Magazinrundschau - Archiv

The New Statesman

164 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 17

Magazinrundschau vom 27.02.2024 - New Statesman

Caspar David Friedrich: Der Wanderer über dem Nebelmeer 
© SHK/Hamburger Kunsthalle/bpk Foto: Elke Walford

Peter E Gordon ist irritiert über seine eigene negative Reaktion auf Caspar David Friedrichs "Der Wanderer über dem Nebelmeer". Nachdem er die problematische politische Rezeption des Werks Friedrichs vor allem während der NS-Zeit nachgezeichnet hat, stellt er klar, dass damit über den künstlerischen Wert des Bildes noch nichts ausgesagt ist: "Das bringt mich zurück zu meiner allergischen Reaktion auf Friedrichs Werk. Diese Reaktion ist nicht politisch, oder vielleicht ist sie noch nicht politisch. Was mich stört, gehört in den Bereich der Kunst selbst. Man achte auf die Körperhaltung des Wanderers, wie er sich dem Nebelsee stellt, und frage sich: drückt diese Figur auch nur einen Hauch von Bescheidenheit aus? Von Verletzlichkeit? Ironie? Leid? Die einzige ehrliche Antwort, die man geben kann, ist, dass die Gesamtheit der Komposition des Gemäldes den Effekt hat, das Subjekt zu panzern und über die Landschaft zu erheben, auf die es blickt. Alles in seiner Haltung, sogar der Wanderstock, der ihm einen dritten Halt auf der felsigen Anhöhe verschafft, vermittelt den Eindruck stoischer Ataraxie oder Unberührtheit. Er fühlt sich nicht bedroht von der Szene, die sich ihm bietet; er ist nicht einmal ein Teil derselben; seine bürgerliche Kleidung akzentuiert den tiefen Abgrund zwischen seiner zivilisierten Subjektivität und der regellosen Welt."

Magazinrundschau vom 20.02.2024 - New Statesman

Will Dunn schreibt über die nach wie vor stabile russische Kriegswirtschaft und britische Unternehmen, die dabei helfen, sie am Laufen zu halten. Es geht vor allem um Putins "dunkle Flotte", die dafür sorgt, dass Russlands Ölexporte steigen anstatt zu fallen. Mitbeteiligt sind bekannte Anwaltskanzleien und Versicherungsuntnehmen: "Anwälte gründen Single-Purpose-Firmen, die nur existieren, um einen Tanker zu kaufen. Die Besitzverhältnisse werden durch 'bearer shares' (wer die Aktienzertifikate besitzt, besitzt die Firma) verschleiert, was es den Anwälten oder anderen Strohmännern ermöglicht, die wahren Besitzer im Verborgenen zu belassen. Finanzielle Regularien würden rigorose 'know your customer'-Prüfungen verlangen, bevor sie ein Konto eröffnen können, deshalb behalten die Anwälte die Gelder in einem Treuhandkonto - das die Käufer und Verkäufer gemeinsam nutzen können. Die Anwaltskanzlei überprüft anschließend die Firma, die sie, wie Fulford-Smith es ausdrückt, 'eine halbe Stunde vorher gegründet habt', und deren Finanzen die Kanzlei selbst verwaltet, und findet - was für eine Überraschung - heraus, dass alles mit rechten Dingen zugeht."

Magazinrundschau vom 06.02.2024 - New Statesman

Der englische Philosoph Thomas Robert Malthus hat nicht den besten Ruf, gilt weithin als Fatalist, dessen These von einer Übervölkerung der Erde und dem anschließenden Niedergang der Menschheit vielen durch die Entwicklung neuer Technologien widerlegt schien. Robert D. Kaplan ist sich da nicht so sicher: "Es besteht kein Widerspruch zwischen der Idee eines Malthusianische Zeitalters und schwindenden Wachstumsraten der Bevölkerung. In absoluten Zahlen wird die Weltbevölkerung von derzeit acht Milliarden Menschen sich weiter vergrößern, bis sie sich irgendwann bei gut zehn Milliarden einpendelt. Irgendwann gegen Ende des 21. Jahrhunderts wird die Menschheit sich zu verkleinern beginnen, was eigene Herausforderungen mit sich bringen wird. All das steht nicht im Zweifel. Die Jahrzehnte, die unmittelbar vor uns liegen, werfen freilich ganz andere Fragen auf. Tatsächlich altern Populationen nicht im Gleichschritt. Der Prozess ist deutlicher sichtbar in Nordamerika, Europa und Ostasien. In Afrika und einem Großteil des globalen Südens ist der Trend längst nicht so ausgeprägt, Jugendüberschuss wird die dortigen Gesellschaften noch für viele Jahre vor Probleme stellen. Nie gab es so viele Menschen auf der Erde, und so viele junge Menschen in den ärmsten Orten. In diesem Malthusianischen Zeitalter entstehen Kettenreaktionen aus Bevölkerungswachstum und Klimawandel, die Erde wird durch jene Fossilen Brennstoffe verschmutzt, die notwendig sind, um den Lebensstandard eines immer größeren Teils der Menschheit anzuheben."

Magazinrundschau vom 12.12.2023 - New Statesman

Bruno Maçães bereist Taiwan und China und unterhält sich mit diversen Politikern und Beobachtern über den Stand des Konflikts zwischen den beiden Lagern. Offensichtlich befindet sich insbesondere Taiwan in einem andauernden Balanceakt: Die faktische Unabhängigkeit von China ist nur solange gesichert, wie sie nicht zu direkt proklamiert wird. Die USA unterstützen die Unabhängigkeitsbemühungen hinter den Kulissen zwar stärker als früher, ein komplett verlässlicher Partner sind sie jedoch nicht. China wiederum drängt rhetorisch immer stärker auf eine Wiedervereinigung. Selbst wie das Land bezeichnet wird, ist Teil der Auseinandersetzung: "Als ich in dieser Woche am Präsidentenpalast in Taipei ankam, bemerkte ich Schilder mit der Aufschrift 'Taiwan National Day'. Laut Verfassung ist der Name des Landes 'Republik China'. So steht es auch auf meinen Visum, und in China wird gemeinhin angenommen, dass eine Namensänderung einer Unabhängigkeitserklärung gleichkommen würde. Wurde ich Zeuge eines entscheidenden Wandels? Vermutlich nicht. Ein Beamter des Außenministerums versicherte mir, dass der Name nicht offiziell ist, sondern lediglich ein branding darstellt. Eine andere Rechtfertigung, die man in Taipei hört, ist, dass 'Republik China' schlicht zu lang ist, 'Taiwan' hingegen ist praktisch und kurz. Als ich Wissenschaftlern und Journalisten in Beijing einige Tage später von diesen Schildern erzählte, waren die Reaktionen ganz anders. Einige waren empört, andere alarmiert. Einige beides. Wieder andere erklärten empört, dass die Schilder nicht verfassungskonform seien, was vermutlich nicht ganz korrekt ist, da es sich schließlich lediglich um Straßenschilder handelt. Noch am verständnisvollsten reagierte ein Wissenschaftler, der die informelle Namensänderung als 'die übliche taiwanesische Salamitaktik' bezeichnete: es gehe darum, die Grenzen langsam und unmerklich zu verschieben, um ja keine Reaktion Chinas zu provozieren."
Stichwörter: Taiwan, China

Magazinrundschau vom 28.11.2023 - New Statesman

Brendan Simms und Charlie Laderman zeichnen die Geschichte des "längsten Hasses" nach - des Antisemitismus. Seine Wurzeln liegen in der Unterdrückung der Juden als einer religiösen Minderheit sowohl in der christlichen als auch in der muslimischen Welt der Vormoderne. Der moderne, verschwörungstheoretisch grundierte Antisemitismus, der im 19. Jahrhundert in Europa entstand, wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts auch zu einem zentralen ideologischen Bestandteil der islamistischen Bewegung. Besonders deutlich wird das in den Gründungsdokumenten der Hamas: "Als die Hamas in den 1980ern entstand, war die Verbindung von europäischem und islamistischem Antisemitismus voll etabliert. Die Gründungscharta zitierte die 'Protokolle der Weisen von Zion' als Beleg für jüdische Weltherrschaftspläne. 'Der weltweite Zionismus' strebt, so die Behauptung der Hamas, 'gemeinsam mit den imperialistischen Mächten' nach einer 'grenzenlosen' Expansion, vom Nil bis zum Euphrat und darüber hinaus. Wie sehr der europäische Verschwörungsantisemitismus die Weltsicht der Hamas prägt, wird in Artikel 22 der Charta ausgeführt. Die 'Feinde' - kurz: die Juden - werden beschuldigt, 'die Medien zu kontrollieren' und 'Revolutionen in verschiedenen Teilen der Welt' angezettelt zu haben, unter anderem in Frankreich und in Russland. Die Juden stecken angeblich hinter dem Ersten Weltkrieg und den Vereinten Nationen, und sie bedienen sich noch anderer Mittel, um 'die Welt zu regieren'. 'Mit ihrem Geld kontrollieren sie die imperialistischen Länder,' behauptet die Hamas, 'und sie stiften sie dazu an, andere Länder zu kolonisieren, um deren Resourcen auszubeuten und Korruption zu verbreiten.' All das hätte 50 Jahre zuvor auch von Hitler und anderen Antisemiten gesagt werden können."

Magazinrundschau vom 14.11.2023 - New Statesman

Lawrence Friedman vergleicht die aktuellen Kriege in Gaza und in der Ukraine und kommt zu dem Schluss, dass im Fall des ersteren ein baldiges Ende eher in Sicht ist. Die Hamas erhält kaum militärische Unterstützung von ihren Verbündeten, während der Druck auf Israel, einem Waffenstillstand zuzustimmen, wächst: "Obwohl Netanjahu monatelange Militäroperationen in Gaza angekündigt hat, wird er auf die Bitten der internationalen Unterstützer Israels nach einem Aussetzen der Operationen eingehen müssen, sobald sie sich in Forderungen verwandeln. Was danach passiert wird davon abhängen, ob die zentralen nicht-Konflikt-Parteien im Westen und in der arabischen Welt bereit sind, nicht nur einen Hilfs-, sondern auch einen Friedensplan auszuarbeiten." In der Ukraine hingegen gibt es an der Front kaum noch Bewegung. Russland hat höhere Verluste, aber auch mehr Nachschub, die ukrainischen Offensiven dieses Jahres waren erfolglos, man hofft höchstens noch auf modernere Waffensysteme. "Ukraine hat kaum eine andere Option als weiterzukämpfen, solange ein Teil des Landes besetzt ist. Russland hat eine andere Option, aber einem Rückzug zuzustimmen würde wie eine Niederlage wirken. Diese Option steht dennoch im Raum. Falls es nicht dazu kommt, ist die beste Hoffnung weder ein militärischer noch ein diplomatischer Durchbruch, sondern eine Situation, in der die beiden Parteien in einen Zustand übergehen, der weder Krieg noch Frieden ist, mit kleinen Schussgefechten und Spannungen und einer Rückkehr zum Alltagsleben abseits der Front. (...) Das ist der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Konflikten: Putin scheint nicht aufgeben zu wollen, aber es ist möglich, sich eine Situation vorzustellen, in der Gaza sich weder unter der Kontrolle der Hamas, noch unter der Israels befindet."

Magazinrundschau vom 07.11.2023 - New Statesman

Die militante islamistische Bewegung ist intern zutiefst verstritten, weiß Shiraz Maher. Auf eines können sich jedoch alle Bewegungen und Fraktionen, von Al-Quaeda über die Hizbollah bis zum IS, einigen - auf ihre Feindschaft mit Israel. Auch die Hamas war von Anfang an in die Geschichte des militanten Islamismus integriert: "Die palästinensische Frage hat schon lange eine wichtige Stelle in der Vorstellungswelt der jihadistischen Bewegung. Die erste Intifada begann nur wenige Monate, nachdem Michail Gorbatschow verkündet hatte, dass sich die Sowjetunion aus Afghanistan zurückziehen wird, was einem überraschenden Sieg für die Mudschahidin gleichkam. Viele der arabischen Kämpfer, die nach Afghanistan gereist waren, um sich dem Kampf anzuschließen, waren von dem charismatischen palästinensischen Gelehrten Abdullah Azzam angeführt worden, der seine Aufmerksamkeit anschließend wieder dem Israel-Palästina-Konflikt zuwandte. Eine ausführliche Studie des Politikwissenschaftlers Thomas Hegghammer (Oxford), hat gezeigt, dass es nicht ganz weit hergeholt ist zu behaupten, dass diese legendäre Figur der modernen Dschihad-Bewegung dem militärische Flügel der Hamas, den Izz al-Din al-Qassam-Brigaden, dabei geholfen hatte, ihre Taktiken zu entwickeln. (...) Auch für Osama bin Laden war Palästina eine Obsession. 1996 veröffentlichte er eine Fatwa, die 'den Amerikanern, die zwei heilige Stätten besetzen', den Krieg erklärte. Das bezog sich auf die beiden heiligsten Stätten des Islams in Saudi Arabien. Eine weitere Fatwa, veröffentlicht zwei Jahre später, verkündete 'eine weltweite islamische Front für einen Jihad gegen Juden und Kreuzfahrer.' Zusammengenommen geben diese beiden Fatwas Aufschluss über die zutiefst verschwörungsideologische Weltsicht der Jihadisten, derzufolge Israel die Vorhut eines umfassenderen jüdisch-christlichen Plans ist, die muslimische Welt zu unterwerfen und zu kontrollieren."

Magazinrundschau vom 24.10.2023 - New Statesman

Der Westen hat die demokratische Standfestigkeit Polens unterschätzt, analysiert David Broder nach der Abwahl der rechtspopulistischen PiS-Regierung. Die hatte sich, führt er aus, zwar tatsächlich daran gemacht, demokratische Institutionen zu demolieren. Aber "das düstere Bild der demokratischen Standards in Polen muss auch die allgemeine Stärke der Zivilgesellschaft und der demokratischen Mobilisierung berücksichtigen. Deren Vitalität zeigte sich an den Wahlurnen: Während in den 1990ern und 2000ern oft weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben (der Tiefpunkt kam im Jahr 2005 mit 40.6 Prozent, und das war auch die Wahl, durch die die PiS erstmals Teil der Regierung wurde), lag die Wahlbeteiligung am 15. Oktober bei über 74 Prozent. Und war damit höher als bei der ersten kompetitiven Wahl 1989, und auch höher als zuletzt etwa in Großbritannien, Frankreich und Italien." Überhaupt ist Polen möglicherweise nicht gar so weit entfernt von den politischen Trends im restlichen Europa, denkt sich Broder. "Das mediale Narrativ, das rechtsautoritäre Tendenzen 'orientalisiert', indem sie der unvollständigen demokratischen Entwicklung des ehemaligen Ostblocks zugeschrieben wird, betrifft nicht nur Polen allein. Im Deutschland werden derzeit die vermeintlich unterentwickelten demokratischen Sitten der früheren DDR-Bürger für den Aufstieg der AfD verantwortlich gemacht. Eine weniger voreilige Analyse würde fragen, warum junge Ostdeutsche deutlich häufiger die AfD wählen als diejenigen, die 1989 bereits erwachsen waren, und auch warum die AfD sogar in den wohlhabendsten westlichen Bundesländern zunehmend erfolgreich ist."

Warum sprechen alle über die Rolle Irans als Unterstützer der Hamas, und niemand über die Rolle Katars, fragt John Jenkins. Selbst Israel hatte die Verbindungen zwischen Doha und Gaza gestärkt, indem Zahlungen aus Katar an die Hamas genehmigt und dadurch die Kontrolle der Terrororganisation über das Gebiet gestärkt wurden - auch in der Hoffnung, dass die politische Spaltung der Palästinenser zwischen Fatah und Hamas deren politische Position insgesamt schwächt. Diese Taktik hatte nun offensichtlich fatale Konsequenzen: "Die Hamas hat sich nicht verändert. Sie steht nicht für die Möglichkeit einer politischen Lösung, sondern für die endlose Fortsetzung des Konflikts. Das wirft die Frage auf, was Katar sich von der Unterstützung der Gruppe erhofft hatte. (...) Israel hätte fragen können, warum Katar derart große Geldbeträge ausgegeben hat, um diverse extrem konservative, oft separatistische und hochgradig spaltende Islamismen in Europa aufzubauen. Es hätte überprüfen können, was genau die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft an Katar durch die Fifa über die Redlichkeit des Regimes aussagt, und was die Cyberattacken auf Katars Kritiker darüber aussagen, wie Doha mit allen umzugehen gedenkt, die die Motive Katars in Frage stellen."
Stichwörter: Iran, Qatar, Hamas, Israel, Polen, PiS-Partei, AfD, Katar

Magazinrundschau vom 10.10.2023 - New Statesman

Lawrence Freedman ist, wie viele derzeit, geschockt von den Hamas-Attacken auf Israel. Wie andere Beobachter fühlt auch er sich an den Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 erinnert, der mit einem überraschenden Angriff Ägyptens und Syriens auf Israel begann. Doch er sieht auch Unterschiede: "Umfang und Art der Angriffe sind begrenzter und terroristischer, wenn man sie mit der Kanalüberquerung und den Vorstößen mit Panzerfahrzeugen im Jahr 1973 vergleicht. Außerdem bekämpft Israel bislang nur einen Gegner, anders als 1973, als es sich nicht auf die Ägyptischen Angriffe konzentrieren konnte, bevor die dringlichere Gefahr von Seiten Syriens behoben war. Das Land ist sich sicherlich bewusst, dass sich das ändern kann, entweder durch ein Anschwellen der Gewalt in der West Bank oder dadurch, dass die Hisbollah den Krieg vom Libanon aus aufnimmt, mit noch tödlicheren Folgen. Ein anderer Unterschied besteht darin, dass der Krieg im Jahr 1973 zur Diplomatie hinführte. Vorher hatten sich alle arabischen Staaten geweigert, Israels Existenzrechr anzuerkennen und Vorschläge für direkte Verhandlungen zurückgewiesen. Der ägyptischen Präsident Anwar Sadat wollte das ändern und nutze seinen Prestigegewinn aufgrund der ersten erfolgreichen Kriegstage dazu, einen Prozess in Gang zu setzen, der mit einem Friedensvertrag mit Israel endete. Woraufhin er, leider, umgebracht wurde. Dem gegenwärtigen Krieg hingegen gingen wichtige Verhandlungen und Durchbrüche in den israelisch-arabischen diplomatischen Beziehungen, besonders was die Golfstaaten betrifft, voraus. ... Der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman besteht weiterhin darauf, dass die palästinensische Frage nicht vergessen ist, aber die Palästinenser haben in der Region nur wenige Freunde, so populär ihre Sache auch bei den einfachen Menschen ist. Die Anschläge wurden vor der jüngsten Phase des saudi-israelischen Dialogs geplant. Da dieser Normalisierungsprozess jedoch schon seit einiger Zeit im Gange ist, ist es möglich, dass ein Motiv darin bestand, ihn zum Entgleisen zu bringen."

Magazinrundschau vom 19.09.2023 - New Statesman

David Broder ist sich nach wie vor nicht sicher, wie Giorgia Melonis Politik sich auf die Dauer gestalten wird. In der Außendarstellung bleibt die italienische Premierministerin oft vage, wobei die Rhetorik langsam schärfer wird, auch aufgrund der Konkurrenz von (noch weiter) rechts: "Melonis Tonfall ist weicher als der Roberto Vannaccis, aber auch sie ruft völkische Diskurse auf. Diesen April wurde ihr Agrarminister Francesco Lollobrigida scharf kritisiert, als er von 'ethnischen Säuberungen' sprach, einem Begriff, der den vermeintlichen Austausch einheimischer Italiener durch Ausländer aufruft. In ihrem Buch schreibt Meloni, dass diese Anschuldigungen gegenstandslos sind, da 'Ethnizität' sich auf 'Kultur' beziehe, nicht auf 'physische' Eigenschaften. Sie fügt hinzu, dass in der Tat 'Pläne' bestünden, die italienische Identität auszulöschen. 'Große ökonomische Mächte' bevorzugten afrikanische Migranten gegenüber Osteuropäern, da sie 'besser dazu geeignet' seien, das Italienertum in einem 'Melting-Pot-Plan, einer Mischung, die verdünnt' aufgehen zu lassen." Wenn es um konkrete Politik geht, bleiben die Konturen hingegen vage: "Abgesehen von formalen Dingen beschäftigt sie sich wenig mit den zentralen Problemen der Gegenwart, auch ihre EU-Politik hat wenig Substanz. Ihre Auseinandersetzung mit Ökologie bringt ein wichtiges Thema in den Fokus: Europa darf nicht mehr so abhängig sein von chinesischen Importen. Ihre 'anti-globalistische' Position bleibt allerdings widersprüchlich, da sie weiterhin auf das Reagan'sche Mantra setzt, demzufolge der Staat sich aus der Wirtschaft herauszuhalten habe."

Außerdem: Auch Quinn Slobodian liest, wie derzeit alle Welt, Walter Isaacsons Elon-Musk-Biografie und außerdem ein Buch Jonathan Taplins über vier Milliardäre der Gegenwart. Er steigt etwas tiefer ins Thema ein und stellt den die Weltwirtschaft revolutionierenden südafrikanischen Unternehmer neben einen seiner Vorgänger: Henry Ford. Es gibt einige interessante Gemeinsamkeiten wie etwa die Vorliebe für Verschwörungstheorien, aber letztlich fällt der Vergleich zuungunsten Musks aus: "Worin sich der Unterschied von Fordismus und Muskismus am deutlichsten zeigt: Musk ging es nie darum, eine Welle auszulösen, die alle Schiffe hebt. Es geht um einen Geysir bestehend aus Raketentreibstoff, der ein einziges Schiff - wortwörtlich ein Raumschiff - in die Höhe wirft und ihn selbst mitsamt seinen (bislang) zehn Sprößlingen weit weg bringt von uns Zombies. Was gut für Tesla ist, ist gut für den Mars, ist gut für Musk. Auf der Privatinsel des Milliardärs Larry Ellison hebt Musk seinen Sohn X Æ A-Xii zu einem Teleskop empor und sagt: 'Schau, das ist, wo wir einmal leben werden.' Die schmerzhafte Ironie dieser angeblich futuristischen Vision besteht darin, dass sie in Wirklichkeit alt und angestaubt ist. Seine Fluchtpläne kehren zu dem Ort zurück, an dem er begonnen hat: die vergilbten Landkarten des Großen Treks der Boers nach Südafrika, mit dem Auftrag, die Nachkommenschaft jenseits der verschwindenden Grenze zu mehren. Wie Taplin im besten Kapitel seines Buchs klarstellt, gibt es keine wissenschaftliche Rechtfertigung dafür, einen Fuß auf den Mars zu setzen. Der einzige Grund bestünde im überwältigenden Verlangen danach, allein zu sein."