Magazinrundschau
Der Vertraute der Schönheit
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
12.11.2019. Der New Yorker betrachtet die Zwillingsexplosionen des Populismus rechts und links des Atlantik. In La Regle du Jeux erinnert sich Adam Gopnik an Philip Roth. In der London Review möchte Christopher Clark weder seine eigenen spirituellen Affinitäten zu Hitler erkunden noch die von Karl Ove Knausgard. In Magyar Narancs gibt László Krasznahorkai Einblick in seinen Schreibprozess. Der Film-Dienst starrt auf 24 Filme die Woche. Und in der New York Times fragt Rachel Cusk, wer die Frau als Künstlerin ist.
New Yorker (USA), 18.11.2019

Außerdem: Der Schriftsteller Michael Chabon erzählt vom Sterben seines Vaters. Eliza Griswold berichtet über Krisenzentren für ungewollt Schwangere in Indiana, seitdem es kaum noch Abtreibungsmöglichkeiten gibt. Margaret Talbot setzt Hoffnung auf die noch von Obama eingesetzte Supreme-Court-Richterin Elena Kagan. Anthony Lane sah im Kino James Mangolds "Ford v Ferrari" mit Christian Bale und Matt Damon
La regle du jeu (Frankreich), 08.11.2019

London Review of Books (UK), 11.11.2019

Rosemary Hill huldigt dem Kolumnisten und großen Spötter Auberon Waugh, der nichts so lächerlich fand wie Journalisten, die sich selbst als vernünftigen Teil des politischen Betriebs betrachteten. Waugh wollte keine Politik ernstnehmen, die solch frivole Gestalten wie Jeremy Thorpe hervorbrachte (der einen Aufträgsmörder auf seinen früheren Liebhaber ansetzte). Hill verteidigt ihn auch gegen seine große Verächterin und journalistische Gegenspielerin Polly Toynbee, die ihm noch 2001 in ihrem Nachruf vorwarf, ein reaktionärer Snob zu sein, ebenso leichtfertig wie Boris Johnson. Dagegen meint Hill: "Waugh und Johnson waren, wie ihre politischen Karrieren zeigen, grundverschieden. Johnson wollte Macht, Waugh misstraute ihr, er wollte sie unterminieren und hielt Leichtfertigkeit für das beste Mittel dazu... Um erahnen zu lassen, was er in seiner Kolumne heute schreiben würde, ist hier sein Eintrag vom 2. Juli 1982: 'Nahezu 2.000 Leser haben meinen Rat in der Frage erbeten, ob Prince William von Wales beschnitten werden sollte. Das ist keine einfache Frage. Es hängt alles davon ab, was für eine Monarchie die Menschen wollen... Vielleicht sollte es zum Gegenstand eines nationalen Plebiszits werden, wie das Referendum über den Gemeinsamen Markt. Wir brauchen etwas um uns bei Laune zu halten, jetzt da der Falklandkrieg vorbei ist.'"
Magyar Narancs (Ungarn), 06.11.2019

Film-Dienst (Deutschland), 08.11.2019

Aktualne (Tschechien), 11.11.2019

Quietus (UK), 12.11.2019

Eurozine (Österreich), 12.11.2019

Public Domain Review (UK), 08.11.2019

In einem wie stets auf Public Domain Review reich und wunderbar bebilderten Essay erinnert Rhonda K. Garelick an die Tänzerin Loie Fuller, die "elektrische Fee", die mit ihren Stoffserpentinen-Tanzchoreografien die Salons im 19. Jahrhundert faszinierte, später aber weitgehend in Vergessenheit geriet. Während sie ihre weißen Tücher fliegen ließ, "tauchten rotierende, bunte Spotlights die seidenen Bilder in eine Vielzahl tief-gesättigter Juwelenfarbtöne. Das Publikum sah keine Frau, sondern ein gigantisches Veilchen, einen Schmetterling, eine gleitende Schlange und eine weiße Ozeanwelle. Jede Form erhob sich mühelos in die Lüfte, wirbelte freundlich in den Pool sich abwechselnder Regenbogenfarben, blieb in der Schwebe und schmolz schließlich dahin, um einer neuen Form Raum zu geben. ... Aber Fuller war ein unwahrscheinlicher Kandidat dafür, ein Star zu werden. Sie hatte keine formale Ausbildung und brachte, offen gesagt, wenig natürlich Grazie mit. Nichts an ihr entsprach einem Showgirl. ... Ihr rundes Gesicht, ihre großen blauen Augen und ihr kurzer, kräftiger Körper verliehen ihr eher die Anmutung eines Engelchens als einen sinnlichen Anblick. ... Anders gesagt: Fullers Startum griff in nichts auf den sexuellen Glamour zurück, der den Appeal weiblicher Performancekünstlerinnen bis zum heutigen Tag üblicherweise umgibt. Fuller gelang es sogar, offen lesbisch zu leben, ohne deswegen Aufsehen oder Missbilligung zu erregen." BR-Klassik hat ein Feature über Fuller online, einen Eindruck der Tänze vermitteln diese frühen Filmaufnahmen von Thomas Edison:
Elet es Irodalom (Ungarn), 08.11.2019

New York Times (USA), 10.11.2019

Außerdem: In der Book Review denkt die Autorin Leslie Jamison über den Kult der traurigen, selbstzerstörerischen Frau in der Literatur nach. Sie selbst war in ihren Zwanzigern auf diesem Trip, ihre Lieblingsheldin war Jean Rhys' Sasha in "Good Morning, Midnight". Sasha Sasha versucht sich in einem billigen Pariser Hotel zu Tode zu trinken, getrieben von ihrer verlorenen Jugend, fehlgeschlagenen Affären und dem Geist ihres Babys, das mit fünf Wochen starb, so Jamison. Heute erträgt sie die "weinerliche Passivität" und das Selbstmitleid dieser Heldin kaum noch und stellt lieber eine Reihe von Autorinnen vor, die über das Glück schreiben: Chris Kraus, Kathleen Stewart und vor allem Maggie Nelson.
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