Magazinrundschau
Zwei Formen derselben Psychose
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
Vanity Fair (USA), 31.03.2019

Simon van Zuylen-Wood befasst sich mit dem Kampf, den Facebook gegen Trolle und Rassisten führt. "Eine Ironie der Bemühungen, die Plattform zu säubern, liegt darin, dass es sich um ein dem Format inhärentes Problem handelt. Wenn Facebook eine wohlwollende Regierung sein will, warum konzentriert es sich dann auf Polizeiarbeit? Sollte es nicht auch Anreize für gutes Verhalten geben? Im November veröffentlichte Facebook eine Studie von Matt Katsaros und drei Wissenschaftlern, die dieser Frage nachgeht. FB-User, die Nacktbilder oder Hassreden posten, erhalten eine kurze, automatisierte Nachricht, die sie über die Regelverletzung und die Löschung ihrer Inhalte informiert. Katsaros und seine Co-Autoren befragten fast 55.000 Benutzer, die diese Nachricht erhalten hatten. Zweiundfünfzig Prozent fühlten sich nicht fair behandelt, während 57 Prozent sagten, es sei unwahrscheinlich, dass Facebook ihre Perspektive verstehe. Bei denen, die sich fair behandelt fühlten, verringerte sich die Wahrscheinlichkeit erneuter Verstöße. Facebook sollte sich weniger auf die Bestrafung konzentrieren als auf ein System der Verfahrensgerechtigkeit, das die User respektieren und dem sie vertrauen können." Ein schöner Ansatz, aber auch ein bisschen scheinheilig, denn van Zuylen-Wood weiß sicher auch, dass "Verfahrensgerechtigkeit" immer subjektiv ist.
Eurozine (Österreich), 11.03.2019

Außerdem: Man könnte zwar glatt glauben, dass viele Russen, Ungarn und Polen gerade ganz verrückt nach Abschottung in jeder Richtung sind, doch Julia Sonnevend meint, dass jedem Osteuropäer eine Art postsowjetische Angst vor Grenzen und Autoritäten in die DNS geschrieben sei.
Guardian (UK), 11.03.2019

livemint (USA), 21.02.2019

New York Review of Books (USA), 21.03.2019

Paul Starr nimmt noch einmal die Konterkritik gegen Jill Abramsons Medienkritik auf und weist auf die Stärken von "Merchants of Truth" hin, entdeckt aber auch eine bisher eher unterbelichtete Schwäche des Buches: "Der größte Fehler von Abramsons Buch ist, dass es ein allzu beruhigendes Bild des Journalismus bietet. Während ihrer Arbeit daran konnte sie die New York Times und die Washington Post bei einem finanziellen Aufschwung, BuzzFeed und Vice bei einem Aufschwung ihrer redaktionellen Standards beobachten. Die Dinge verbessern sich, so die Tendenz des Buches. In Wahrheit ist die Geschichte dunkler. Die Zeitungen im Land befinden sich weiter im freien Fall, und die digitalen Medien sind kein Ersatz. Seit 2004, so eine Studie von Penny Abernathy von der University of North Carolina, mussten etwa 20 Prozent der Zeitungen schließen, während viele der Überlebenden zu dem geworden sind, was Ken Doctor von Harvards NiemanLab NINOs (newspapers in name only) nennt: Werbedienstleister mit nur wenig lokaler Berichterstattung. Private Equity-Firmen haben viele von ihnen aufgekauft, um die letzten Gewinne aus ihnen zu saugen. Das neue Jahr brachte zudem Entlassungen bei digitalen Nachrichtendiensten wie BuzzFeed und Vice. Auch wenn die Times und die Post den digitalen Wandel erfolgreich meistern, gehören sie zu einer kleinen Gruppe nationaler Nachrichtenunternehmen, die groß genug sind, nennenswerte Aboeinnahmen zu generieren. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der digitale Markt den lokalen oder regionalen Journalismus auf eine dem Print vergleichbare Weise tragen kann." Und Abramsons Bild der Nachrichten ist für Starr auch deshalb zu zahm, weil es die radikale Transformation der Rechten und die sozialen Medien nicht thematisiere. Zur Ergänzung von Abramsons Buch empfiehlt er die Lektüre von "Network Propaganda: Manipulation, Disinformation and Radicalization in American Politics" von Yochai Benkler, Robert Faris und Hal Roberts. Die Autoren, so Starr, beleuchten das neue "Media Ökosystem", indem sie zeigen, wie politische Nachrichten zwischen 2015 und 2018 verlinkt, geliked, geteilt und Falschinformationen verbreitet wurden.
Weitere Artikel: Amy Knight beschäftigt sich mit zwei Dokumentarfilmen und einem Buch über die Ermordung des Putin-Kritikers Boris Nemzow. Claire Messud stellt die mexikanische Autorin Valeria Luiselli vor.
Novinky.cz (Tschechien), 12.03.2019

New Yorker (USA), 18.03.2019

Außerdem: Doreen St. Felix porträtiert den Fashion-Designer Virgil Abloh und seine Mode für Männer. Jia Tolentino stellt die Athleisure-Modemarke "Outdoor Voices" vor. Leo Robson denkt über einen alternativen Literaturkanon mit John Williams an der Spitze nach. Hua Hsu hört Songs von Helado Negro. Und Anthony Lane empfiehlt statt des neuesten Marvel-Films Yuri Norsteins 1979 entstandenen Trickfilm "Tale of Tales":
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 11.03.2019
Die Politikwissenschaftlerin Julia Buxton kann sich nicht vorstellen, dass Venezuelas Opposition über den Sturz von Präsident Nicolás Maduro hinaus Einigkeit in den eigenen Reihen herstellen könnte. Die Parteien sind zersplittert und zerstritten, schreibt sie. Juan Guaidós Voluntad Popular gehöre zu den kleineren Parteien und genieße wegen ihrer Kompormisslosigkeit, ihrer Nähe zu den USA und ihrer elitären Verfasstheit wenig Rückhalt in der Bevölkerung: "Die Unfähigkeit der Opposition, sich zu einigen, ist Teil ihrer grundsätzlichen Schwäche: Sie hat kein klares politisches Projekt, das die Mehrheit der Venezolaner überzeugen könnte. Der Plan País, der in den USA ausgearbeitet wurde und sich auf Leopoldo López' Buch 'Venezuela Energética' stützt, beschreibt zwar detailliert die Missstände der venezolanischen Ökonomie; über die technische Umsetzung der Pläne zur Wiederbelebung der nationalen Wirtschaft gibt er aber wenig Auskunft. Eine Umstrukturierung von Venezuelas Öl-, Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik durch die von Guaidó ohne weitere Diskussionen ernannten Personen aus dem Umfeld der Voluntad Popular wird - ob Maduro im Amt bleibt oder nicht - die Opposition zersplittern. Da Maduro nach wie vor einen Teil der Bevölkerung hinter sich hat, verhindern das Fortbestehen der inneren Spaltungen, der Hang zum Personalismus und eine Politik des 'Jeder für sich und dem Sieger alles' innerhalb der Opposition eine friedliche Einigung über die Zukunft Venezuelas."
Außerdem porträtiert Eric Alterman Elliott Abrams, Donald Trumps Sonderbeauftragten für die "Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela", als amoralischen Erzschurken: "Mit Ausnahme von Henry Kissinger und Dick Cheney lässt sich schwerlich ein US-Amtsträger finden, der mehr zum Einsatz von Folter und Massenmord im Namen der 'Demokratie' beigetragen hat als Elliott Abrams."
American Scholar (USA), 04.03.2019

Elet es Irodalom (Ungarn), 08.03.2019

New York Magazine (USA), 04.03.2019

Außerdem in der aktuellen Ausgabe: Simon van Zuylen-Wood fragt sich, warum sich in Brooklyn und Queens jeder Hipster mittlerweile als Sozialist bezeichnet. Tatsächlich "hat die radikale Linke seit den späten 60er und frühen 70ern keinen solchen Moment mehr erlebt", erklärt der demokratisch-sozialistische Historiker Michael Kazin im flankierenden Interview. "Vielleicht hat dieser Moment sogar noch mehr Potential. Diese frühere Phase war von der Black-Power-Bewegung, der Anti-Kriegs-Bewegung und den Anfängen der schwulen und lesbischen Bewegung bestimmt. Insbesondere die letzten beiden Bewegungen sind bis heute gut aufgestellt. Aber all diese Bewegungen waren eher auf sich bezogene Fragmente als Bestandteil einer größeren, selbstbewussten Linken. Im Gegensatz dazu ist es heute vielversprechend, dass die Linke derzeit offenbar einen Weg findet, sich auf ökonomische Themen zu konzentrieren - den Sozialstaat ausbauen, mehr Gleichberechtigung -, Ziele also, die einen größeren Kreis an Leuten erreichen können."