher Buckley mit einer fiktiven Unterhaltung zwischen George W. Bush und Bob Woodward. Garry Bass kommentiert den Umgang der New York Times mit dem Begriff "Völkermord" (genocide). Und die Erzählung "Old Boys, Old Girls" schrieb in dieser Woche Edward P. Jones.
Peter Schjeldahl weist auf zwei Ausstellungen in New York und Los Angeles hin: "Singular Forms (Sometimes Repeated): Art from 1951 to the Present" im Guggenheim Museum und "A Minimal Future? Art as Object 1958-1968" im Museum of Contemporary Art. Besprochen werden außerdem die Theaterstücke "Assassins" von Stephen Sondheim und Jumpers" von Tom Stoppard. Und Anthony Lane sah im Kino "Laws of Attraction" von Peter Howitt und "Monty Python's Life of Brian". Die Kurzbesprechungen widmen sich diesmal neuer Lyrik.
Nur in der Printausgabe: Jane Kramer porträtiert die Malerin Dorothea Tanning (mehr hier), die mit Max Ernst verheiratet war, es gibt ein Porträt des Anwalts und Buchautors Raoul Felder und Lyrik von Rowan Ricardo Phillips und Phillis Levin.
Point (Frankreich), 22.04.2004

Ferner im aktuellen Heft eine Hommage von Michel Tournier auf Immanuel Kant. Nur im zahlbaren Inhalt findet sich ein Interview mit Samuel Huntington über den Irak-Krieg.
Outlook India (Indien), 03.05.2004

Dreimal Literatur: Samit Basu erzählt in einem sehr kundigen Text die Geschichte der graphic novel und beleuchtet ihre Ankunft auf dem indischen Buchmarkt. Siddharta Deb bespricht mit Wärme und Begeisterung Tabish Khairs "The Bus Stopped", "ein Roman, der tief in die Natur und die Umstände menschlicher Mobilität in unserer modernen, gnadenlosen Welt hineinblickt". Und Urvashi Butalia hat ein Buch gelesen, dass genau zur richtigen Zeit kommt: "Purdah. An Anthology", ein Band über das religiös verordnete Kopftuch, der Texte aus zwei Jahrhunderten versammelt.
Außerdem sind natürlich die Parlamentswahlen in vollem Gange. Alles scheint prima zu laufen für die regierende BJP und ihren poster boy, den amtierenden PM Atal Behari Vajpayee. Doch der schien zuletzt in gedrückter Stimmung zu sein und gab seltsame Statements ab, weshalb sich alle fragen: Was ist los mit ihm? Ein Grund, vermutet Bhavdeep Kang, ist sicher der Zwischenfall vor ein paar Tagen, als bei einer BJP-Veranstaltung, auf der Saris an Bedürftige verteilt wurden, 22 Frauen zu Tode getrampelt wurden. "Doch hinter dem Missmut", mutmaßt Kang weiter, "könnte auch Methode stecken". Ob der stark auf sein Image bedachte - und womöglich regierungsmüde - Vajpayee schon mal vorsichtshalber zu seiner Partei auf Distanz geht, für den Fall, dass der Sieg nicht so triumphal ausfällt wie erhofft? Zu seiner Kontrahentin: Pushpranjan hat Sonia Gandhis italienischen Heimatort besucht und brauchte eine Weile, um jemanden zu finden, der sie kannte. Und Anita Pratap fragt sich in einem gewohnt scharfzüngigen Text, wen Indiens Muslime wohl wählen werden, kritisiert en route die "prinzipienlose, opportunistische" Minderheitenpolitik der großen Parteien und schließt: Bestimmt nicht BJP.
Literaturen (Deutschland), 01.05.2004

Von ganz eigenem Format ist die von Sigrid Löffler vorgestellte und sehr bewegte Korrespondenz zwischen Scott und Zelda Fitzgerald, die beleuchten, was nach mehr als zehn Jahren Ehe aus den "Zeremonienmeistern" der Roaring Twenties geworden ist: ein ruiniertes, gebrochenes, sich liebend-hassendes Paar. Klarsichtige, aber harte Worte fallen, zumal sie teilweise aus nicht abgeschickten Briefen stammen. Hier eine Kostproben aus der Krisenzeit: Scott: "1921 waren wir das am meisten beneidete Paar in Amerika". Darauf Zelda: "Das stimmt. Wir waren schrecklich gute Schauspieler."
Weitere Artikel: Im Kriminal berichtet Franz Schuh von Petros Markaris' "Live!", einem griechischen Krimi, der ein bekanntes Muster mit pikanten Neuerungen versieht. David Flusfeder tummelt sich auf Londoner Buchpremierenfeiern und weist uns in den Sprachcode ein, der schon von der Einladung auf die Qualität des Premieren-Events schließen lässt. Und schließlich die Frage: Was liest Norbert Bolz, seines Zeichens Professor für Medienwissenschaft am Institut für Sprache und Kommunikation der Technischen Universität Berlin? Die Antwort: Vieles und vor allem gleichzeitig.
Espresso (Italien), 29.04.2004

Im lesenswerten Titel stellt Enrico Pedemonte den UNO-Sondergesandten für den Irak, den Algerier Lakhdar Brahimi vor. Der erntet nicht nur Pedemontes Wohlwollen für seine angriffslustiges Auftreten gegenüber den USA. "'Jeden Tag lässt Brahimi neue Anschuldigungen gegen die Amerikaner los, wegen ihrer Fehler in Bagdad. Das Paradoxe daran ist, dass sie ihm dafür auch noch dankbar sind', sagt ein arabischer Diplomat."
Weitere Artikel: Der italienische Norden, wirtschaftlicher Motor des Landes, stottert, warnt Gigi Riva. Die Krise sei substanziell, der Staat müsse ran und zukunftsorientierte Initiativen starten. Und Michele Serra fällt auf, dass Bush der legendäre und langersehnte Große Quqbar ist, der den zersplitterten Islam zu neuer Einheit führt.
Reportajes (Chile), 25.04.2004

Weniger Freude am "typisch lateinamerikanischen" Paternalismo hat dagegen Isabel Allende: "Die chilenische Literaturszene ist ungeheuer machistisch und verschlossen", klagt die die meiste Zeit in den USA lebende Autorin im Interview mit Marcelo Soto. In einem weiteren Artikel wird gegen den argentinischen Präsidenten Nestor Kirchner der Vorwurf erhoben, sich mit seinen Drohungen, die Gaslieferungen an Chile zu unterbrechen, in eine größere Gefahr für die Region verwandelt zu haben als die "paternalistisch-machistischen" Präsidenten Venezuelas und Boliviens Chavez und Mesa.
Haaretz (Israel), 23.04.2004
Mitten in der Negev-Wüste, 25 Minuten entfernt von der Ben-Gurion-University entsteht eine alternative Studentensiedlung, über die Vered Levy-Barzila in der Titelgeschichte berichtet. "Bitte, beschreibt uns nicht als asketische Idealisten", sagen die Gründer, acht israelische Mittzwanziger aus Jerusalem. Sie sehen sich als Pioniere und Jungunternehmer, die der Oberflächlichkeit des heutigen Lebens in Israel entfliehen wollen. Levy-Barzila zitiert einen der Gründer, Micha Freind: "Es gibt eine Erziehungslücke in der Generation unserer Eltern. Es ist nicht so, dass sie etwas falsch gemacht haben. Sie haben es so gut gemacht wie sie konnten. Sie haben sich halb tot geschuftet und uns dann gesagt: 'Ihr Kinder werdet die großen Ideologien vergessen. Wir haben für euch die Infrastruktur gebaut, diese Phase ist vorbei, und jetzt geht los und macht euer eigenes Ding.' Das ist eine Fiktion. Was ist vorbei? Nichts ist vorbei. Sie lagen falsch. Wenn sich also nur noch um die eigene Person dreht, gibt es kein Glück. Viele junge Leute wurden in diese Fiktion hineingezogen und leben jetzt in einer Blase."
Sicher nicht einziehen wird dort der israelische "Mr Saturday Night" Yoav Tzafir, den Neri Livneh als Produzenten seichter, aber erfolgreicher Reality-Shows vorstellt. In drei weiteren Porträts geht es zunächst um den 91-jährigen Ex-General Yitzchak Pundak, der noch immer von der Niederlage bei Nitzanim im Unabhängigkeitskrieg 1948 verfolgt wird, sowie den Basketball-Shootingstar David Bluthental und schließlich die Künstlerin Nelly Agassi, die derzeit mit einer Performance, in der "nichts passiert", das Tel Aviv Museum of Art füllt.
Außerdem: Uri Klein lobt überschwänglich den in der Cinematheque Tel Aviv anlaufenden Kinofilm "Arna's Children" und empfiehlt den Lesern: "Schaut Euch diesen Film an, er ist wichtig!" Das wöchentliche Familienporträt bietet interessante Einblicke in den Alltag der drusischen Kleinstadt Daliat al-Carmel.
Sicher nicht einziehen wird dort der israelische "Mr Saturday Night" Yoav Tzafir, den Neri Livneh als Produzenten seichter, aber erfolgreicher Reality-Shows vorstellt. In drei weiteren Porträts geht es zunächst um den 91-jährigen Ex-General Yitzchak Pundak, der noch immer von der Niederlage bei Nitzanim im Unabhängigkeitskrieg 1948 verfolgt wird, sowie den Basketball-Shootingstar David Bluthental und schließlich die Künstlerin Nelly Agassi, die derzeit mit einer Performance, in der "nichts passiert", das Tel Aviv Museum of Art füllt.
Außerdem: Uri Klein lobt überschwänglich den in der Cinematheque Tel Aviv anlaufenden Kinofilm "Arna's Children" und empfiehlt den Lesern: "Schaut Euch diesen Film an, er ist wichtig!" Das wöchentliche Familienporträt bietet interessante Einblicke in den Alltag der drusischen Kleinstadt Daliat al-Carmel.
Nouvel Observateur (Frankreich), 22.04.2004

Weiteres: Eine Reportage führt in die "Hölle der Abgelehnten", sprich in die Verlage, wo jährlich Tausende von Manuskripten eintrudeln, die Lektoren zur Verzweiflung treiben. So meint etwa Philippe Sollers von Gallimard: "Ich bin doch kein Sanitäter! Trotzdem meint jeder, er habe das Recht, über sein Leben zu faseln und mir ein Manuskript schicken, das undruckbar ist." Ergänzend dazu sind kurze Berichte von Autoren zu lesen, die das Glück hatten, dass ihre Manuskripte angenommen und tatsächlich veröffentlicht wurden. Darunter auch Philippe Dijan, der zugibt, es über Beziehungen versucht und geschafft zu haben.
Schließlich gibt es den Hinweis auf eine für "großartig" befundene Ausstellung im Pariser Musee d'Art et d?Histoire du Judaisme über die aus der Schweiz stammende Schauspielerin Rachel alias Elisa Felix. Als 17-Jährige gab die Tochter armer jüdischer Hausierer 1838 in Frankreich ihr Debüt und wurde ein Weltstar, der auch in den USA auf der Bühne stand.
Economist (UK), 23.04.2004

In weiteren Artikeln kann man nachlesen, dass es richtig ist, in den EU-Staaten Volksabstimmungen über die europäische Verfassung durchzuführen, gerade weil so viel auf dem Spiel steht, ob die Zukunft der Marktwirtschaft in der Erfindung oder in der Innovation liegt, ob Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger entgegen seinem Wahlversprechen nicht doch die Steuern erhöhen muss, dass die Gandhi-Dynastie ernstzunehmenden politischen Nachwuchs bekommen hat (Rahul und Priyanka Gandhi), warum Silvio Berlusconi vielleicht doch nicht so innbrünstig für die Genesung des Lega-Nord-Führers Umberto Bossi betet, und warum es laut Einschätzung des Copenhagen Consensus Projekts wirtschaftlich sinnvoll ist, in von Bürgerkriegen heimgesuchten Ländern militärisch einzugreifen.
Times Literary Supplement (UK), 23.04.2004

Weiteres: In einem Artikel, der wahrscheinlich neue Meilensteine in der Shakespeare-Forschung setzt, untersucht Lynn Forest-Hill die Magie des Prospero im "Sturm". Mäßig besprochen werden Ian Robertsons Biografie des Reiseschriftstellers Richard Ford, dem die Briten das erste positive Spanien-Porträt verdanken, und Ian Sinclairs neuer Roman "Dining on Stones" Ian Sinclair.
Spiegel (Deutschland), 26.04.2004

Außerdem: Der Spiegel bringt einen Vorabdruck aus Bob Woodwards Darstellung der Vorgeschichte des Irakkrieges ("Plan of Attack", deutsch ab Juli unter dem Titel "Der Angriff. Plan of Attack"). Nur in der Print-Ausgabe gibt es ein Interview mit dem neuen Documenta-Chef Roger M. Buergel.
Im Titel werden diesmal ausführlich Risiken und Chancen, vor allem aber Probleme und Kosten der EU-Erweiterung vom 1. Mai.
New York Times (USA), 25.04.2004

Weitere Besprechungen: Im Aufmacher feiert David Brooks Ron Chernows Biografie (erstes Kapitel) über den vernachlässigten Founding Father Alexander Hamilton als neues Standardwerk. Den Erfolg von Lynne Truss' Polemik für die Einhaltung der Grammatikregeln "Eats, Shoots and Leaves" in England kann Edmund Morris schließlich nur schwer nachvollziehen.
Im New York Times Magazine erinnert sich Dan Barry in einem kurzweiligen Text an seinen ufogläubigen Vater, die nächtelangen Diskussionen, die er in seinem Bett mitverfolgte, und all die Beweise für extraterrestrisches Leben. "Diese Fotografie mit Ektoplasma, das aus dem Mund einer Frau tropfte wie aufgewärmtes Charleston Chew. Diese Geschichte über den Farmer, der vor den Augen seiner Frau verschwand, während sie über ein Feld gingen." Näheres im ersten Kapitel seines Buches "Pull Me Up".
Des weiteren unterhält sich Deborah Solomon mit Jehane Noujaim, die gerade einen Dokumentarfilm über den arabischen Nachrichtensender Al Jazeera abgedreht hat. "Al Jazeera könnte die einzige Basis des Arabischen Nationalismus sein, die noch übrig ist." David Rieff warnt davor, den angezählten Arafat zu unterschätzen, und Matti Bai fragt sich, ob ein altmodischer Tür-zu-Tür-Wahlkampf Bush noch retten kann.