Magazinrundschau - Archiv

The Times Literary Supplement

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Magazinrundschau vom 22.12.2020 - Times Literary Supplement

Der britische Schriftsteller Caryl Phillips, der mit seiner Familie als kleines Kind von St. Kitts nach Britannien kam, blickt auf seine Kindheit in Leeds und all die Demütigungen zurück, die Migranten aus dem Commonwealth erdulden mussten, nicht zuletzt auch mit dem Windrush-Skandal: "Meine Mutter und mein Vater kamen an in einem Britannien, das sie für ihre Heimat hielten, ihr Mutterland, den Mittelpunkt der Welt, deswegen blickt sie anders auf ihre Zukunft als Migranten, die aus ökonomischen oder politischen Gründen in ein fremdes Land ziehen. Anders gesagt: Ihre Reise nach Britannien war beladen mit der schweren Fracht der Erwartung. Doch dann kam das Aufeinandertreffen. Migranten aus den Kolonien mussten für ihre Teilhabe ein ungeheures Maß an Demütigungen schlucken, sonst hätten sie nur vor der Einsicht kapitulieren können, dass das gesamte koloniale Gebilde auf Täuschung beruhte. Wie wir wissen, blieb die große Mehrheit der Nachkriegsmigranten; sie leckte ihre Wunden und kämpfte darum, sich und ihren Kinder einen Platz in Britannien zu verschaffen, das sie zu verändern hofften. Und während es vielen gelang, das Land zu verändern, wurden andere niedergeschlagen, einige verloren ihre Kinder oder ihren Verstand, und etliche ihr Leben. Ich war tatsächlich immer zutiefst irritiert von den Werken migrantischer Schriftsteller (wie Samuel Selvon), die angesichts einer überwältigender Ablehnung weiterhin an ihrer Loyalität gegenüber dem Land und seinen Städten festhielten… Sie saßen in der Falle. Ihre Identitäten waren lange geformt, bevor sie in Hull oder Suthampton an Land gingen. Wenn sie erst einmal gelandet waren, konnten sie allen schmerzhaften Erfahrungen zum Trotz gar nicht anders, als an dem festzuhalten, was sie waren: Sie waren stolze britische Untertanen, die verzweifelt versuchten, britische Bürger zu werden."

Magazinrundschau vom 08.12.2020 - Times Literary Supplement

Schon 1970 schlug der Kompinist Mauricio Kagel vor, Beethovens damals zweihundertjährigen Geburtstag durch ein Moratorium zu würdigen. Nach einem Jahr der Stille würde Beethovens Musik wieder wie neu erklingen. Fünfzig Jahre später hat die Pandemie beinahe Ernst mit Kagels Vorschlag gemacht, doch Paul Griffiths muss zugeben, dass er sich das anders vorgestellt hat. Er liest also eine Reihe von Neuerscheinungen, die zu Beethovens zweihundertfünfzigsten Geburtstag auf dem Markt kommen und kann besonders Jan Caeyers' flotte Biografie "Beethoven: A Life" und Laura Tunbridges orginelles Porträt "Beethoven: A Life in nine pieces" empfehlen, auch wenn Caeyers ein bisschen altmodisch daherkomme: "Caeyers hält die 'Eroica' für einen 'heroischen Akt der Komposition an und für sich', ihr Heroismus sei ein wahrer, kein metaphorischer. Tunbridge dagegen zeichnet nach, wie Beethoven  - durch die bürgerliche Sehnsucht nach dem Autobiografischen in der Kunst - 'zu seinem eigenen Heroen wurde', wie 'seine kämpferische Haltung dem Unglück gegenüber' dazu führte, dass die Sinfonie 'als Jahrhundert überdauerndes Porträt des Künstlers' gedeutet wurde. Diese Tradition der Interpretation hat sich überholt. Eigentlich hatte schon 1970 John Cage bemerkt: 'Wir zelebrieren Beethoven heute weniger andächtig als vor zwanzig oder fünfzig Jahren.' Ein halbes Jahrhundert später hat es eine enorme Zunahme an historisch informierten Aufführungen gegeben, die zwar selten in den neuen Biografien erwähnt werden, aber doch verändert haben, wie sich Beethoven heute darstellt, nämlich ohne all das Gravitätische. Beethoven ist heute leichter, flinker, klarer, variantenreicher - und lustiger."

Magazinrundschau vom 10.11.2020 - Times Literary Supplement

Als Biograf hat sich Tom Bower einen Namen gemacht, indem er die Reputation von Berühmtheiten wie Richard Branson oder Prinz Charles ramponierte. Dass er nun Boris Johnson über den grünen Klee lobt macht Rory Stewart fassungslos. Stewart war Staatssekretär unter Johnson als Außenminister, und er hält ihn für durch und durch unmoralisch: "Vielleicht ist es Neid. Johnson ist der gewiefteste Lügner des politischen Lebens - vielleicht der beste Lügner, der jemals Premierminister war. Einiges davon ist natürliches Talent, aber lebenslanges Lernen und lebenslange Praxis haben ihm immer neue Möglichkeiten erschlossen haben, die weit über die Klassifikationen der Unehrlichkeit hinausgehen, die klassische Denker wie Augustinus erstellt haben. Johnson beherrscht die Unterlassung, Übertreibung, Untertreibung, Ausflucht, absichtliches Irren und blankes Abstreiten meisterlich. Er hat die Spitzfindigkeit perfektioniert, das Drumherumreden, die falsche Entsprechung und falsche Analogie. Er ist auch sehr gewandt im ironischen Scherz, im Schwindeln und der großen Lüge; in der Ausrede und in der Halbwahrheit; in der übertriebenen Lüge, der offensichtlichen Lüge und der Bullshit-Lüge, die aus Versehen wahr sein könnte. Und weil er für seine Fähigkeiten schon so lange bekannt ist, kann er seinen Ruf dazu nutzen, ganz neue Stufen des spielerischen Paradox zu erklimmen. Zu mir sagte er: 'Rory, glaubt nicht ein Wort von dem, was ich sage. Aber ich würde Dich gern in meinem Kabinett sehen.' Und ich lachte voller Bewunderung."
Stichwörter: Johnson, Boris

Magazinrundschau vom 06.10.2020 - Times Literary Supplement

Heureka, nun gibt es für Gender Studies, Critical Race Theory, Queer Studies, Postkoloniale Studien, die sehr ähnliche Herangehensweisen haben, einen Oberbegriff, nämlich, "etwas, das als Critical Theory und seit neuestem als Social Justice Theory bezeichnet wird (und beide brauchen die Würde der Großbuchstaben)", freut sich Simon Jenkins in der Besprechung eines Bestsellers, der diese Theorien allerdings gleich wieder umbenennt: "Cynical Theories - How universities made everything about race, gender, and identity - And why this harms everybody." Die Autoren Helen Pluckrose und James A. Lindsay untersuchen darin, wie diese auf postmodernen Leitsätzen beruhenden und eng mit sozialem Aktivismus verwobenen Disziplinen die Geisteswissenschaften an den Universitäten erobert haben - und dabei programmatisch liberale oder linke Vorstellungen vom Individuum oder vom Universalismus untergraben. "Es gibt sehr vernünftige Gründe, sich Sorgen um Diskriminierung von Minderheiten zu machen", konzediert Jenkins, "und wir müssen den Zorn und die Verzweiflung verstehen, die so ausgelöst werden... Was mich vom Anliegen des Buchs überzeugt, ist, dass Critical Theory die Unterdrückung liberaler Werte und akademischer Diskurse fordert. Es liegt auf der Hand, dass einige in dieser Bewegung die gesamte Idee von Wissenschaft zugunsten eines Wissens zurückweisen, 'das sich aus Identität, Tradition, Folklore, Interpretation und Gefühl' speist."

In seinem Daily Dish hat Andrew Sullivan das Buch besprochen. Ein Gespräch mit Helen Pluckrose gibt's im Deutschlandfunk.

Magazinrundschau vom 04.08.2020 - Times Literary Supplement

Wie bilden wir uns eine Meinung? Wie benutzen wir Fakten? Der Linguistikprofessor N.J. Enfield hat dazu einige sehr instruktive Bücher gelesen, zum Beispiel "Not Born Yesterday" des Kognitionswissenschaftlers Hugo Mercier, der glaubt, dass wir nicht halb so beeinflussbar sind, wie immer getan wird: "Voltaire sagte: 'Wer andere dazu bringen kann, an Absurditäten zu glauben, wird sie auch dazu bringen, Gräueltaten zu begehen.' Aber nein, meint Mercier, es ist genau anders herum: 'Es ist der Wunsch, Gräueltaten zu begehen, der einen dazu bringt, Absurditäten zu glauben.' Diese Umkehrung mag beunruhigend sein, aber sie hat den Vorzug, dass sie die Menschen für ihre Entscheidungen verantwortlich macht. Merciers Argument gegen die Leichtgläubigkeit gründet sich auf eine evolutionäre Entwicklung der menschlichen Kognition und Kommunikation, in der der Verstand nicht verwanzt, sondern gut abgestimmt und für soziale Interaktion angepasst ist. Wenn Empfänger von Nachrichten geneigt wären, alles zu glauben, was sie hören, so sagt er, hätte sich die menschliche Kommunikation, wie wir sie kennen, nicht entwickeln können. Diejenigen, die so verdrahtet sind, dass sie unbestätigte und unwahrscheinliche Behauptungen akzeptieren, wären zu leicht von anderen ausgenutzt worden, die zufällig anders verdrahtet waren. Leichtgläubige Menschen wären entweder klüger geworden, oder sie wären schnell aus dem Genpool ausgeschieden." Der Soziologe Linsey McGoey korrigiert wiederum in "The Unknowers" den amerikanischen Gründungsvater James Madison, "der einst sagte, 'Wissen wird immer die Ignoranz regieren'. Das ist die Logik hinter der Herrschaft der Philosophen, Platons Ideal einer Regierung. Wenn wir herausfinden können, wer am meisten weiß, können wir ihm allein die Entscheidungsbefugnis übertragen. Das klingt in der Theorie gut, aber McGoey weist auf eine weitere Umkehrung hin: In der Praxis wird denen, die es wissen, nicht die Entscheidungsgewalt übertragen. Stattdessen werden diejenigen, die die Entscheidungsgewalt haben, zu denen, die 'wissen'."

Außerdem: Lesley Downer liest höchst angeregt Amy Stanleys Geschichte einer Japanerin aus dem 19. Jahrhundert, "Stranger in the Shogun's City".
Stichwörter: Voltaire

Magazinrundschau vom 24.03.2020 - Times Literary Supplement

Der seit Jahrzehnten in Italien lebende Schriftsteller Tim Parks lässt die vergangenen Wochen der Corono-Krise in Italien Revue passieren und erinnert auch an die Tage, als Mailand noch vor Wut über die Maßnahmen der Regierung schäumte. Dabei gab es erst 143 Fälle in Italien, als Rom den Norden dichtmachte. Kein Aperitivo mehr in Mailand? In der Welthauptstadt des Aperitivs? "Was wird uns die Zukunft bringen? Nun ja, man lernt, sich zu benehmen, wenn es zu spät ist. Sogar die Italiener können aufhören, sich die Hände zu schütteln, zu umarmen und zu küssen. Sie können sich ordentlich anstellen und ihre Hände obsessiv waschen. Überraschender noch: Italienische Politiker haben bewiesen, dass sie aufhören können zu diskutieren und stattdessen handeln. Sie waren bemerkenswert entschieden, vielleicht bereitete es ihnen sogar Befriedigung, sich einem Drama zu stellen, das sie zusammenbringt und das ihnen erlaubt, die ökonomischen Mahner in Brüssel zur Hölle zu schicken. Sie werden ausgeben, was es braucht, um das Land da durchzubringen. Ein neues Bewusstsein für Verantwortung liegt in der Luft. Vielleicht auch der Hauch von einem wiederbelebten Nationalgefühl."

Magazinrundschau vom 21.01.2020 - Times Literary Supplement

Ein seltsam magischer Zufall, dass sich die Wege der größten englischsprachigen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts - Virginia Woolf, Hilda Doolitle, Dorothy L. Sayers, Jane Ellen Harrison und Eileen Power - am Mecklenburgh Square in London kreuzten. Ann Kennedy Smith blickt unter anderem mit Francesca Wades Buch "Square Hunting" auf die Biografien weiblicher Intellektueller, deren Leben und Schreiben vom Ersten Weltkrieg und der Suche nach künstlerischer Freiheit geprägt war: "Im Jahr 1911 tauschte Hilda Doolittle ihr Leben in Philadelphia für die Londoner Bohème ein und wurde 1913 - nachdem Ezra Pound sie als 'H.D. Imagiste' unter Vertrag nahm und im Poetry Magazine veröffentlichte - zur Dichterin der Moderne mit dem Kürzel H.D. Der Kriegsausbruch änderte alles: Noch bei der Geburt starb ihr Kind und das Verhältnis zu ihrem Ehemann, dem englischen Dichter Richard Aldington, verschlechterte sich. Sie bezog im Februar 1916 ein modriges Apartment am Mecklenburgh Square 44, wo ihre Kreativität 'vom Beigeschmack des Todes im Keim erstickt' wurde. Die Situation verschlimmerte sich, als ihr Ehemann von der Front zurückkehrte und eine Affäre mit der sinnlichen Dorothy 'Arabella' Yorke begann, die eine Wohnung über H.D. mietete. 'Ihr würde ich Verstand geben, dir einen Körper', sagt in Doolittles autobiografischem Roman 'Bid Me To Live' die Figur Rafe (ein kaum getarnter Aldington) zu seiner Frau Julia. D.H. Lawrence, ein gemeinsamer Freund von Aldington und dessen Liebhaberin Yorke, beschrieb die Schriftstellerin als 'eine, die auf dem Drahtseil tanzt. Man fragt sich, ob sie's rüber schafft', und bezog sich auf ihre prekäre Gefühlslage. Doolittle konnte ihre Selbstzweifel besiegen, indem sie Lawrence' Ratschläge ('sein Mann-ist-Mann und Frau-ist-Frau…sein eitles Gerede') entschieden zurückwies. Geschickt enträtselt Wade das Mysterium der Schreibblockade, die H.D. ganze vier Jahrzehnte lang lähmte."

Magazinrundschau vom 01.10.2019 - Times Literary Supplement

Benjamin Mosers Susan-Sontag-Biografie wartet mit vielen salzigen Geschichten auf, und Elaine Showalter spickt ihre Besprechung mit tollen Anekdoten und Zitaten. Jamaica Kincaid etwa sagte über ihre Freundin: "Ja, sie war grausam, aber sie war auch sehr freundlich. Sie war großartig. Ich glaube, seit ich Susan kenne, möchte ich nicht mehr großartig sein." Über achthundert Seiten erlebt Showalter Susan Sontag als olympische Intellektuelle, als Speed-schluckende Narzisstin, als Frau, die ihr Leben lang ein Problem mit ihrer Homosexualität und ihrem Körper hatte, als Liebhaberin, die ihre Partnerinnen gnadenlos ausnutzte, und als Moralistin, die immer wieder versagte: "Ihre Zeit in Sarajewo war der Höhepunkt ihres Lebens als engagierte Künstlerin, die Verkörperung der öffentlichen Intellektuellen. Zurück in den USA jedoch wurden ihre Großartigkeit und Eitelkeit unerträglich, fast wie eine Comic-Figur in dem, was Terry Castle ihr 'Marken-Intellektuellen-Diva-Outfit' nannte, wenn sie sich selbst mit Jeanne D'Arc verglich, sich laute Szenen mit Kellner lieferte oder die Mitglieder ihres Entourage demütigte. Karla Eoff beteuerte, dass sich 'unter diesem ganzen moströsen Auftreten in Wahrheit eine verängstigte, liebenswerte Person verberge', aber sonst empfand niemand so viel Nachsicht und Toleranz. Sontags 'kultureller Enthusiasmus, ihr Bedürfnis, ihn zu teilen, war echt', kommentiert Moser, aber sie war nicht immer fähig, das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler von dem zwischen Herr und Knecht zu unterscheiden'. Selbst (ihr Sohn) David betrachtete ihr Eindringen in seinen journalistischen Bereich als einen Verrat. Als sie 2000 für ihr Buch 'Das Leid anderer betrachten' schon wieder über Bosnien schrieb, beklagte er bitterlich: 'Kannst Du mir nicht wenigstens diesen kleinen Teil der Welt lassen?' Ihrer jungen italienischen Übersetzerin schrieb sie: 'Es bricht mir das Herz. Aber ich kann es nicht ändern.'"

Magazinrundschau vom 24.09.2019 - Times Literary Supplement

Kim Kardashian und Kylie Jenner mögen unschlagbar darin sein, aus einem Skandal Kapital zu schlagen, aber Prominenz ist keine Erfindung des Trash-TVs und schon gar nicht der Moderne, lernt Irina Dumitrescu aus einer Reihe von Büchern über die Celebrity-Kultur: Schon Mark Anton und Jeanne d'Arc zogen ihren Ruhm auch aus dem erotischen Skandal, etliche Heilige und Propheten beglückten ihre Anhänger dadurch, dass sie sich nicht an die Regeln des Anstands hielten. Sharon Marcus' Buch "The Drama of Celebrity" präsentiert allerdings als Mutter aller charismatischen Provokateurinnen die geniale Sarah Bernhardt, wie Dumitrescu sehr angeregt erzählt: "Bernhardts Methode klingt eigentlich vertraut: Sie gab wenig auf die Regeln, die die Gesellschaft Frauen auferlegte, ganz zu schweigen von den gesenkten Erwartungen an eine Schauspielerin. In ihrem Liebesleben mag uns das nicht überraschen, und tatsächlich hatte Bernhardt ein uneheliches Kind, war kurz mit einem viel jüngeren Mann verheiratet und hatte eine lange vermutlich intime Beziehung zu einer anderen Frau, der Malerin Louise Abbéma. Aber Bernhardt empörte auch auf andere Weise: Sie brach ihren Vertrag mit dem Théâtre-Français, managte ihre eigenen Produktionen, flog in einem Heißluftballon herum und schrieb ein Buch über ihre Reise durch die Wolken. Selbst ihr schlanker Körper war ein Affront in einer Zeit, als der öffentliche Geschmack runde, füllige Frauen bevorzugte. Marcus erklärt den Reiz des prominenten Skandals als Form der Wunscherfüllung. Während die meisten Menschen, die Regeln brechen, dafür stigmatisiert werden, verlieren aufsässige Celebrities nicht ihr Gesicht. Sie halten das Versprechen auf gesellschaftlichen Belohnungen - Geld, Ruhm, Verehrung - aufrecht, während sie zugleich die Regeln ignorieren. Fügsame, ängstliche Sterbliche müssen nicht die Strafen für Nonkonformismus erleiden, um seine Freuden genießen zu können: Sie sehen sich an, wie es ein Star für sie übernimmt."

Magazinrundschau vom 17.09.2019 - Times Literary Supplement

Noch besteht kein Grund zur Panik, meint Gabrielle Walker, rät aber dringend die neuen Bücher von Bill McKibben und Nathaniel Rich zur Klimakrise zu lesen: McKibben, der Gründer von 350.org, beschreibt in "Falter" ("Die taumelnde Welt") nicht nur den Klimawandel, sondern auch Genmanipulation und Künstliche Intelligenz als große Gefahren für die Menschheit: "McKibben tappt nicht in die Falle, uns mit einer Vielzahl erschreckender Fakten zu bombaridieren und uns dann damit benommen allein zu lassen. Er hat einen charmanten Stil - einnehmend, witzig, intelligent, klar. Er ist ein wunderbarer Reisegefährte, so reizend, dass er die schrecklichen Erkenntnisse einsticht wie mit einem Taschenmesser, rein und raus noch bevor man es merkt. Er schafft das mit Informationen, die etwas schräg, aber recht eindrücklich sind: McKibben sagt uns zum Beispiel, dass die Hitze, die wir bis zu diesem kritischen Punkt in die Atmosphäre gepumpt haben, vier Hiroshima-Bomben jede Sekunde entspricht. Und dass der Hurrikan Harvey so viel Regen nach Houston gespült hat, dass die gesamte Stadt um einige Zentimeter sank." Nathaniel Richs Buch "Losing the Earth" basiert auf einem Report für die NYTimes und rekonstruiert bisherige Versäumnisse: "Auch wenn Rich die achtziger Jahre als die Dekade identifiziert, in der wir den Klimawandel hätten stoppen können, gab es auch in den neunziger Jahren viele verpasste Möglichkeiten, von denen er etliche im Nachwort behandelt. Wichtigster Aspekt war der Aufstieg der Klimaleugner, jener Wissenschaftler, die von interessierter Seite in Wirtschaft und Politik bezahlt wurden, um die Öffentlichkeit abzulenken und zu verwirren. McKibben hat noch mehr Details zu diesem Thema, sie zu lesen erfordert einen starken Magen. Letzten Endes gibt er die Schuld jener unheilvollen Philosophie, die zuerst von der Autorin Ayn Rand verbreitet wurde, nach der 'Regierung böse ist und das Volk aus ihren Klauen befreit werden muss'."