Magazinrundschau
Der Mörder kennt die andere Seite
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
03.11.2015. Der Guardian lernt im Britischen Museum, wie die Religionen sich gegenseitig kopierten. Das Universum ist mindestens so digital wie analog, erklärt der Merkur. In HVG warnt György Dalos davor, die Errungenschaften der ungarischen Revolution zu verwerfen. Himal macht die Blasphemiegesetze in Bangladesch mitverantwortlich für die Morde an säkularen Bloggern. Novinky berichtet vom tschechischen Dokumentarfilm-Festival. Die Public Domain Review erklärt, wie langweiliges Moos im 19. Jahrhundert zur Metapher für verbotenen Sex wurde.
Guardian (UK), 31.10.2015

Gavin Plumley porträtiert den österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas, der Schönberg, Adams und Kubrick zu seinen kreativen Vorfahren zählt und Kontraste mag: "Starre Gegensätze sind Haas' Ding." Hier sein Stück über österreichische Politik, "in vain", zu spielen in Hell und Dunkel:
Außerdem: Euan Cameron trifft Patrick Modiano. Besprochen werden unter anderem Ian Kershaws Geschichte der beiden Weltkriege "To Hell and Back: Europe 1914-1949" und Peter Doggett manisch-obsessive Popgeschichte "Electric Shock".
Merkur (Deutschland), 01.11.2015

Matthias Dell analysiert noch einmal minuziös jene Talkshow, in der Bayerns Innenminister Joachim Herrmann Roberto Blanco als "wunderbaren Neger" bezeichnete: Sprachpolitisches Lassier-faire sei keine Kategorie der Redefreiheit, meint Dell, sondern ungeniertes Abwerten nach unten.
Magyar Narancs (Ungarn), 15.10.2015

New Yorker (USA), 09.11.2015

Außerdem: Alexis Okeowo stellt das Orchestre Symphonique Kimbanguiste in Kinshasa vor (das Claus Wischmann 2008 in einem Dokumentarfilm verewigt hat, mehr hier). George Packer beschreibt die halbherzigen Versuche moderater Republikaner, die Mittelklasse zurückzugewinnen. Nick Paumgarten ist mit Rettungskräften unterwegs in Islands riskanter Natur. Peter Schjeldahl besucht die Frank-Stella-Retrospektive im Whitney Museum. Anthony Lane sah im Kino Tom McCarthys Film über den Boston Globe "Spotlight" und Jay Roachs "Trumbo", ein Biopic über den Drehbuchautor Dalton Trumbo.
London Review of Books (UK), 05.11.2015

Patrick Cockburn zeichnet ein sehr eindrückliches Bild von der ungemein verfahrenen Lage in Syrien, wo die russischen Luftschläge den Rückzug der syrischen Armee gestoppt, aber den Status quo noch nicht ernsthaft verändert haben. Dann kommt Cockburn zu einem erstaunlichen Schluss: "Die USA haben niemals den IS anzugreifen gewagt, wenn er die syrische Armee bekämpfte, weil sich Washington nicht vorwerfen lassen wollte, Assad an der Macht zu halten. Diese Vorgehensweise hat die Amerikaner ohne Verbündete am Boden gelassen, abgesehen von den Kurden, deren Stärke außerhalb ihres Gebiets begrenzt ist. Die große Schwäche der amerikanischen Strategie sowohl im Irak wie in Syrien bestand darin vorzugeben, dass eine 'moderate sunnitische Opposition' existiert oder geschaffen werden kann."
Besprochen werden Oliver Hilmes' ins Englische übersetzte Alma-Mahler-Biografie "Malevolent Muse" und Marlon James' Bob-Marley-Roman "A Brief History of Seven Killings".
Espresso (Italien), 02.11.2015

Massimo Sestinis von oben geschossenes Foto eines Boots, das bis auf den letzten Quadratzentimenter mit Flüchtlingen besetzt ist, wurde berühmt und mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet. Nun stellt es der Fotograf auf seine Website und fragt: "Wo seid ihr? Wenn du dich auf diesem Foto wiedererkennst, kontaktiere uns, wir wollen deine Gechichte hören." Sestini hat das Foto für den Espresso geschossen, und Fabrizio Gatti wendet sich in dem Magazin an all jene, die das Foto als Inbild einer bedrohlichen und gesichtlosen Masseneinwanderung wahrnehmen und rät ihnen erstmal, das Foto im Vergrößerungsausschnitt heranzuzoomen, bis man in die hoffnungsfroh lachenden Gesichter der Flüchtlinge blickt: "Europa hat zwei Weltkriege, die Nazis und den Faschismus, interne Spannungen und ökonomische Krisen überwunden. Aber es hat sich nie ernstlich mit den Konsequenzen seines Kolonialismus auseinandergesetzt. Vielleicht weil der Kolonialismus nie wirklich gestorben ist, sondern nur seine Form verändert hat. Wenn das Foto böse Gefühle in Ihnen auslöst, die viele von Ihnen in den Kommentaren artikulieren, zeigen Sie auch mal, dass Sie fähig sind, über all das nachzudenken."
HVG (Ungarn), 21.10.2015

Himal (Nepal), 01.11.2015

Novinky.cz (Tschechien), 30.10.2015

Auf dem Festival konnte das Publikum via Internet auch mit Julian Assange von WikiLeaks sprechen, der versicherte: "Es stimmt nicht, dass wir uns nur auf die westliche Welt konzentrieren. Ja, wir sprechen vor allem Englisch, in den anderen Sprachen ist unser Wirken nicht so einfach. Aber wir haben zum Beispiel hundertzwanzigtausend Dokumente über Russland veröffentlicht, eine Menge Material auf Chinesisch, etwa das Protokoll von Festlichkeiten der dortigen kommunistischen Partei, und es heißt, wir hätten mit unseren Enthüllungen die Wahlen in Peru beeinflusst."
Ferner wurde der Dokumentarfilm "Matrix AB" über den tschechischen Oligarchen und Finanzminister Andrej Babiš gezeigt, dessen Regisseur Vít Klusák sagt: "Ich bin überzeugt, dass Babiš eine Bedrohung der tschechischen Demokratie darstellt. Es fragt sich sogar, ob wir überhaupt noch eine Demokratie haben in einem Moment, da der Finanzminister jemand ist, der gleichzeitig die meistgelesenen seriösen Zeitungen kontrolliert und außerdem noch unseren tagtäglichen Konsum beeinflusst. Wenn Sie sich morgens etwas zum Frühstücken kaufen gehen, ist es fast unmöglich, dabei Produkten zu entgehen, an deren Herstellung die Firma Agrofert beteiligt war."
New Republic (USA), 23.10.2015

Public Domain Review (UK), 14.10.2015

Huffington Post fr (Frankreich), 02.11.2015

New York Times (USA), 01.11.2015

Außerdem: Tamar Adler erinnert an die Küche des Atomzeitalters, bestens repräsentiert in Betty Crockers legendärer "Recipe Card Library" mit ihren anämischen Fotos. Und Francis Lam sucht nach den schwarzen Wurzeln amerikanischer Kochkultur. Und Karl-Ove Knausgard widmet in der Sunday Book Review Michel Houellebecqs "Unterwerfung" eine epische Besprechung.
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