Magazinrundschau - Archiv

Film-Dienst

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Magazinrundschau vom 12.03.2024 - Film-Dienst

Helke Sander zählt zu den wenigen Autorenfilmerinnen, die aus dem Jungen Deutschen Film hervorgegangen sind. Berühmt wurden jedoch andere Filmemacher aus diesem Zusammenhang - trotz zahlreicher Verdienste, derer sich Sander rühmen kann. Aktuell läuft Claudia Richarz' Porträtfilm "Helke Sander - Aufräumen" im Kino - ein Anlass für Bettina Hirsch, in einem Gespräch mit Sander auf deren Arbeit zurückzublicken. 1981 erhielt die Regisseurin für ihren Film "Der subjektive Faktor" den Produzentenpreis in Venedig und in Berlin 1985 für "Nr 1. Aus Berichten der Wach- und Patrouillendienste" den Goldenen Bären für den besten Kurzfilm. Doch während sich für Männer nach Auszeichnungen auf großen Festivals oft Türen öffnen, blieben diese für Sander meist verschlossen: "Filmförderungen und Produktionsfirmen standen trotz der Preise nicht Schlange, und von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen konnte keine Rede sein. Alle Filmemacherinnen, mit denen wir uns unterhalten haben, machten die gleichen Erfahrungen. Wenn wir Erfolg hatten, bekamen wir gleich eine Strafe dafür. Die Finanzierungen dauerten meistens beträchtlich länger als die von gleich erfolgreichen männlichen Filmemachern. Die hatten es auch nicht leicht, aber es stand in keinem Verhältnis. Wir haben uns untereinander organisiert. Daraus folgte dann die Gründung des Verbandes der Filmarbeiterinnen. Ich habe einige meiner Filme selbst produziert, obwohl ich eine bessere Regisseurin bin. Gute Produzenten sind im Filmgeschäft Gold wert. ... 'Nr. 1 - Aus Berichten der Wach- und Patrouillendienste' war ein selbstproduzierter Film und hat trotz des Goldenen Bären bei der Finanzierung anderer Projekte nicht weitergeholfen."

Magazinrundschau vom 13.02.2024 - Film-Dienst

"Barbie" war kein feministischer Film und dass es so etwas wie einen feministischen Blockbuster geben kann, sei ohnehin anzuweifeln. Mit solchen Positionen geht die Filmemacherin Jutta Brückner im großen Filmdienst-Essay nochmal ins Gericht mit dem großen Kinophänomen des letzten Sommers. Dem ganzen Hype liege ein fundamentales Missverständnis, eine nur oberflächliche Lektüre feministischer Filmtheorie zugrunde: "Als Laura Mulvey den Begriff des 'Male Gaze' prägte, hat sie damit nicht gemeint, dass er eine biologische Kategorie ist, über die man qua Geschlecht verfügt. Er ist ein ästhetischer Code, die Bestätigung des männlichen Herrschaftsanspruchs durch die Etablierung eines dramaturgischen Modells, das den Blick so lenkt, dass eine Fetischisierung der Frau entsteht. Der Begriff des 'Male Gaze' ist heute omnipräsent, hat aber seine präzise Bedeutung verloren. Das gleiche gilt für den 'Female Gaze'. Heute wird das Recht und die Notwendigkeit, dass überall auf der Welt Frauen filmisch ihre eigenen Geschichten erzählen können, oft als 'Female Gaze' benannt. Das kann auch in den bekannten filmischen Formen geschehen und ist umso notwendiger, je stärker man sich um politische Wirksamkeit bemüht. Etwas anderes aber ist es, über einen 'Female Gaze' als einer feministischen Bildsprache nachzudenken, die sich mit der Entwicklung anderer erzählerischer Möglichkeiten aus der Sicht von Frauen beschäftigt. Laura Mulvey hat ihr Konzept an den Filmen des klassischen Hollywoods entwickelt und die Möglichkeiten einer Filmsprache von Frauen im Experimentellen gesehen. ... Der kommerzielle Film hat seitdem vollkommen neue Möglichkeiten der Immersion und Überwältigung entwickelt, die man sich damals noch gar nicht vorstellen konnte. Wir erleben heute das Aufeinanderzuwachsen aller audiovisuellen Narrationen, unabhängig von Ort, Trägermaterial und kultureller Praxis, zu einer 'filmischen Metasprache' (Georg Seeßlen). Wenn wir uns dieser Herausforderung stellen, wäre es gut, sich wieder an die Diskussionen der 1980er-Jahre zu erinnern. Sie würden uns helfen, die Schlagworte von 'Male Gaze' und 'Female Gaze' neu mit Sinn zu füllen. Von Wim Wenders stammt der Satz, dass die Geschichte des Kinos von kleinen Filmen geschrieben wurde, auf denen keine Last lag. Von Filmen, die unter dem Radar entstanden sind. Vielleicht, und diesen Zweifel meine ich ehrlich, käme dabei heraus, dass ein feministischer Blockbuster ein Oxymoron ist."

Magazinrundschau vom 23.05.2023 - Film-Dienst

Wenn Lars Henrik Gass, der Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, das Wort "Filmbildung" hört, wie es die Kulturpolitik gerne im Munde führt, rechnet er mit nichts Gutem, wie er in diesem Essay darlegt. Jedenfalls nicht damit, dass Menschen sich Gedanken über Filme machen oder mit Filmen gar ins Denken geraten, wie es etwa bei den von den Fernseharchiven sehr stiefmütterlich behandelten Fernsehbeiträgen von Peter W. Jansen der Fall war. Und ganz sicher geht es der Politik auch nicht darum, jungen Menschen Rahmenbedingungen zu schaffen, um sich spielerisch und auf eigene Faust einen Reim auf die Filmgeschichte zu machen: "Seit von Filmen, die Denken erlauben, in Fernsehen wie Kino nichts übrig geblieben ist, ist von Filmbildung liturgisch die Rede. ... Schutzbefohlene müssen nun 'umfassende Medienkompetenz' erlernen und 'Kompetenzerwartungen' entsprechen, wie die Vision Kino (GmbH Netzwerk für Film- und Medienkompetenz) in der Sprache des Unmenschen anordnet." Dabei "gibt es am Kino nichts zu lernen. Man müsste im Kino vielmehr die Möglichkeit vorsehen, nichts zu lernen, die Möglichkeit, nicht mitzumarschieren. ... Progressiv am Kino war, mediengeschichtlich wie gesellschaftlich gesehen, dass Bildung nicht nötig war, um Zugang zu einer fremden, sprachlosen Welt zu erlangen, die weder durch Kultur noch Schule vertreten wurde und nicht nur jenen wenigen vorbehalten war, denen Voraussetzungen vererbt sind. Man musste im Kino nichts wissen; es war voraussetzungslos." Dies "war radikal neu am Kino. Und das haben die Bildungseliten dem Kino niemals verziehen. Die Kunst schaut heute noch aufs Kino herab, Kulturbürger rümpfen die Nase vor dem Kino, wie wenn sie an einem Obdachlosen vorbeigehen. Jetzt muss Filmbildung wie mit dem Rohrstock noch den Kleinsten Lust und Neugier auf etwas nehmen, das sich nicht verwerten lässt, auf Entdeckung und Anderssein, also auch verstörende Erfahrung und Abweichung, indem man sie Einstellungsgrößen und Begriffe sinnlos pauken lässt und so ins autoritäre Denken und die Auswertung der Filme einübt."

Magazinrundschau vom 15.11.2022 - Film-Dienst

Im Gegenwartskino bildet sich mehr und ein Gegenwurf zum anthropozentrischen Kino heraus, beobachtet Patrick Holzapfel in einem Essay für den Filmdienst anlässlich des Kinostarts von Michelangelo Frammartinos Höhlenfilm "Il Buco" (mehr dazu in unseren Resümees hier, dort und auch da). Er nennt diese Tendenz "tellurisches Kino", also ein der Erde zugewandtes Kino, das gängigeren Formen folgenden Filmen "etwas entgegen setzt, was keine Hierarchien zwischen den Dingen, den Tieren, den Pflanzen und den Menschen zulässt. Die Rede ist von einem Kino, dass frei nach Donna Haraway dem Denken über die menschliche Überlegenheit, dem felsenfest in der westlichen Philosophie verwurzelten Glauben an Individualismus widerspricht. ... Die Aufmerksamkeit der Filmemacher verschiebt sich. Schmelzender Schnee oder raschelndes Laub werden mindestens genauso wichtig wie ein Lächeln oder ein letzter Seufzer. Statt einer an Bildungsroman oder Heldenreise geschulten narrativen Vorwärtsbewegung, drehen sich die Filme zyklisch mit dem ständigen Kommen und Gehen, das all dem, was wächst, gedeiht und vergeht, näherkommt. ... Es geht um die Erfahrung von Zeit und Raum, wie sie nur das Kino vermitteln kann." Etwa, "wenn die Höhlenforscher bei Frammartino in die Dunkelheit der Höhle steigen, hüllt sich der Kinosaal in ein überwältigendes Schwarz, die Erfahrung des Unbekannten, das Tasten, Horchen, die Enge, all das weiß 'Il buco' mit einer geradezu hypersensitiven Wahrnehmung aufzuschnappen. Die Aufmerksamkeit wird gelenkt, damit sie das wahrnimmt, was sie sonst übersieht. Das, was Gilles Deleuze einmal als Zeitbild beschrieb, wird in diesem Kino vertieft."

Magazinrundschau vom 09.08.2022 - Film-Dienst

Filmförderung in Deutschland - eine Geschichte direkt aus dem Tal der Tränen. Wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass diese Förderung heute vor allem ein kommerziell ausgerichtetes Kino am Leben erhält, das sein vorrangiges Ziel - Erfolg an den Kassen - regelmäßig weit verfehlt, auch künstlerisch wenig zustande bringt und auf internationalen Festivals schon gleich gar nicht gefragt ist? Diese Frage versucht Daniel Kothenschulte mit einem großen zweiteiligen Artikel zu erklären, von dem bislang zwar nur erste Teil online steht. Dieser ist als an Fakten reicher, historischer Abriss aber auch für sich schon lesenswert. Die gängige Vorstellung ist ja, dass die Filmförderung einst als eine Art Selbstbedienungsladen des Neuen Deutschen Films erfunden wurde - künstlerisch wertvoll, aber fernab des Publikumszuspruchs. Diese Form besonderer Zuwendung hatte allerdings nur ein kurzes Zeitfenster Mitte der Siebziger bis in die frühen Achtziger. In der ersten Phase der Filmförderung von 1967 bis 1974 war vor allem die Altbranche zwischen Paukerkomödie und Lustspielen Nutznießerin der neuen Geldtöpfe: "Nach der ersten Gesetzesfassung operierte die FFA als eine reine Referenzfilmförderung. Die Referenzfilme mussten Brutto-Einnahmen von 500.000 DM vorweisen können, falls sie ein Prädikat oder einen Preis bei einem A-Festival erhalten hatten, reduzierte sich dieser Betrag auf 300.000 DM. Eine Schlüsselrolle kam dem Fernsehen zu. Die FFA sollte die TV-Rechte aller geförderten Filme für je 100.000 DM erwerben und sie an die Sender zum gleichen Betrag wieder veräußern. Das aber war mehr als das Doppelte dessen, was dort üblicherweise für Spielfilmankäufe bezahlt wurde. Durch den überhöhten Betrag sollten die Fernsehanstalten ihrerseits die Filmindustrie fördern. Das nützte den Altproduzenten und verdankte sich einer intensiven Lobbyarbeit der Filmtheaterbesitzer. Den Regisseurinnen und Regisseuren des Neuen Deutschen Films hingegen schadete diese Regelung, da sie ja bereits in aller Regel mit Geldern der Fernsehanstalten arbeiteten, die sich dafür die TV-Rechte sicherten. So konnten sie eine der Bedingungen des ersten FFA-Gesetzes gar nicht erfüllen."

Magazinrundschau vom 19.07.2022 - Film-Dienst

Genug vom Natürlichen, Schönen und Interessanten: Shinji Aoyamas "Eureka"

Als der japanische Autorenfilmer Shinji Aoyama im März dieses Jahres starb, nahmen die hiesigen Feuilletons kaum Notiz davon. Überhaupt blieb er hierzulande trotz vieler beeindruckender Filme wenig beachtet, immerhin lief sein Vierstünder "Eureka" aus dem Jahr 2000 auch in den deutschen Kinos. Lucas Barwenczik reicht die verdiente Würdigung in Form eines großes Essays über die Filme des Japaners nach, der in seinem Werk explizit einen Anschluss an das französische Autorenkino suchte. "Sein Kino ist eines der Latenz, der Echos und der Nachbeben. Es wächst aus den Trümmern der 'Bubble Economy' der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre hervor. Aoyama blickt zurück auf die Katastrophen der Jahrhundertmitte und antizipiert so auch die des frühen 21. Jahrhunderts." Sein "Kino ist oft ein Gegen-Kino. Er schreibt von sich, dass er genug habe 'vom Natürlichen, Schönen und Interessanten'. Seine Verweigerung gegenüber der natürlichen Schönheit Japans muss fast zwangsläufig politisch gelesen werden; die Faszination für die einzigartige Landschaft Japans wurde immer als wichtige Grundlage von Patriotismus und Expansion des Kaiserreichs analysiert. Etwa von der Medienwissenschaftlerin Sharon Hayashi oder dem Filmemacher Nagisa Oshima, der in seinem Aufsatz 'Verbannt das Grün' über die Japaner erklärte: 'Sie haben noch keine Landschaft hervorgebracht, die genügend Kraft hätte, der Realität die Stirn zu bieten.' Während er den kitschigen Naturbildern des alten Japans Betonwände, scharfe Kanten und aufleuchtenden Quecksilberdampf entgegenstellen wollte, also eine neue Künstlichkeit, machte es sich Aoyama zur Aufgabe, die Landschaften zwar direkt zu filmen, sie aber ihrer verführerischen Schönheit zu berauben. Er entsättigt ihr Grün, setzt sie zwischen ärmliche Hütten und Wohncontainer, begreift sie nicht mehr als Ressource für Haikus und andere Poesie, sondern als leere Leinwand. Als Bühne einer No-Future-Generation."

Magazinrundschau vom 15.03.2022 - Film-Dienst

In einem seine Gedanken behutsam verfertigenden Essay meditiert Patrick Holzapfel über Herausforderungen und Risiken des Filme-Sammelns - ob nun im Sinne historischer Archive mit institutioneller Anbindung oder privat, wenn digital versierte Hardcore-Cinephile noch die entlegensten Ecken des Internets leersaugen und stapelweise Festplatten horten. Illusionen lässt er gar nicht erst aufkommen: "Der Großteil der Filmgeschichte ist verloren oder wird verlorengehen", jegliches Archivieren bildet immer nur den Stand des Überlieferten ab - und jede Entscheidung für einen Film ist immer auch eine gegen einen anderen. Auch den Gestus mancher Kritiker, die Übersehenes als Neu-Entdeckung anpreisen, beobachtet er skeptisch. "Was man vielmehr überwinden müsste, sind die festgefahrenen Lesarten der Geschichte. Das geht immer noch am besten, wenn man sich mit der Geschichte befasst", wie es ihm eine während des ersten Lockdowns leidenschaftlich geführte, aber seitens des Silicon Valley natürlich längst geschlossene Facebook-Gruppe von Online-Cinephilen vor Augen führte, die sich gegenseitig ihre Archive illegal zugänglich machten. "Wie man dazu steht, sei offengelassen; dass diese Gruppe aber eine schon seit Jahren gängige Praxis in einer kollektiveren Form sichtbar machte (inklusive zahlreicher Berichte in der internationalen Presse) und gängige Modi des individuellen oder institutionellen Sammelns hinterfragte, steht außer Zweifel. Hier wurde das Sammeln seinem Wortstamm nach als kollektive Tätigkeit verstanden. Statt Besitz ging es um Austausch. Dieser Austausch sichert das objektlose Fortleben dieser Arbeiten." Netzwerke wie diese "bleiben eine Form von Piraterie; sie beherbergen aber ein quasi utopisches Versprechen, in der sich Filme, wie Jean-Luc Godard es zum Beispiel schon lange fordert, von den Zwängen geistiger Urheberschaft lösen. ... Im besten Fall befruchten sich die beiden Felder, wie sie es wahrscheinlich sowieso schon lange tun, denn kaum eine ernsthafte Filmkuratorin wird heute ohne illegale Kanäle arbeiten. Anders ist die eigentliche Filmgeschichte auch gar nicht zugänglich."

Magazinrundschau vom 01.02.2022 - Film-Dienst

In einem großen Essay befasst sich Esther Buss mit der Art, wie Jean Eustache in seinen Filmen autosoziobiografisch erzählt, und erblickt dabei Parallelen und Widersprüche zum aktuellen autofiktionalen Schreiben: "Wenn Eustache von sich selbst spricht, trifft er allgemeingültige Aussagen; im Sprechen aus der ersten Person neutralisiert sich das Ich. Vor dem Hintergrund des in jüngerer Zeit viel besprochenen Felds der literarischen Autofiktion beziehungsweise Autosoziobiografie gewinnt sein Werk neue Konturen. ... Annie Ernaux, nur zwei Jahre nach Eustache geboren, spricht über sich selbst meist mittelbar, gebrochen in der Erinnerung an Rituale, an Sprache, Gesichter und Objekte. In ihrem Mutterporträt 'Eine Frau' schreibt sie, dass sie nach einer Wahrheit suche, die nur durch Worte gefunden werden könne, gleichzeitig wolle sie unterhalb dessen bleiben, was gemeinhin als Literatur gelte. Wie Eustache in seinen Filmen durchmisst sie die Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart und versucht dabei 'etwas von der Zeit retten, in der man nie wieder sein wird' - ohne sich darin neu einzuschreiben. Ohne sich zu versöhnen. Eine Nähe findet sich auch in ihrem Blick auf die Gnadenlosigkeit sozialer Determinismen. Gleichzeitig ist Ernaux' Perspektive so dezidiert weiblich wie die von Eustache männlich. ... Zu den gängigen autosoziobiografischen Narrativen verhalten sich die Filme von Eustache jedoch eher antagonistisch. Auch wenn er seinem Schicksal in der Provinz entkam und als ein in Paris lebender Filmemacher in ein anderes soziales Milieu hinüberwechselte (die Mittellosigkeit sollte ihm bleiben), erzählt er seinen eigenen Lebensweg nicht als Loslösung von der eigenen Herkunft, als Klassenwechsel. Seine Sicht auf die Möglichkeiten sozialer Mobilität ist von Grund auf pessimistisch. Während Erzählungen wie Didier Eribons 'Rückkehr nach Reims' oder auch Annie Ernaux' 'Die Scham' bei allen schmerzhaften Erfahrungen letztlich Auf- und Ausstiegsgeschichten sind."

Magazinrundschau vom 07.12.2021 - Film-Dienst

In einem großen Essay befasst sich Patrick Holzapfel mit Mode und Film - dem Verhältnis zwischen beiden und der gemeinsamen Geschichte. "Ohne Mode hätte es manches Gesicht im Kino nie gegeben. Zwar ist die Geschichte der Mode, die auf die Renaissance zurückgeht, deutlich älter als jene des Kinos; trotzdem entwickelten sich beide parallel ab dem späten 19. Jahrhundert, als Industrie und Verbürgerlichung die gesellschaftlichen Entwicklungen maßgeblich beeinflussten. Dabei entsprach man in der Mode zu Beginn elitären Bedürfnissen; die Haute Couture als Kunsthandwerk dominierte. Erst mit den 1960er-Jahren, also just in der Zeit, in der kleinere und leistbare Kameras das Kino teilweise demokratisierten, explodierte Prêt-à-porter ('Haute Couture von der Stange'), und somit fanden beide Branchen ihren Weg in den Alltag des Mainstreams."

Magazinrundschau vom 30.11.2021 - Film-Dienst

In Deutschland spielen die sogenannten "faith based movies" kaum eine nennenswerte Rolle, in den USA bilden diese auf ein gläubiges Publikum zugeschnittenen Filme mittlerweile ein ziemlich lukratives Segment im mittleren Sektor der Produktion, das außerhalb frommer Zusammenhänge allerdings kaum wahrgenommen wird. Für den katholischen Filmdienst hat Martin Ostermann einen Blick in diese Welt geworfen. Gesehen hat er als Tatsachenberichte dargereichte Filme über "die Kraft des Glaubens", in der Dinge geschehen, die man als Wunder auffassen könnte. Übel stößt ihm allerdings die frömmelnde Vehemenz dieser Filme auf: "Die Inszenierung lässt keinen Spielraum für alternative Deutungen des Geschehens. Wer dennoch bestreitet, dass die Ursache der Rettung beziehungsweise Heilung der feste Glaube und ein durch Gott gewirktes Wunder war, wird als entweder blind oder mindestens gefühlskalt dargestellt. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, was eigentlich ein Wunder im christlichen Sinne ist, wird vom Film nicht ermöglicht ... Diese fehlende Vermittlung zwischen Glaubenden und nicht Glaubenden - die in einer pluralen Gesellschaft unbedingt notwendig wäre - kann sogar noch dadurch verstärkt werden, dass andere Haltungen als fehlerhaft oder sogar schädlich verstanden werden, es also zu einer direkten Entgegensetzung kommt. ... Die Art und Weise der Darstellung dieser christlichen Inhalte ist aber nicht nur ein formaler Rückfall in die mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Zeiten der biblischen Monumentalfilme; er wirkt vor allem wie eine Weigerung, sich in einer pluralen Gesellschaft mit kritischen Anfragen an den Glauben und an die biblischen Quellen auseinanderzusetzen."
Stichwörter: Religiöse Filme