Magazinrundschau
Zuerst die ungarische Wahrheit
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
01.03.2016. The Atlantic spürt dem großen Kaktusschmuggel nach. Nepszabadsag und Hospodarske noviny analysieren die Rhetorik in den Visegrad-Ländern. Die LRB verteidigt den Drohnenkrieg. Der Merkur denkt über Design und Charakter nach. Der New Yorker optimiert sich mit digitalem Lernen. Die New York Times lernt von Google den Wert komplizierter Gespräche. Im Guardian erklärt Karl Ove Knausgard, warum nicht Tolstoi, sondern Turgenjew sein Vorbild ist. Wenn die Revolution kommt, dann dank der alleinstehenden Frauen, ruft das New York Magazine.
The Atlantic (USA), 28.02.2016

Außerdem eine kuriose, aber tatsächlich sehr erhellende Lektüre: J. Weston Phippens Reportage über den Kaktusschmuggel in den USA, der mehr und mehr Kakteenarten in die Liste der vom Aussterben bedrohten Pflanzen aufsteigen lässt: Sehr begehrt ist zum Beispiel der riesige, "Saguaro" genannte und insbesondere aus dem Westernkino bekannte Riesenkaktus Carnegiea gigantea, der dummerweise nicht gerade schnell wächst: "Die ersten zehn Jahre seines Lebens misst er gerade mal einen Zoll. Es dauert 75 Jahre, bis er seine berühmten Arme ausfährt. Da Hausbesitzer aber einen Saguaro bereits in ihrem Vorgarten stehen haben wollen, bevor sie über 80 Jahre alt sind, stehlen Verbrecher sie aus der Wildnis."
Und: Wenn ein glühender Etatist wie der schottische Philosoph Alistair Duff auf die radikale Staatsskepsis im Silicon Valley trifft, kann das ja nichts werden. Im Gespräch mit Kaveh Waddell erklärt er, warum die IT-Konzerne sich unbedingt staatlicher Kontrolle beugen sollten (man könnte meinen, die staatlichen Schnüffelprogramme im Zuge von NSA und Konsorten sollten ein gesundes Maß an Skepsis walten lassen) und bedauert, dass die digitale Revolution noch kein Pendant zum Sozialismus, der als Reaktion auf die industrielle Revolution entstanden ist, hervorgebacht hat.
Nepszabadsag (Ungarn), 27.02.2016

Hospodarske noviny (Tschechien), 25.02.2016

London Review of Books (UK), 03.03.2016

Thomas Nagel verteidigt den Drohnenkrieg. Rechtlich fragwürdig sei zwar, dass man nicht mehr zwischen Gefahrenabwehr und Hinrichtung unterscheiden könne, ansonsten sei die Abwehr reiner Affekt: "Ich vermute, dass viele das Persönliche, Individualisierte am Drohnenkrieg erschreckend finden. Es scheint leichter, beim Verfolgen legitimer militärischer Ziele das Sterben gesichtsloser Massen durch Raketen, Bomben und Granaten hinzunehmen und die damit einhergehenden, unvermeidlichen Kollateralschäden. Krieg ist die Hölle, das wissen wir. Aber wenn der Präsident jemanden auf eine Tötungsliste für einen Drohnenschlag setzt, schafft dies das illusorische Gefühl einer direkteren Verantwortung für diesen Tod als für einen anderen. Es fühlt sich wie eine Exekution an, dabei ist es nur die Einzelhandelsversion der Kriegsführung. Die Verantwortung ist, individuell und kollektiv, in beiden Fällen gleich groß."
Weiteres: Andrew O'Hagan bespricht Jean Steins Blick zurück auf die große Zeit Hollywoods "West of Eden". Frances Stonor Saunders räsoniert über das Ich, die Grenzen und die Selbstvergewisserung.
Merkur (Deutschland), 01.03.2016

Patrick Bahners macht noch einmal Einwände gegen die kommentierte Ausgabe von Hitlers "Mein Kampf" geltend, wobei ihm vor allem die Singularitätsrhetorik des federführenden Instituts für Zeitgeschichte gegen den Strich zu gehen scheint: "Der Glaube an die Gegenzaubermacht der Wissenschaft ist der rote Faden der Arbeit des IfZ."
New Yorker (USA), 07.03.2016

Außerdem: Matthieu Aikins berichtet über Geschäftemachereien im Afghanistan-Krieg. Und David Owen rekapituliert einen Betrugsskandal in der Welt des Profi-Bridgespiels.
Guardian (UK), 29.02.2016

Jason Burke beschreibt, wie der Medienwandel nicht nur die Verbreitungskanäle des Terrorismus verändert, sondern auch dessen Struktur. Die Anschläge vom 11. September entsprachen in Inszenierung und Organisation noch dem Fernsehen: zentralisiert, hierarchisch und strikt kontrolliert von Osama bin Laden. Später unter al-Zarkawi rangen einzelne al-Qaida-Gruppen um Aufmerksamkeit im heftig umkämpften Online-Gewerbe. Der IS praktiziert heute mit Smartphones und Handy-Kameras den "führerlosen Dschihad": "Seine Devise lautet, dass die extremistischen Aktivisten Prinzipien, nicht Organisationen bräuchten und ermutigt werden sollten, als Individuen zu handeln, von Texten geleitet, die jeder online finden kann, und ohne zu einer Gruppe gehören zu müssen. Terroristen kommunizieren über verschiedene Kanäle gleichzeitig. Anschläge werden in kleinen Gruppen geplant, nicht zentral. Die Struktur terroristischer Gruppen spiegelt - vielfältig, fragmentiert und dynamisch - die sich wandelnde Struktur der Medien, deren Aufmerksamkeit sie suchen."
New York Magazine (USA), 01.03.2016

Elet es Irodalom (Ungarn), 25.02.2016

New York Review of Books (USA), 10.03.2016

Weitere Artikel: Mark Lilla beschreibt die Französische Republik als verhängnisvoll schwach angesichts der Herausforderungen durch die globale Wirtschaft und den militanten Islamismus. Einzig Alain Juppe scheint ihm bisher eine erfolgversprechende Strategie entwickelt zu haben. Adam Shatz stellt Alan Lights Biografie über Nina Simone und den darauf basierenden Netflixfilm vor. Und Zadie Smith analysiert mit Hilfe von Schopenhauer Charlie Kaufmans Film "Anomalisa" und Robert Zemeckis "The Polar Express".
Telerama (Frankreich), 25.02.2016

New York Times (USA), 28.02.2016

Außerdem im Dossier: Susan Dominus hinterfragt die Gleichgewichtung von Arbeit und Freizeit. Virginia Heffernan wägt die Vor- und Nachteile von Meetings ab. Julian Faulhaber prüft den Nutzen flexibler Büroarchitektur. Und Brian Finke hat Menschen beim Essen am Schreibtisch fotografiert.
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