Magazinrundschau

Clash der Ideen

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
08.03.2016. Auch in Adam Zagajewskis Brust bekämpfen sich Romantik und Aufklärung, bekennt er in Eurozine. The Nation bringt eine Reportage über die ägyptische Kulturszene unter Sisi. Osteuropa widmet sich dem Kaukasus. In Wired fragt Regisseur Jeff Nichols, wo man heute eigentlich noch sein Handwerk lernen soll. Im Guardian plädiert David Rieff für eine Kultur des Vergessens - jedenfalls manchmal. Roads and Kingdoms besucht einen guatemaltekischen Koch in Hiroshima. Die Paris Review erinnert an Alfred E. Neuman.

Eurozine (Österreich), 01.03.2016

Vor eine Woche hat Adam Zagajewski den Jean-Améry-Preis für Essayistik erhalten, ohne dass es die deutsche Öffentlichkeit allzusehr interessiert hätte (immerhin hat ihn der Tagesspiegel interviewt, unser Resümee). Eurozine bringt einen kurzen, höchst aktuellen Essay Zagajewskis, der zeigt, wie sehr der Lyriker und Essayist den Améry-Preis verdient hat. Zagajewski analysiert hier die beiden Seelen in der Brust europäischer Intellektueller - Aufklärung und Romantik - als widerstreitende Tendenzen. Beiden gesteht er Legitimität zu, allerdings blicken wir heute eher in die Fratze des Romantizismus mit seiner Tendenz zu Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit: "Ich muss zugeben, dass ich viele Argumente der Verteidiger des 'alten Europa' verstehen kann, wenn auch nicht alle. Es ist eine sehr komplexe Ideenschlacht, die nicht auf das einfache Schema 'Fortschritt versus Reaktion' reduziert werden kann. Selbst heute kann dieser Clash der Ideen nicht ignoriert werden, und sei es, weil er Generationen von Intellektuellen geprägt hat. Ich kann die Argumente der Autoren verstehen, die das Schwinden der Religion, den Verfall der Fantasie, die Tendenz, Menschen als rein biologische Wesen zu sehen, beklagen. Allerdings würde ich das Erbe der Aufklärung niemals völlig zurückweisen. Es scheint, dass wir Europäer unfähig bleiben, die beiden Hauptelemente unserer Erfahrung zu vereinbaren, das des Tages und das der Nacht, das der im Common Sense begründeten Handlung und das der ekstatischen Poesie."

Eurozine war Partner des Améry-Preises und stellt aus diesem Anlass einen ganzen Strauß lesenwerter Texte zusammen, die für den Preis nominiert waren. Kenan Malik betrachtet sakrale Kunst aus der Perspektive eines Nichtgläubigen. Fernando Savater schreibt über Voltaire Auch ein Essay des slowenischen Autors Ales Debeljak, der im Januar bei einem Autounfall ums Leben kam, wird präsentiert. Hier ein erläuternder Überblick.
Archiv: Eurozine

The Nation (USA), 21.03.2016

Ursula Lindsey schildert in einer ausführlichen Reportage die ägyptische Kulturszene nach dem Zusammenbruch des arabischen Frühlings. Sie kann nicht verstehen, warum viele Intellektuelle trotz allem froh sind, dass General Sisi die Islamisten aus der Regierung gefegt hat, denn die Unterdrückungsmechanismen des Sisi-Staates sind so brutal wie nie zuvor. "Ägypten hat einen extrem hohen Preis bezahlt für die Absetzung der Muslimbruderschaft: den Zusammenbruch des demokratischen Experiments, die Rückkehr des Militärs an die politische Spitze und die anhaltende Drangsalierung unter Sisi, die schlimmste seit Jahrzehnten ist. Das alles macht es für Ägyptens Intellektuelle und Autoren unabdingbar zu glauben, dass die Islamisten eine existenzielle Gefahr waren. Und doch ist es eine ironische, unwiderlegbare Tatsache, dass während der kurzen Regierungszeit der Muslimbrüder die Meinungsfreiheit aufblühte. Die Islamisten, so sehr sie es auch versuchten, konnten die Kritik und den Spott nicht zum Verstummen bringen. Sie waren eifrige, jedoch erfolglose Zensoren, unfähig, die vielen Oppositionskräfte in Schach zu halten: den Sicherheitsapparat und die Armee, die Medienbesitzer, die Künstler und Aktivisten, die ihnen nicht trauten. Sisis 'säkulares' Militärregime hat den Widerstand unbarmherziger unterdrückt als die Muslimbrüder je zu träumen gewagt hätten."
Archiv: The Nation

HVG (Ungarn), 04.03.2016

Vergangene Woche verkündete der Staatspräsident Rumäniens Klaus Johannis, dass die staatliche Auszeichnung "Stern Rumäniens", verliehen an den ehemaligen Priester und heutigen EP-Abgeordneten László Tőkés für seine Taten bei der Wende im Dezember 1989 wegen "rumänienfeindlicher Äußerungen" entzogen wird. Der Philosoph Miklós Gáspár Tamás sieht darin ein weiteres Beispiel für eine ost-europäische Tendenz, die Geschichte von 1989 neu zu schreiben: "László Tőkés ist der Held des Widerstandes gegen die Ceauşescu-Diktatur, das kann niemand von ihm nehmen. Seine Verdienste können nicht verjähren, nicht vergehen. Er ist eine historische Gestalt. (...) Die Rücknahme seiner Auszeichnung - wie die Kampagne gegen Lech Wałęsa - zielt auf die symbolische Auslöschung von 1989, ist ein Versuch die historische Erinnerung zu revidieren. Das Rückprojezieren der universellen und tiefen Enttäuschung nach der Systemwende auf das Ereignis selbst - sowie die heutigen Äußerungen Tőkés' auf seine einstige historische Tat - ist manipulativ und lügnerisch. (...) Die Helden des Widerstandes bleiben Helden, auch wenn sie in der Zeit seit 1989 bestätigt haben, dass auch sie sterbliche Menschen sind. Dass, was sich im Dezember 1989 in Temeswar ereignete, war eine gemeinsame Tat von Rumänen und Ungarn. Ihre Motivation: Freiheitsbegehren. Das dauerte zwar nur für einen kurzen historischen Augenblick, doch ist bis heute gültig."
Archiv: HVG

New Yorker (USA), 14.03.2016

In der neuen Ausgabe des Magazins untersucht Jelani Cobb Ursprünge und Zukunft der die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Schwarzen in den USA kritisierenden Aktivistenbewegung "Black Lives Matter" (BLM), die sich 2013 nach den tödlichen Schüssen auf einen schwarzen Jugendlichen in Florida gründete und nun verstärkt Wahlkampfveranstaltungen stört: "Black Lives Matter definiert sich in Absetzung zum Civil Rights Movement der Großväter. Seine Taktiken und seine Philosophie unterscheiden sich von denen des 1960er Aktivismus. Wie Occupy verzichtet es auf hierarchische und zentralisierte Führungsstrukturen. Seine Mitglieder sind nicht selten im Clinch mit älteren Vertretern der Civil-Rights-Bewegung, mit der Obama-Regierung und auch untereinander. Von Anbeginn wurde die Bewegung mit Occupy verglichen. Wie Occupy wird BLM mit einem Hauptthema assoziiert und organisiert sich über soziale Medien. Wie Occupy ist es von Kurzlebigkeit bedroht, Kritiker bemängeln die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Neuerdings suchen die Aktivisten daher nach anderen Protestformen. Das assoziierte 'Ella Baker Center' erhielt von Google 500.000 Dollar, um ein Programm zur Überwachung von Polizeigewalt in Kalifornien zu entwickeln. Und die von einem Stanford-Absolventen mit initiierte 'Campaign Zero' setzt sich für die Abschaffung von Quoten bei Festnahmen und eine Entmilitarisierung der Polizei ein. Bisher unterstützen weder Clinton noch Sanders die Plattform, doch beide haben sich bereits mit den Aktivisten getroffen und mit ihnen diskutiert."

Außerdem: Alec MacGillis trifft fragwürdige Philanthropen in Washington. Damon Tabor berichtet über den ungewöhnlichen Weg eines liberischen Warlords zum Seelenfrieden. Und Ann Beatie schickt eine Shortstory: For the best.
Archiv: New Yorker

Osteuropa (Deutschland), 01.03.2016

Die Zeitschrift Osteuropa befasst sich in einer verdienstvollen Sonderausgabe mit dem Kaukasus, wo Georgien, Armenien und Aserbaidschan ihren Platz in der Welt suchen - in ungelösten Konflikten verfangen, eingekeilt zwischen den Rivalen Russland und Türkei, für Europa und die USA nicht von besonderem Interesse. Gayane Novikova beschreibt das Dreieck Ankara, Eriwan und Baku als permanente "Blockade à trois".








Baku: Promenade der Unbeschwerten. Foto aus dem besprochenen Band.

Sevil Huseynova erkundet stadtgeschichtlich die spröde Schönheit Bakus, dem noch alle Autokraten ihren Stempel aufdrücken wollten "Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und am Anfang des 20. Jahrhunderts war Baku nicht nur die Ölhauptstadt, sondern auch eine der größten Industriestädte des Russischen Imperiums. Es war eine Epoche der stürmischen Blüte und des dynamischen Wachstums. Viele Erinnerungsorte in der Stadt wie auch etliche Architekturensembles im historischen Zentrum der Stadt gehen auf die Zarenzeit zurück. Begreift man die Sowjetunion ebenfalls als Imperium, so gibt es weitere 'imperiale' Erinnerungsorte, die für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger Bakus wichtig sind. Für die moderne Lebenswelt der Bewohner ist die Nachkriegszeit eine Periode, in der ihr städtisches Leben blühte und die Kultur einen Aufschwung erfuhr. Daher wird das 'umstrittene' architektonische Erbe bis heute oft positiv bewertet."
Archiv: Osteuropa

Wired (USA), 03.03.2016

Mit seinem Science-Fiction-Film "Midnight Special" hat Jeff Nichols gerade erst das Berlinalepublikum begeistert (unsere Kritik hier). Für den Regisseur von bislang drei vergleichsweise läppisch budgetierten Indiefilmen stellte die 20 Millionen Dollar schwere Produktion für Warner Brothers einen entscheidenden Schritt dar, ohne ihn gleich mit einem Riesenbudget zu überfordern. Doch diese sich langsam steigernden Übungsmöglichkeiten, erzählt er Amy Wallace, werden jungen Regisseuren immer seltener geboten: "Ein erfolgreicher 23-Millionen-Film wie Spike Jonzes 'Her' macht weltweit vielleicht seine 47 Millionen Dollar, doch zugleich besetzt er auch ein Veröffentlichungsdatum, das auch ein 150-Millionen-Film mit Aussicht auf 500 Millionen Dollar Ertrag nutzen könnte. Wie sollen talentierte junge Regisseure also ihr Handwerk lernen? Könnten Hollywood solche Debakel wie 'Fantastic Four' im vergangenen Jahr erspart bleiben, wenn es dessen jungen Regisseur Josh Trank nach seinem vielgepriesenen, extrem kostengünstig produzierten Debüt 'Chronicle' einen Versuch im Mittelfeld zugestanden hätte?"
Archiv: Wired

Guardian (UK), 07.03.2016

Die Erinnerung ist ein Verbündeter der Gerechtigkeit, aber nicht des Friedens, schreibt David Rieff im Guardian und plädiert dafür, den Wert von Erinnerung vor allem im Nahen Osten, im Balkan oder in Nordirland nicht absolut zu setzen: "Es gibt Fälle, in denen das Vergessen der Vergangenheit unrecht tut, aber die Erinnerung der Gegenwart. Wenn das kollektive Gedächtnis Gemeinschaften dazu verurteilt, den Schmerz historischer Wunden und die Bitterkeit historischen Grolls zu spüren, dann sollte nicht die Pflicht zu erinnern hochgehalten werden, sondern die Pflicht zu vergessen. Kann man mit Bestimmtheit sagen, was in welchen Situationen besser wäre? Nein, darauf gibt es keine kategorische Antwort. Aber angesichts der menschlichen Neigung zur Aggression könnte das Vergessen, bei allen damit verbundenen Opfern, die einzig sichere Reaktion sein - und sollte Maß der Erleichterung sein, nicht der Bestürzung. Es gibt viele Beispiele in der Geschichte, in denen das Vergessen früher Oberhand gewann, als vernünftigerweise erwartet werden konnte. Als etwa General de Gaulle in seinem berühmtem Umschwung beschloss, dass Frankreich Algeriens Unabhängigkeit anerkennen würde, soll einer seiner Berater mit dem Ausruf protestiert haben: 'Es wurde doch so viel Blut vergossen', woraufhin de Gaulle antwortete: 'Nichts trocknet schneller als Blut".

Tolu Ogunlesi und Andrew Esiebo schicken eine Reportage mit beeindruckenden Bildern aus Makoko, dem schwimmenden Slum von Lagos.
Archiv: Guardian

Telerama (Frankreich), 07.03.2016

Weronika Zarachowicz porträtiert den amerikanischen Philosophen Matthew B. Crawford, der sich in recht pragmatischer Weise Gedanken über unsere qua Informationsflut zerstückelte Aufmerksamkeit macht und nach Gegenmitteln sucht. Selbstdisziplin (nicht an der der roten Ampel Mails lesen!) reicht nicht. Er schlägt vor, eine Art Ökologie des Bewusstseins und ein neues Verhältnis zu den Gegenständen zu entwickeln: Man solle "Aktivitäten entwickeln, die unsere Aufmerksamkeit strukturieren und uns zwingen, aus uns herauszutreten. Handarbeit wäre ein Beispiel, ein Musikinstrument oder eine Fremdsprache lernen... Sie leiten uns durch die Konzentration, die sie erzwingen, durch ihre inneren Regeln. Sie setzen uns Widerstände und die kleinen Frustrationen der Wirklichkeit entgegen. Sie erinnern uns daran, dass wir 'verortet', durch unsere Umwelt konditioniert sind und genau auf diesem Weg Handlungsfreiheit und Selbstverwirklichung erreichen."
Archiv: Telerama

Roads & Kingdoms (USA), 08.03.2016

Matt Goulding porträtiert den guatemaltekischen Koch Fernando Lopez, der in Hiroshima ein kleines Restaurant für Okonomiyaki eröffnet hat. Keine Kleinigkeit für einen von gerade mal 145 Guatemalteken in ganz Japan. Okonomiyaki sind mit Kohl, Fleisch und verschiedenen anderen Zutaten gefüllte Pfannkuchen, deren individuelle Behandlung und Schichtung außerordentliche Finesse erfordert. "Man könnte meinen, für jemanden mit seiner Rolling-Stone-Biografie müsste es die Todesstrafe sein, den ganzen Tag ein einziges Gericht zuzubereiten, aber er strahlt eine tiefe Ruhe aus hinter dem Gezische und dem Dampf. 'Die Leute fragen mich immer, ob es mich nicht langweilt, den ganzen Tag dasselbe zu tun. Das ist ein Witz! Sie haben keine Vorstellung, was mir im Kopf herumgeht, wenn ich ein Okonomiyaki mache.' Um mir eine Vorstellung zu geben, erhalte ich eine kurze Lektion über Kohl. Kohl verändert im Laufe der Jahreszeiten, er kommt aus verschiedenen Gegenden in Japan - von den winterlichen Bergen Naganos oder den trockenen Ebenen Fukuokas - wie die Jahreszeiten wechseln, so verändert sich auch das Verhalten des Kohls auf der Herdplatte. Im Frühling, welkt und verbrennt er schnell, im Herbst hat er mehr Flüssigkeit und muss länger und langsamer gekocht werden. 'Es hat ein ganzes Jahr gedauert, bis ich nur verstanden habe, mit dem Kohl umzugehen.' Multipliziert man das noch mit Nudeln, Eiern, Pfannkuchen, Proteinen und der kapriziösen Natur der Grillplatte, beginnt man zu verstehen, warum sich Lopez seit fünfzehn Jahren auf dieses Gericht und dieses Restaurant beschränkt."

Hospodarske noviny (Tschechien), 08.03.2016

In der Prager Stadtgalerie am Altstädter Ring sind bis Juli die surrealen Requisiten aus der Filmwelt des Regisseurs David Cronenberg zu besichtigen. Petr Fischer ist beeindruckt. "'Ich bin Existenzialist, was heutzutage nicht mehr so populär ist wie zu Zeiten von Sartre und Simone de Beauvoir', sagt Cronenberg im abschließenden Video, was viele Besucher zumindest überraschen dürfte. [...] Gerade weil David Cronenberg die Geheimnisse des Wesens unserer Existenz erforscht, muss er in einen Zwischenraum vordringen, wo sich die traditionelle Menschheit mit Lebewesen oder Wesenheiten anderer Art vermischt, seien es mediale Ungeheuer oder Geld oder Ruhm. So ist auch der Film 'The Fly' auf den ersten Blick vor allem guter Horror, doch er verweist auch auf die Unmöglichkeit, aus der eigenen Haut zu schlüpfen. Cronenberg nutzt geschickt das Kafka-Motiv der Verwandlung, aber nicht um wie Kafka auf die klaustrophobe Gewalt der Familie und der überwiegend bürgerlichen Gesellschaft aufmerksam zu machen, sondern im Gegenteil, um anzudeuten, dass wir mit dem biologisch-mentalen Käfig, der unser Ich umschließt, besser nicht spielen sollten. Die Transformation der Existenz ist nichtsdestoweniger schon lange im Gang, wie wir aus den anderen Cronenberg-Filmen schließen, wo sich auf der Suche nach dem Glück auch unser eigenes Wesen radikal verändert."

Paris Review (USA), 03.03.2016

Vor 60 Jahren zierte Alfred E. Neumann zum ersten Mal in der heutigen Gestalt ein MAD Magazine. Woher das seitdem untrennbar mit der Comic- und Satirezeitschrift verbundene Maskottchen allerdings stammt, darüber streiten sich die Gelehrten, wie wir von Sam Sweet erfahren. Tatsächlich entpuppt sich die Vorgeschichte des charakteristischen Zahnlücken-Grinsegesichts als eine Art Vorläufer heutiger Mems, deren Ursprünge ebenfalls oft im Dunkeln liegen. Eine ziemlich frühe Emanation hat der Popkulturforscher Peter Reitan beim Auswerten alter Zeitungsscans ausfindig gemacht: "Als er eine alte Ausgabe des Los Angeles Herald durchsah, fiel ihm ein bekanntes Gesicht auf, das ihn aus der Ecke anblinzelte. Das wuschelige Haar, der fehlende Zahn - Neumann. Unter dem Gesicht stand zu lesen: 'What's the good of anything? - Nothing!' Es handelte sich um Reklame für ein Stück namens 'The New Boy'. Die Zeitungsausgabe datierte auf den 2. Dezember 1894. ... Das ursprüngliche Bild, schlussfolgerte Reitan, basierte wahrscheinlich entweder auf Bert Coote oder James T. Powers, zwei gummigesichtige, rothaarige Schauspieler, die für die ersten Inszenierungen des Stücks auf der Bühne standen. Wie Reitan ausführt, dürfte die Werbung 'wohl in jeder Stadt zu sehen gewesen sein, in der das Stück während seiner fünf Jahre dauernden Tourneen gastierte', was die spätere Omnipräsenz des Jungen erklären würde. Man nutzte das Konterfei für politische Karikaturen und wenig später für mehr Werbung, inklusive der Grafik für 'Atmore's Pie'. Jeder neue Aufgriff inspirierte eine neue Welle von Nachahmern: Die Figur spaltete sich auf und vervielfältigte sich, was wiederum ihr Mem-Potenzial bestärkte und ihre Ursprünge kaschierte." Mehr zu dieser Geschichte auch in diesem Blogposting.
Archiv: Paris Review