Magazinrundschau
Überhaupt nicht meine Schuld
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
30.08.2011. Im New Yorker winkt Daniel Mendelsohn Rimbauds Boot zu. Osteuropa widmet sich der Blockade Leningrads durch die Wehrmacht. Seattle Weekly guckt den Anwälten der Pornoindustrie beim Verklagen von Downloadern über die Schulter. In Le Point erklärt BHL, was in Libyen starb und was geboren wurde. Im Espresso versichert Umberto Eco: 230 Euro sind gut angelegt für Athanasius Kirchers "Mundus Subterraneus". HVG ruft dem ungarischen Bürger zu: Heute die Roma, morgen du, wach endlich auf! Die NYT verrät das Geheimnis der amerikanischen Lithiumbatterien-Industrie: Staatsknete und genaues Kopieren.
New Yorker (USA), 29.08.2011

Espresso (Italien), 24.08.2011

Outlook India (Indien), 05.09.2011

Osteuropa (Deutschland), 01.09.2011

Der in Jena lehrende Historiker Jörg Ganzenmüller stellt fest, dass die Blockade lange Zeit kaum Platz in der deutschen Erinnerung fand: In der jungen Bundesrepublik diktierten die alten Wehrmachtsgeneräle die Geschichtsschreibung, in der DDR übernahm dies die an der sowjetischen Heldengeschichtsschreibung orientierte SED: "Während die Schlacht um Stalingrad nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem schillernden Mythos wurde, blieb Leningrad gewissermaßen der Nebenkriegsschauplatz, der er bereits in den Strategien der Wehrmacht und der Roten Armee war. Die hierzulande verbreitete Unkenntnis steht in einem eklatanten Widerspruch zur Tragweite des Ereignisses: Rund eine Million Menschen starben im Zuge der deutschen Belagerung an Hunger und seinen Folgen. Das sind rund doppelt so viele Zivilisten, wie in Deutschland während des gesamten Krieges durch die alliierten Luftangriffe umkamen. Dennoch gelten hierzulande bis heute Stalingrad, Dresden und Hiroshima als die Stadtkatastrophen des Zweiten Weltkriegs."
In einem weiteren sehr interessanten Artikel beschreibt der in St. Gallen lehrende Slawist Ulrich Schmid, wie die Blockade in der sowjetischen beziehungsweise russischen Literatur ihren Niederschlag fand. Erst in jüngerer Zeit, stellt Schmid fest, lösen sich Schriftsteller von Fiktionalisierungverbot und Pathosformeln und erkennen: "Die Menschen opferten sich nicht, sie wurden geopfert."
Seattle Weakly (USA), 10.08.2011

Point (Frankreich), 25.08.2011

Walrus Magazine (Kanada), 01.09.2011

Außerdem: Michael Harris schildert das Leben eines Schwulen dreißig Jahre nach Entdeckung des Aids-Virus'. Timothy Caulfield setzt sich mit dem Stammzellen-Tourismus auseinander.
HVG (Ungarn), 20.08.2011

Magyar Narancs (Ungarn), 18.08.2011

New Statesman (UK), 18.08.2011
Jaron Lanier erinnert sich, wie er mit anderen Hippies Anfang der Achtziger in Silicon Valley landete. "In Sofia Coppolas Film 'Marie Antoinette' gibt es eine Szene, wo ein Gruppe junger Adliger durch einen Ballsaal wirbelt. Ausstattung und Kostüme sind historisch, aber die Musik und das Benehmen kommen direkt aus einem modernen Tanzklub. Es scheint, als wäre eine elitäre Minderheit in der Lage gewesen, einen Zeh in die Zukunft zu stippen, um zu erfahren, was heute normal ist. So ähnlich war es in dem Silicon Valley, das ich in den 1980ern kannte. Die Debatten und Probleme, die heute eine ganze Generation beschäftigen, gab es in Miniatur schon, bevor es das Internet gab."
El Pais Semanal (Spanien), 27.08.2011
Mit großmütigem Common sense kommentiert der - sich selbst so bezeichnende - Agnostiker Mario Vargas Llosa den Papstbesuch anlässlich des katholischen Weltjugendtags in Madrid: "Die Kultur hat die Religion bislang nicht ersetzen können, und von kleinen gesellschaftlichen Gruppen abgesehen wird ihr das auch nicht gelingen. Die meisten Menschen finden Antworten auf die großen Fragen, oder wenigstens das Gefühl, dass es eine höhere Ordnung gibt, deren Teil sie sind und die ihrem Dasein Sinn verleiht, nur durch etwas, was über das Alltägliche hinausweist. Dessen Existenz haben weder die Philosophie noch die Literatur noch die Wissenschaft ihnen bis jetzt rational begründen können. Und so sehr noch so viele glänzende Intellektuelle uns davon zu überzeugen suchen, dass der Atheismus die einzige logische und rationale Schlussfolgerung aus dem Wissen und den Erfahrungen ist, die wir im Lauf der Zivilisation angehäuft haben, wird die Vorstellung eines endgültigen Verschwindens der Religion für den normalen Menschen unerträglich bleiben, der deshalb auch weiterhin im Glauben die unverzichtbare Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tod finden wird. Solange die Religion nicht die politische Herrschaft übernimmt und diese ihrerseits ihre Unabhängigkeit und Neutralität der Religion gegenüber zu wahren versteht, ist Religion nicht nur zulässig, sondern für eine demokratische Gesellschaft unverzichtbar."
New York Times (USA), 28.08.2011

Außerdem: Negar Azimi erzählt von einer koptischen Familie in Ägypten, die sich nach der Revolution unsicherer fühlt als jemals zuvor.
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