
Mit einem ziemlich faszinierenden Artikel
startet Patrick Mimouni eine fünfteilige Artikelserie über
Marcel Proust und die
extreme Rechte. Er erzählt von Prousts Freundschaft zu
Charles Maurras, dem tauben, aber wortgewaltigen Anführer der Action française, und zu
Léon Daudet, Maurras' Kompagnon und engem Freund Prousts - aber sie durften sich nur heimlich treffen, schreibt Proust, der selbst Dreyfusard war, während Maurras und Daudet die Bewegung der Antidreyfusards anführten, die den Grundstein für den
Antisemitismus des 20. Jahrhunderts legte. Mimouni unterstellt, dass Proust auch an der Freundschaft zu Daudet festhielt, weil er
die "
Affäre" in seinem Roman beleuchten wollte. Mimounis Beleg dafür ist die rechtsextreme
Comtesse de Loynes, die die Action française finanzierte - und die das
Vorbild für Odette in "Swanns Welt" ist. "Die Gesellschaftsreporter begannen sich erst nach dem Ausbruch der Dreyfus-Affäre für sie zu interessieren, eben weil ihr Salon dank Léon zum Hauptquartier der Antidreyfusards wurde. Der Salon von Odette, die zu Madame Swann wurde, entsteht im Roman auf die gleiche Weise, indem er von den gleichen Ereignissen profitiert, nur dass es Madame Verdurin ist, die Odette auf die Idee bringt - 'Madame Verdurin, bei der ein latenter bürgerlicher Antisemitismus erwacht war und eine regelrechte Hysterie erreicht hatte'. Bis dahin hatte die Comtesse de Loynes nur Männer empfangen. Sogenannte ehrbare Frauen konnten natürlich keine Beziehungen zu einer
ehemaligen Prostituierten unterhalten. Dasselbe gilt für Madame Swann, eine Frau, die die Guermantes vor der Affäre niemals empfangen hätten. Es genüge nun, 'Tod den Juden!' auf ihren Sonnenschirm zu sticken, um in den Faubourg Saint-Germain aufgenommen zu werden, stellt die Herzogin von Guermantes fest. Die Judenfeindlichkeit öffnete nicht nur ehemaligen Prostituierten die Türen zu den Salons der Aristokratie, sondern ermöglichte es den antisemitischen Anführern, die
Kontrolle über die royalistische Partei zu erlangen."