Die Debatte um die Kapuscinski-Biografie wurde in Polen zu provinziell geführt,
meint Maciej Wisniewski. Zum Beispiel lohne ein Blick auf
Lateinamerika, wo der Reporter anders wahrgenommen wurde: "Die Lesart seiner Werke sagt viel über die Lesenden aus und die Zeit, in der sie leben. Man kann schwerlich dagegen argumentieren, dass 'König der Könige' die regierenden Kommunisten beschreibt, aber dass dies ständig wiederholt wird, zeigt unser intellektuelles Klima, das durch
späte Abrechnungen mit dem Kommunismus dominiert wird. Das zeigt sich nicht nur durch das Aufspüren aller Verbindungen zum alten System (auch an der Person 'Kapus'), sondern auch durch Ausschluss aller politischen Projekte, die gegen den neoliberalen
common sense argumentieren. Vielleicht liegt darin die Antwort auf die Frage, warum Kapuscinski, dessen Einstellung zu diesen Fragen so sehr von der Stimmung im Lande abwich, so gerne ins Ausland fuhr, und die Workshops in Lateinamerika geführt hat. Vielleicht konnte er sich dort 'ohne Fußnoten' verständigen, ohne erklären zu müssen, dass der Kampf um eine bessere Welt nichts mit dem Realsozialismus zu tun hat. Ich habe den Eindruck, dass die
Mexikaner da viel weiter sind als wir."
Lange galt der
Sarmatismus in Polen als Grund für den Niedergang des Landes im 18. Jahrhundert. Aus Anlass einer Krakauer
Ausstellung plädiert die Architekturhistorikerin Marta A. Urbanska dafür, die polnische Adelskultur neu zu bewerten: "Nach den Erfahrungen der Teilung, der Nationalismen, der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts fällt es uns schwer, uns vorzustellen, was die
Republik beider Nationen war. Auch, weil man die Nation damals politisch und nicht ethnisch begriff. (...) Der Sarmatismus war eine Sprache, die Ost und West verband, und dies stellt seinen größten Wert dar. Wir hatten zu der Zeit die Fähigkeit, unterschiedliche, auch
gegensätzliche Kulturelemente aufzunehmen - von Paris bis Afghanistan - so dass sie zu einem originellen Ganzen verschmolzen. Deswegen ist der Sarmatismus mehr (und anders) als eine polnische, provinzielle Version des gegenreformatorischen Barocks".
Andrzej Brzeziecki
will nicht mehr und nicht weniger als die
Geschichte Europas neu schreiben lassen: "Ich kann nicht für alle Menschen des Westens sprechen, aber es ist beschämend, dass Polen vergessen hat, was es dem
östlichen Erbe verdankt. Wir haben uns die Überzeugung aufstülpen lassen, dass die Zivilisation und die Kultur nur in West-Ost-Richtung gingen". Die Übernahme der westlichen Meistererzählung war eine Strategie, um während und nach dem Kommunismus Anschluss zu finden, doch generierte dies nur Komplexe. "Vielleicht sind diese Ergebnis von Phantomschmerzen nach dem Verlust der östlichen Dimension unserer Identität. Die Heilung könnte in der
Aufwertung der slawisch-byzantinischen Anteile in Polen und Europa bestehen", schreibt der Publizist und Chefredakteur von
Nowa Europa Wschodnia.