Magazinrundschau
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Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
19.11.2019. The Atlantic betrachtet von allen Seiten die Spaltung Amerikas. The Intercept beugt sich über iranische Geheimdokumente zum Irak und stellen fest: der Irakkrieg hat nur Teheran genützt. Die New York Review of Books feiert die Erhabenheit der Malerin Vija Celmins. In Eurozine beklagt John Palattella den Niedergang des amerikanischen Essays, dessen Versuchsform strikter Ideologietreue weichen musste. In Elet es Irodalom fragt sich der Rechtssoziologe Zoltán Fleck, was nach Orban kommen kann. Die New York Times berichtet über die systematische Verfolgung der Uiguren.
The Atlantic (USA), 19.11.2019

Ach was, die Zeiten waren schon mal viel gefährlicher, wischt Adam Sewer diese Befürchtungen vom Tisch. Er sieht eine ganz andere Gefahr: Dass die Angst vor Gewalt zu schwächlichen Kompromissen führt, unter denen dann Schwarze und Latinos zu leiden haben. Als Beispiel nennt er die Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Damals setzten die Demokraten (die damals auf der Seite der Sklavenhalter standen) alles daran, Schwarze weiter unter der Fuchtel zu halten. Die Republikaner hielten anfangs dagegen, gaben dann aber - um des lieben Friedens willen - in wesentlichen Punkten auf. "Die Kapitulation der Republikaner stellte die Zivilität zwischen den großen verfeindeten Parteien wieder her, aber der politische Burgfrieden verbarg einen entsetzlichen Anstieg der Gewalt gegen befreite Sklaven. 'Während sich die Parteien eindeutig aus der Konfrontation miteinander zurückziehen, gab es eine Entfesselung massiver suprematistischer weißer Gewalt im Süden gegen Afroamerikaner und eine systematische Kampagne ihrer Entrechtung im Süden', erklärte mir die Historikerin Manisha Sinha. 'Das ist eine Zeit, in der die weiße Vorherrschaft praktisch zu einer nationalen Ideologie wird.'"
Einen ganz anderen Punkt macht die aus ärmlichen ländlichen Verhältnissen stammende Historikerin Tara Westover im Interview: Die Spaltung der Menschen verläuft vor allem zwischen Stadt und Land. In den Städten hat die Digitalisierung neue Jobs und Reichtum geschaffen, auf dem Land wurden die alten Industrien demoliert, aber es entstand nichts Neues. "Das sieht man sogar auf der Ebene der Bundesstaaten. Nehmen wir die zwazig ärmsten Staaten, nach mittlerem Haushaltseinkommen, und Sie werden sehen, dass 18 von ihnen sich für Trump entschieden haben. Wenn Sie die 10 reichsten Staaten nehmen, gingen neun an Hillary Clinton. Unsere wirtschaftliche Spaltung verläuft nun fast perfekt entlang unserer politischen Spaltung." Es sei also "schwierig, die Idee zu verteidigen, dass die Demokraten im Allgemeinen die Stimme der wirtschaftlich Entrechteten sind. Vor kurzem haben das Brookings Institut und das Wall Street Journal festgestellt, dass in den Vereinigten Staaten die von Demokraten vertretenen Distrikte für zwei Drittel unseres nationalen BIP verantwortlich sind. Denken Sie einfach mal darüber nach. Es ist unbequem, aber es könnte an der Zeit sein zuzugeben, dass wir als Land einen Kampf zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen führen und das viele von uns auf der linken Seite zu den Besitzenden gehören."
Magyar Narancs (Ungarn), 17.11.2019

Intercept (USA), 18.11.2019

Respekt (Tschechien), 18.11.2019

New York Review of Books (USA), 05.12.2019

Susan Tallman freut sich über den großen Auftritt, den das Met Breuer Museum in New York der 1938 in Riga geborenen amerikanischen Künstlerin Vija Celmins mit einer umfassenden Retrospektive bereitet. Celmins' Kunst ist im Grunde reine Bildlichkeit, meint Tallman, keine Theorie, sondern Sehen und Malen, und zwar eines ohne Fluchtpunkt und ohne Hierarchien: "Celmins wird seit mehr als fünfzig Jahren bewundert, doch fiel es den Kritikern meist nicht leicht, die Eindringlichkeit und anhaltende Kraft ihres Werks zu erklären. In einer Kunstwelt, die lautstarke Behauptungen und die energische Annexion von Wandfläche belohnt, sticht ihre durchdachte, bescheidene Schwarzweiß-Kunst hervor. Während ein Großteil der zeitgenössischen Kunst stolz auf die eigene Kompliziertheit, ja Undurchschaubarkeit ist, sind Celmins Bilder und Zeichnungen von Nachthimmeln und Ozeanen gefällig und auf angenehme Art großzügig, selbst wenn sie sich mit gewichtigen Fragen zu den Mechanismen und Folgen von Repräsentation beschäftigt. All dies macht ihre Arbeiten schwer fassbar in der gegenwärtigen Kunstsprache. Wenn man etwa ihre Paarung identischer Steine betrachtet, kommt einem nicht das Word Simulacrum in den Sinn, sondern Erhabenheit."
Weitere Artikel: Recht spöttisch bemerkt David Graeber, wie in der Ökonomie die Grundfesten der Theorie erschüttert werden, ohne dass sich Ökonomen davon beirren lassen: "Seit der Rezession von 2008 haben Zentralbanken wie verrückt Geld gedruckt, um Inflation zu erzeugen und die Reichen dazu zu bringen, etwas Sinnvolles mit ihrem Geld anzufangen. Mit beidem waren sie erfolglos. Wir leben jetzt in einem völlig anderen ökonomischen Universum als vor dem Crash. Sinkende Arbeitslosigkeit treibt nicht mehr die Löhne nach oben. Geld zu drucken verursacht keine Inflation. Doch die öffentliche Debatte und die Weisheiten der Lehrbücher bleiben nahezu unverändert." In einer herben Attacke auf Generationen von Architekten, die das New Yorker Moma immer planloser ins Megalomane ausbauten, erinnert Martin Filler an den Ursprungsbau von Philip L. Goodwin und Edward Durell Stone. Der sei zwar kein architektonisches Meisterwerk gewesen, gründete aber auf einer grandiosen Idee: Nach all den europäischen Königspalästen und der diesen nachempfundenen Nationalgalerie die Ausstellung von Kunst zu demokratisieren.
Eurozine (Österreich), 14.11.2019

New York Magazine (USA), 12.11.2019

Eldiario (Spanien), 12.11.2019

Quietus (UK), 15.11.2019

Elet es Irodalom (Ungarn), 15.11.2019

New York Times (USA), 16.11.2019

Außerdem: Das Magazin der Times bietet ein superschick aufgemachtes Dossier zur Lage des Internets, das allerdings kaum neue Informationen unterhält. Sehenswert sind die Illustrationen, Videos und Fotos von Maurizio Cattelan und Pierpaolo Ferrari.
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