"
Barbie" war
kein feministischer Film und dass es so etwas wie einen feministischen Blockbuster geben kann, sei ohnehin anzuweifeln. Mit solchen Positionen
geht die Filmemacherin
Jutta Brückner im großen
Filmdienst-Essay nochmal ins Gericht mit dem großen Kinophänomen des letzten Sommers. Dem ganzen Hype liege ein fundamentales Missverständnis, eine nur oberflächliche Lektüre
feministischer Filmtheorie zugrunde: "Als
Laura Mulvey den Begriff des 'Male Gaze' prägte, hat sie damit nicht gemeint, dass er eine biologische Kategorie ist, über die man qua Geschlecht verfügt. Er ist ein
ästhetischer Code, die Bestätigung des männlichen Herrschaftsanspruchs durch die Etablierung eines dramaturgischen Modells, das den Blick so lenkt, dass eine
Fetischisierung der Frau entsteht. Der Begriff des 'Male Gaze' ist heute omnipräsent, hat aber seine
präzise Bedeutung verloren. Das gleiche gilt für den 'Female Gaze'. Heute wird das Recht und die Notwendigkeit, dass überall auf der Welt Frauen filmisch ihre eigenen Geschichten erzählen können, oft als 'Female Gaze' benannt. Das kann auch in den bekannten filmischen Formen geschehen und ist umso notwendiger, je stärker man sich um politische Wirksamkeit bemüht. Etwas anderes aber ist es, über einen 'Female Gaze' als einer
feministischen Bildsprache nachzudenken, die sich mit der Entwicklung anderer erzählerischer Möglichkeiten aus der Sicht von Frauen beschäftigt. Laura Mulvey hat ihr Konzept an den Filmen des klassischen Hollywoods entwickelt und die Möglichkeiten einer
Filmsprache von Frauen im Experimentellen gesehen. ... Der kommerzielle Film hat seitdem vollkommen neue Möglichkeiten der Immersion und Überwältigung entwickelt, die man sich damals noch gar nicht vorstellen konnte. Wir erleben heute das
Aufeinanderzuwachsen aller audiovisuellen Narrationen, unabhängig von Ort, Trägermaterial und kultureller Praxis, zu einer 'filmischen Metasprache' (Georg Seeßlen). Wenn wir uns dieser Herausforderung stellen, wäre es gut, sich wieder an die Diskussionen der 1980er-Jahre zu erinnern. Sie würden uns helfen, die Schlagworte von 'Male Gaze' und 'Female Gaze' neu mit Sinn zu füllen. Von Wim Wenders stammt der Satz, dass die Geschichte des Kinos von kleinen Filmen geschrieben wurde, auf denen
keine Last lag. Von Filmen, die unter dem Radar entstanden sind. Vielleicht, und diesen Zweifel meine ich ehrlich, käme dabei heraus,
dass ein feministischer Blockbuster ein Oxymoron ist."