Peter Handke ist der "stärkste, erfinderischste Schriftsteller" in der deutschen Literatur seit Günter Grass. Aber soll man ihm deshalb seine Bewunderung für
Milosevic verzeihen? Nein, findet Michael McDonald in einem Essay (leider nicht online) und zitiert leicht bitter Günter Grass, der fand,
Genie sei keine Entschuldigung für gefährlichen Unsinn. Aber vielleicht ist Handke ja auch gar kein Genie? Denn der Wahrheit, so McDonald, kommt seine romantische Auffassung vom Schreiben auch nicht nahe. "Indem er sich mit chirurgischer Präzision auf
physische Details des Lebens konzentriert, kann Handke ein entsetzliches Bild der mechanischen Dumpfheit alltäglicher Routine zeichnen. Aber beschreibt er damit das
wirkliche Leben? Literatur ist viele Dinge, aber sie wäre unsere Aufmerksamkeit nicht wert, wenn sie nicht etwas mit menschlicher Psychologie zu tun hätte - der Handke eindeutig zu entkommen wünscht. Literatur, die ausschließlich von den äußeren Formen des Lebens handelt, wird repetitiv und
trivial - was oft genug auf Handkes Schreiben zutrifft. Sein Ansehen als Schriftsteller wird kaum überleben, außer in Lehrbüchern. Wer liest (außerhalb eines Studierzimmers)
Robbe-Grillet und andere
nouveaux romanciers, von denen Handke so viel gelernt hat."
Vielleicht würde Handke darauf antworten:
2+2=5. Und auf den
Artikel von
Robert Orsi verweisen. Orsi ist Katholik - und Empiriker. Und weil er beides ist, sehnt er sich nach einem radikalen, einem "reichen" Empirismus des sichtbaren und unsichtbaren Realen. Das unsichtbare Reale, das sind zum Beispiel die
blutigen Tränen einer Madonnen-Statue - peinliche Vorstellung für jeden Protestanten. "Die Herausforderung ist es, weiter zu gehen als bis zu einem 'dies war real in
ihrer Vorstellung', um das Reale - ob es der Heilige Geist bei einem Treffen der Pfingstgemeinde oder die Erscheinung der Heiligen Jungfrau oder die Vision des Paradieses, so bezwingend, dass man dafür tötet - zu beschreiben, wie es seine
Präsenz, seine Existenz und Macht in Raum und Zeit findet, wie es so real werden kann wie ein Gewehr, Steine oder Brot, und wie dann das Reale im Gegenzug als Agent seiner selbst in der Geschichte handeln kann. Ein reicher Empirismus erlaubt es uns, die Bedingungen solcher Kreativität in der Kultur zu erforschen, in der 2+2=5 ist, im guten wie im schlechten, was bedeutet, dass die Summe von 2+2 ebenso Grausamkeit und
Gewalt, kulturelle Auflösung wie auch
kulturelle Erneuerung sein kann."