Magazinrundschau
Huhn so, Schwein anders
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
09.03.2010. In Magyar Narancs fordert Agnes Heller mehr Zivilcourage von den Ungarn. Warum konservative Kreise in Ägypten Frauen gern als Bonbons sehen würden, erklärt Mohammed Ali Atassi in Qantara. In Resetdoc sieht Olivier Roy kaum mehr Platz für ein Blatt Papier zwischen christlichen Rechten und säkularen Linken. Im Magazin erklärt der Philosoph Ludwig Hasler - nicht nur - den Schweizern: Wer heute das Mittelmaß bevorzugt, kann morgen nicht Elite erwarten. In Prospect erklärt Jonathan Safran Foer, warum er kein Huhn im Bett wünscht - und auch nicht auf seinem Teller. Die NYT begibt sich auf human-flesh search und findet eine Katzenmörderin.
Magyar Narancs (Ungarn), 25.02.2010

Qantara (Deutschland), 08.03.2010
In Ägypten wurde eine Studie mit schockierenden Zahlen über sexuelle Belästigungen veröffentlicht, berichtet Mohammed Ali Atassi. "98 Prozent der ausländischen Frauen und 83 Prozent der ägyptischen waren schon einmal Opfer sexueller Belästigung - fast Zweidrittel der Männer gestanden, Frauen schon einmal belästigt zu haben. Auf der anderen Seite versuchten konservative und religiöse Gruppen, das Thema für ihre eigenen Zwecke auszunutzen. In verächtlicher Weise griffen sie dabei die Würde der Frauen an, indem sie die Schuld für die sexuellen Belästigungen eben bei den Frauen suchten." Als Beispiel beschreibt Atassi ein Plakat, auf dem eine Frau als Bonbon dargestellt wird, "der nur dann vor Fliegen (also den Männern) geschützt ist, wenn er mit Einwickelpapier (also dem Schleier) versehen ist. Unter dem Bild zweier Lollis, einer eingewickelt, der andere offen und mit ihn umschwirrenden Fliegen, findet sich eine religiöse Warnung, die feststellt, dass eine unverschleierte Frau sich nicht zu schützen vermag - denn Gott, der Schöpfer, weiß, was zu ihrem Besten sei, weshalb er verlange, dass sie sich verschleiern solle."
ResetDoc (Italien), 05.03.2010
In einem kurzen Interview erklärt der französische Politikwissenschaftler Olivier Roy, warum sowohl die christliche Rechte und die säkulare Linke seiner Meinung nach islamophob sind: "Die erste Tendenz ist die christliche Identität. Der Glaube, dass Europa christliche Wurzeln hat, hat nichts mit religiösem Glauben zu tun. Das ist die rechtskonservative Position. Die italienische Lega Nord geht nicht zur Kirche, betrachtet die Kirche aber als Teil ihrer eigenen Identität. Diese Leute sind in der Regel fremdenfeindlich und islamophob. Die zweite Tendenz ist die der säkularen Linken, die gegen den Islam opponiert - nicht weil er die Religion der Immigranten ist, sondern weil er eine Religion ist, und die säkulare Linke gegen jede Religion ist. Bis vor kurzem, also im 20. Jahrhundert, fand die Debatte zwischen der säkularen Linken und der christlichen Rechten statt, aber die sind jetzt keine Gegensätze mehr."
Außerdem: In einem Videointerview plädiert die in Yale lehrende Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib für möglichst offene und transparente Einbürgerungsmöglichkeiten für Immigranten.
Außerdem: In einem Videointerview plädiert die in Yale lehrende Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib für möglichst offene und transparente Einbürgerungsmöglichkeiten für Immigranten.
New York Review of Books (USA), 25.03.2010

Weiteres: Jonathan Raban hat sich in Nashville auf die Tea Party Convention der Sarah-Palin-Fans geschmuggelt: "Als ich bei der Anmeldung meinen Führerschein aus Washington State zeigte, sagte der Helfer: 'Danke, dass Sie den ganzen weiten Weg gekommen sind, um zu helfen, unser Land zu retten', und dann, als er näher hinsah: 'Seattle - ihr habt eine Menge Liberale da oben.' Ich nahm sein Beileid an." Colm Toibin stellt die beiden libanesischen Romane "Cockroach" von Rawi Hage und "The Hakawati" von Rabih Alameddine vor. Daniel Mendelsohn preist noch einmal "die visuelle Kraft und den mitreißenden Einfallsreichtum" von James Camerons seiner Meinung nach unterschätztem 3D-Hit "Avatar".
Tygodnik Powszechny (Polen), 07.03.2010

Das Magazin (Schweiz), 06.03.2010

Prospect (UK), 01.04.2010

Elet es Irodalom (Ungarn), 05.03.2010

Nach Ansicht des Soziologen Peter Kende wird die gesellschaftliche Krise, die nun in der starken Sehnsucht nach Law and Order gipfelt, durch drei Faktoren besonders schwerwiegend: die Legitimitätskrise der demokratischen Institutionen, das Realitätsdefizit der Ungarn (die Furcht vor der Konfrontation mit der Realität und den realen Verhältnissen, von Elemer Hankiss auch als "Morbus Hungaricus" bezeichnet) und die Existenzangst, die manche mit der Marktwirtschaft, andere wiederum mit der schwachen Leistung der jetzigen Regierung als Ordnungshüter verbinden: "Es ist tragisch, dass das Land, das von den Versprechungen der Wende von 1989 enttäuscht ist, eine Chance zu verspielen im Begriff ist, die in seiner neuzeitlichen Geschichte einmalig war. Denn wann sonst konnten wir Ungarn frei über die Gestaltung unser eigenen Angelegenheiten bestimmen, wenn nicht 1989/90? Wenn wir auf diese Errungenschaften auch nur teilweise verzichten, ist es gut möglich, dass wir keine ähnliche Chance mehr bekommen werden. Zu unseren Lebzeiten ganz sicher nicht."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 04.03.2010
Die amerikanische Religionswissenschaftlerin Margot Badran besuchte kürzlich eine Moschee in Washington DC. Ein deprimierendes Erlebnis: Eine Gruppe von Frauen, die im Hauptgebetssaal hinter den Männern beten wollten, erregten beim Moscheeverwalter solches Missfallen, dass er die Polizei holen ließ, die die Frauen hinausdrängte, erzählt sie. "Draußen auf der Straße wandte ich mich an einen der Polizisten, der wie der andere Polizist Afroamerikaner war, und sagte: 'Sie wissen Bescheid über Rasse und Geschlecht in diesem Land. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Frauen hinauswerfen? Hätten Sie je gedacht, dass Ihr Job das von Ihnen verlangt?' Alles was er sagte, war: 'Das ist der Grund, warum ich sie nicht verhaftet habe.' Er wiederholte, was auch der andere Polizist gesagt hatte: 'Die Moschee ist ein privater Ort und sie haben das Recht, jeden rauszuwerfen, der nicht nach ihren Regeln spielt.' ... Alles was ich zu meinem Landsmann sagen konnte war: 'Der lunch counter war auch ein privater Ort.' Was, wenn die jungen [schwarzen] Männer, die sich dort hinsetzten, nach den Regeln gespielt hätten? Wessen Regeln?"
Merkur (Deutschland), 01.03.2010
W.A. Pannapacker, Professor für Englisch am Hope College in Michigan, bekennt sich (hier im englischen Original) zu seiner Herkunft aus dem Aufsteiger-Milieu, die ihm offenbar recht quälende Jahre unter snobistischen Kommilitonen beschert hat: "Anders als die unabhängigen Highbrows und die unbefangenen Lowbrows sind die Middlebrows anscheinend derart bemüht, 'im Leben voranzukommen', dass sie etwas einzig dann wirklich mögen, wenn es von den sozial über ihnen Stehenden approbiert worden ist. Für Virginia Woolf und ihre Nachfolger sind Middlebows nichtauthentisches, unaufrichtiges Pack, sklavisch der Mode und Schicklichkeit gehorchend, eine Kultur nachäffend, die sie nicht zu verstehen vermögen; sie sind das Muster für Hyacinth Bucket in der BBC-Sendung 'Keeping Up Appearances', die Anrufe mit dem Satz 'Die Bouquet-Residenz, die Hausherrin am Telefon' entgegennimmt."
Heinz Theisen, Politikwissenschaftler an der Katholischen Hochschule in Köln, will dem Universalismus Grenzen gesetzt sehen: "Solange der Westen seine Einflusssphäre mit der Universalität der allgemeinen Menschenrechte gleichsetzt, droht jedes Problem auf der Welt zu einem Problem des Westens zu werden." Theisen plädiert für eine recht eigene Kombination aus Multikulturalismus und Geopolitik: "Je mehr wir uns aus fremden Kulturräumen zurückziehen, desto mehr Recht haben wir auf die Behauptung unseres eigenen Kulturraums. Nach dem Disengagement kann sich der Westen auf die Sicherung der eigenen Hemisphäre konzentrieren."
Hansjörg Graf schreibt über John Donne und zitiert aus einem Essay von T.S. Eliot über die lyrische Leistung der Metaphysicals: "Racine und Donne schauten in sehr viel mehr als nur ins Herz. Man muss auch auf die Hirnrinde schauen, ins Nervensystem und in den Verdauungstrakt."
Heinz Theisen, Politikwissenschaftler an der Katholischen Hochschule in Köln, will dem Universalismus Grenzen gesetzt sehen: "Solange der Westen seine Einflusssphäre mit der Universalität der allgemeinen Menschenrechte gleichsetzt, droht jedes Problem auf der Welt zu einem Problem des Westens zu werden." Theisen plädiert für eine recht eigene Kombination aus Multikulturalismus und Geopolitik: "Je mehr wir uns aus fremden Kulturräumen zurückziehen, desto mehr Recht haben wir auf die Behauptung unseres eigenen Kulturraums. Nach dem Disengagement kann sich der Westen auf die Sicherung der eigenen Hemisphäre konzentrieren."
Hansjörg Graf schreibt über John Donne und zitiert aus einem Essay von T.S. Eliot über die lyrische Leistung der Metaphysicals: "Racine und Donne schauten in sehr viel mehr als nur ins Herz. Man muss auch auf die Hirnrinde schauen, ins Nervensystem und in den Verdauungstrakt."
Weltwoche (Schweiz), 04.03.2010

New Yorker (USA), 15.03.2010

Peter Schjeldahl führt durch die von Jeff Koons kuratierte Ausstellung "Skin Fruit" im New Museum. Anthony Lane bespricht das Irak-Kriegsdrama "Green Zone" von Paul Greengrass und "Mother" ("Madeo") des Südkoreaners Bong Joon-Ho. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Knocking" von David Means und Lyrik von Edward Hirsch und Barbara Ras.
Nouvel Observateur (Frankreich), 04.03.2010

Claude Lanzmann spricht in seinem Beitrag dagegen vom "Mythos der Rettung" und erklärt, dass die Juden in der Vorkriegszeit und im Krieg selbst keineswegs "das Zentrum der Welt" gewesen seien, sondern im Gegenteil eine Rand- wenn nicht gar eine marginale Stellung eingenommen hätten. "Das galt nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für ganz Europa, von Deutschland ganz zu schweigen. Die Juden waren eben nicht - und sind es selbst heute nicht, auch wenn einige von ihnen das gerne behaupten - das Zentrum der Welt. Von der Warte dieser faktischen Wahrheit aus muss das Verhalten der Alliierten während des Kriegs und das angebliche Im-Stich-lassen der Juden betrachtet werden. Hätte man 'die Juden' oder 'Juden' retten können? Welche hätte man retten können? Wann? Wie?"
Zu lesen ist außerdem ein Interview mit Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz über die Gier der Banker und ihre "erdrückende Verantwortlichkeit" für die Krise.
New York Times (USA), 07.03.2010

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