Magazinrundschau - Archiv

Magyar Narancs

287 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 29

Magazinrundschau vom 24.01.2023 - Magyar Narancs

Gedrucktes Buch oder E-Book? Für die Schriftstellering Orsolya Karafiáth ist das keine Frage: "Leser bevorzugen immer noch Bücher in Papierformat. Die Schriftstellerin Zszuzsa Tamás stellt hierzu fest: 'E-Books passen meiner Meinung nach nicht zur ungarischen Mentalität, denn wir möchten unsere Güter auch besitzen, in unseren Lieblingsbüchern blättern, an ihnen riechen. Es ist sehr selten, dass jemand bewusst nur Bücher im E-Format kauft.' Dies wird auch von der Statistik bestätigt, denn im Jahre 2021 machte der Umsatz von E-Books auf dem Büchermarkt lediglich 2,1 Prozent aus. Und weiter führt sie aus: 'Mein großer Herzschmerz mit den E-Books ist der Verlust der ersten Begegnung. Wenn ich einen neuen Menschen kennenlerne, forme ich meinen ersten Eindruck anhand seiner Bücherregale: Welche Bücher stehen wo? Wie werden sie 'gehalten'? Heutzutage täuscht der Eindruck. Du betrittst eine fremde Wohnung, fälschlicherweise wirst du denken, dass der Bewohner ungebildet ist, denn er hat keine Bücher, du drehst dich um und gehst, aber  vielleicht verpasst du die Beziehung deines Lebens.' Die eigene Bibliothek ist somit kein Luxus mehr, sondern ein wichtiges und unerlässliches Utensil für die Betonung der eigenen Bildung, der Kultur und der eigenen Position in der Gesellschaft. Ein Stück Identität."
Stichwörter: Luxus

Magazinrundschau vom 19.07.2022 - Magyar Narancs

Im Schnellverfahren wurde ein Gesetz zur Besteuerung Selbstständiger durchs ungarische Parlament gepeitscht. Das Gesetz betrifft rund 400.000 vor allem in Städten lebende Freiberufler, deren Steuerbelastung sich schlagartig erhöhen wird. Für József Ballai zielt das Gesetz vor allem auf Künstler und Intellektuelle, die keine Steuererleichterungen mehr in Anspruch nehmen dürfen, wenn sie ihre Honorare Firmen in Rechnung stellen: "Die Welt der Arbeit besteht - zumindest in steuerlicher Hinsicht - aus zwei Kasten: die der Angestellten und die der Selbstständigen. Eigentlich ist es auch richtig so. Ich kann mir keinerlei Firma vorstellen, die Komponisten einstellen würde, die nur eins zu tun hätten: Lieder zu schreiben. Im wirklichen Leben sieht es bei Musikern, die Lieder schreiben, wohl so aus, dass sie für die Veröffentlichung der von ihnen komponierten Lieder einen Vertrag mit einer Firma unterschreiben, bei der sie auch ihre Rechnung einreichen. Selbstständige Journalisten, wenn sie einen Artikel fertig geschrieben haben, senden diesen an eine Redaktion, deren Verlag die Honorare auszahlt: der Chefredakteur zahlt es eben nicht als Privatperson aus. Wer entschied, dass dieser Steuertyp hingerichtet wird - es kann nicht anders interpretiert werden - erklärte einerseits der selbstständigen Beschäftigung den Krieg, indem er implizierte, dass in Ungarn, also in seinem Ungarn, solche Menschen nicht gebraucht werden. Andererseits ist aber die Botschaft wesentlich tiefgreifender: nichts wird gebraucht, was das Produkt von eigenständigem Denken sei. Man braucht keine neuen Gedanken, ... keine neue Musik. Man braucht keine Schicht, von der ein beträchtlicher Teil lediglich mit Verachtung darauf blickt, was das 'System der Nationalen Kooperation' ausmacht."

Magazinrundschau vom 05.07.2022 - Magyar Narancs

Die Dichterin Anna T. Szabó veröffentlichte vor kurzem Band mit gesammelten und neuen Gedichten, was sie zu einer nicht ganz einfachen Revision ihres bisherigen Werkes zwang, wie sie im Interview erklärt: "Ohne Scham alles zu zeigen, ist eine wichtige Erfahrung. Dass der Mensch es nicht nötig hat, den Weg, den er ging, zu verfälschen. Ich habe mich mit Dichtern beschäftigt, die ständig ihre Werke umschrieben. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit, doch ich schulde der jungen Dichterin, die ich war, soviel, dass ich meine Vergangenheit nicht umschreiben will. Ich habe nichts bereut und ich schäme mich nicht, denn es ist das schlechteste, was einem Dichter, insbesondere einem weiblichen Dichter (sic!) passieren kann, dass er sich schämt. Man muss freilich reflektieren. Übrigens bin ich auch meinen Vorfahren dankbar, ich bin kein Vatermörder-Typ. Es prägt mich stark, woher ich stamme und das akzeptiere ich."
Stichwörter: Szabo, Anna T.

Magazinrundschau vom 21.06.2022 - Magyar Narancs

"Wenn wir über die Verteidigung der Souveränität sprechen, wird das geheimdienstliche Ausforschen jener zivilgesellschaftlichen Organisationen, die vom Ausland finanziert werden, oder jener Medien, die ganz offensichtlich in ausländischen Diensten stehen, unerlässlich sein", erklärte vergangener Woche der Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei, Máté Kocsis. Ein ungezeichneter, redaktioneller Kommentar in Magyar Narancs meint dazu: "Was der Fraktionsvorsitzender jetzt wünscht, ist die totale Überwachung jener Organisationen und Medien, die vom Staat und/oder von der Fidesz (noch) unabhängig sind - was gleichbedeutend ist mit der offenen Vernichtung der Meinungs- und Pressefreiheit. Mit einigen gezielten Gesetzesänderungen kann alles, was angeblich die Interessen Ungarns verletzt, strafrechtliche Konsequenzen haben. Dies ist eine offene Warnung. Es geht weniger um die Organisationen und die unabhängigen Redaktionen selbst, sondern um die gesamte Bevölkerung: wer sich nicht so benimmt, wie das System es verlangt, der soll sich fürchten und etwas zu verlieren haben. So werden wir nur noch einen Schritt von der Welt entfernt sein, die Kafka oder Orwell beschrieben haben, und die aktuell als Putins Russland oder Erdoğans Türkei bezeichnet wird."

Magazinrundschau vom 14.06.2022 - Magyar Narancs

Die Schriftstellerin und Dichterin Krisztina Tóth spricht im Interview mit Orsolya Karafiáth anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Romans über die Möglichkeiten, eine ganze Gesellschaft zu manipulieren: "Ich wollte darüber nachdenken, wohin wir gerade steuern. Tendenzen beobachten, mit den Gedanken spielen, welchen Ausgang diese Prozesse haben könnten. Der Populismus ist eine allgemeine Erscheinung, ebenso wie der Versuch, mittels Propaganda Gräben in der Gesellschaft für sich zu nutzen. Wenn man unbedingt eingrenzen möchte, dann würde ich sagen, dass dies eine ost-mitteleuropäische Geschichte ist. Doch wir sollen nicht eingrenzen! (…) Mir ging es vor allem um die Manipulation. Wie man Massen von Menschen beeinflussen kann (…) Wir sehen, dass dies gerade auf der Ebene der Gesellschaft passiert, wobei die Machtapparate eine missbräuchliche Beziehung mit ihren Bürgern haben. Sie führen ernsthafte Bewusstseinsveränderungen herbei, um Begierden und Affekte zu beherrschen."

Magazinrundschau vom 17.05.2022 - Magyar Narancs

Der Historiker und Politikwissenschaftler Péter Tálas beschreibt die Bedeutung der EU-Sanktionen gegenüber Russland für eine künftige internationale Ordnung: "Bekanntlich ereignete sich eine sprichwörtliche Revolution in der Russlandpolitik der Europäischen Union, aber insbesondere in der Russlandpolitik von Deutschland, das die EU anführt. Dies zeigt sich in der Absage von North Stream 2, der drastischen Steigerung der Verteidigungsausgaben, der Unterstützung der harten wirtschaftlichen Sanktionen, der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine oder dem Beenden der Energieabhängigkeit von Russland. Die EU - zusammen mit den USA - verordnete die stärksten Sanktionen aller Zeiten gegenüber Russland, was manche als den Einsatz einer 'taktischen Atombombe' bezeichnen. Für die Zukunft der Europäischen Union bleibt jedoch eine ganz entscheidende strategische Frage zu beantworten: Nämlich, ob die wirtschaftlichen Sanktionen des Westens tatsächlich den Kriegsverlauf entscheiden können. Wenn die Antwort Ja lautet, dann wird dieses Instrument das Machtpotential der EU wesentlich erhöhen, was wiederum auch die internationale Einschätzung der Union verbessern dürfte. Denn eigentlich hängt davon ab, ob die EU aus strategischer Sicht zu den Siegern oder Verlieren des Russisch-Ukrainischen Krieges zählen wird. Ob ihr eine ernsthafte Hoffnung bleibt, als eigenständiger Machtpol in der sich verändernden Weltordnung aufzutreten, oder ob sie eine der untergeordneten Verbündeten der USA bleibt."

Magazinrundschau vom 05.04.2022 - Magyar Narancs

In einem Editorial positionierte sich Magyar Narancs noch vor den Parlamentswahlen, bei der die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Viktor Orbán erneute eine weitere Zweidrittel-Mehrheit erlangte. "Nehmen wir also an, dass die Orbán-Regierung ihre 'Arbeit' unter den bekannten Bedingungen fortsetzt. (...) Internationale Isolierung wird es geben, aber kaum Geld - denn hoffen wir, dass es der Europäischen Union nicht einfällt, der Orbán-Regierung Zugang zum Wiederaufbaufonds zu gewähren. Eigentlich müssten selbst die Auszahlungen und Transferleistungen aus dem gewöhnlichen Haushalt verweigert werden. Es gab Wahlbetrug, und die Union will ja keinen Taschen-Putin finanzieren."

Magazinrundschau vom 29.03.2022 - Magyar Narancs

Der Dichter István Pion kommentiert recht gallig, wie Ungarns Regierungschef Viktor Orbán sich vor den Wahlen als großer Vermittler zwischen EU und Russland gebärdete: "Er hätte gern den Wählern vorgegaukelt, dass er in der Zeit vor den Wahlen als Friedensengel am ungarischen und europäischen Himmel herumfliegt, schließlich war er nach eignen Angaben auf 'Friedensmission' bei Wladimir Putin, nach dem Ausbruch des Krieges kommunizierte er das Wort 'Frieden' wie kaum ein anderer. Aber es hat sich herausgestellt, dass er doch nicht als Putto in der erstrahlten Nachmittagssonne mit seinen Flügeln schlägt, sondern zerquetscht auf dem blutgetränkten Boden ausgestreckt liegt: er wurde zu Russlands Fußabtreter in der Tür der Europäischen Union, während die Regierungschefs der anderen Mitgliedsländer die Rolle des Türstehers annahmen."

Magazinrundschau vom 01.03.2022 - Magyar Narancs

Der Dramatiker Csaba Székely moniert, dass ungarische Theater gegenwärtig kaum ungarische Uraufführungen inszenieren: "Ich rede nicht von den unabhängigen Theatern, sondern von jenen, die in einer komfortableren Lage sind. Früher war das nicht so, doch heute tendieren die Anfragen für Originaltexte Richtung Null, wobei es neben finanziellen und sonstigen Gründen auch eine Rolle spielt, dass sich die Theater ihrer kulturellen Verantwortung nicht bewusst sind. Sie müssten das Entstehen von neuen Texten und Inszenierungen mehr unterstützen, die zeitgenössische Probleme reflektieren,  denn damit würden sie das ungarische Theater und die Kultur eher nach vorne bringen, als wenn sie nur zum fünfhundertsten Male einen Klassiker abstauben und mit zwei "Fuckyou" verzieren und etwas aktuell-politischem Augenzwinkern. Ja, Uraufführungen sind riskant, doch ein Ensemble in die Hände eines Hochschulabsolventen zu legen, der bisher zwei gute und drei schwache Inszenierungen hatte, ist es ebenfalls."
Stichwörter: Ungarisches Theater

Magazinrundschau vom 08.02.2022 - Magyar Narancs

Anlässlich seiner Ausstellung "Atlanten" spricht der bildende Künstler Gábor Gerhes im Interview mit Kriszta Dékei über den Verlust der Autorität und Authentizität des institutionalisierten Wissens: "Weil wir indirektes Wissen für unser eigenes halten, und freilich auch dadurch, dass durch das Internet die Wissensmöglichkeiten grenzenlos geworden sind, rutschen wir sehr leicht in eine Situation, in der wir nicht mehr abgrenzen können, wo die Wirklichkeit beginnt und wo sie endet. Was wir jetzt erlangen ist nicht linear, sondern entzweiend: man bemerkt, dass das, wonach man vor zwei Tagen oder vor fünf Minuten suchte, nicht mehr interessant ist. Die Grenzen der Disziplinen verschwimmen und verbinden sich amöbenartig. Sicherlich soll der Zugang zum Wissen demokratisiert werden, und jeder soll sein eigenes finden, doch kann sich jetzt plötzlich jeder selbst zum Virologen, Nachrichtenlieferanten oder Influencer ernennen. (...) Eine relevante Frage unserer Gegenwart ist, was Wissen genau bedeutet. Die 'Atlanten' waren ursprünglich bebilderte Enzyklopädien, sie sollten das existierende Wissen im Streben nach Vollkommenheit visualisieren. Und weil es sich in meinem Falle nicht um ein wissenschaftshistorisches Abenteuer handelt, sondern es um ein künstlerisches Projekt, kann ich mir Ausflüge in seltsame, frei interpretierbare, sumpfige Gebiete erlauben."

Hier ein Blick in die Ausstellung: