Magazinrundschau
Meistens zeichne ich mit dem Daumen
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
30.06.2009. In der französischen Zeitschrift Books erklärt der Philosoph Joaquin Rodriguez Lopez: Das Internet wird unsere Hirne verwandeln. Im Spectator stellt David Hockney seine IPhone-Bilder vor. In der New York Review of Books fordert der Historiker Timothy Snyder einen neuen Blick auf den Holocaust, der nicht in Auschwitz, sondern in den Wäldern Osteuropas begann. In Literaturen erzählt Aleksandar Hemon, wie man eine Lesung vor sechs Zuhörern in einen Erfolg verwandelt. Dawn stellt den Michael Jackson in jedem Pakistani vor. Kein Ritalin für Kinder!, fordert der Sonderpädagogik-Professor Georg Feuser in der Weltwoche. Die NYT begleitet die schwarze Mittelschicht in Detroit bei ihrem Abstieg.
Books | El Pais Semanal | Prospect | Tygodnik Powszechny | Economist | Weltwoche | Spectator | Frontline | Point | New York Times | New York Review of Books | Literaturen | New Republic | Dawn | Polityka | The Nation | Lettre International | Guardian
Books (Frankreich), 25.06.2009

New York Review of Books (USA), 16.07.2009
Der in Yale lehrende Historiker Timothy Snyder spricht sich für eine ganz neue Betrachtung des Holocausts aus, denn Auschwitz als sein Symbol verschließe den Blick davor, dass bis 1943, als die meisten westeuropäischen Juden in die Konzentrationslagern deportiert wurden, bereits zwei Drittel aller Juden in Europa tot waren: "Der zweite bedeutende Teil des Holocaust ist der Massenmord durch Kugeln im östlichen Polen und in der Sowjetunion. Es begann mit den Erschießungen jüdischer Männer im Juni 1941 durch SS-Einsatzgruppen, weitete sich im Juli auf die Ermordung jüdischer Frauen und Kinder aus und zielte im August und September auf die Auslöschung ganzer jüdischer Gemeinden. Am Ende des Jahres 1941 hatten die Deutschen (zusammen mit lokalen Helfern und rumänischen Truppen) eine Million Juden in der Sowjetunion und den baltischen Ländern ermordet. Dies entspricht der Zahl aller Juden, die während des gesamten Krieges in Auschwitz ermordet wurden. Bis Ende 1942 hatten die Deutschen noch einmal 700.000 Juden erschossen, und die jüdische Bevölkerung in der besetzten Sowjetunion aufgehört zu existieren."
Außerdem in dieser Sommerausgabe: J.M. Coetzee - "Summertime" - und Claire Messud - "Land Divers" - haben Erzählungen geschickt. Michael Chabon erkundet die "Wildnis der Kindheit" in den Ostküsten-Städten der USA. Besprochen werden Leslie Gelbs Analyse von Barack Obamas Außenpolitik "Power Rules" und Martin Wolfs bereits 2007 geschriebenes, aber offenbar nicht obsolet gewordenes Buch "Fixing Global Finance" sowie die Bostoner Renaissance-Ausstellung zu "Tizian, Tintoretto, Veronese", die im September auch nach Paris kommt.
Außerdem in dieser Sommerausgabe: J.M. Coetzee - "Summertime" - und Claire Messud - "Land Divers" - haben Erzählungen geschickt. Michael Chabon erkundet die "Wildnis der Kindheit" in den Ostküsten-Städten der USA. Besprochen werden Leslie Gelbs Analyse von Barack Obamas Außenpolitik "Power Rules" und Martin Wolfs bereits 2007 geschriebenes, aber offenbar nicht obsolet gewordenes Buch "Fixing Global Finance" sowie die Bostoner Renaissance-Ausstellung zu "Tizian, Tintoretto, Veronese", die im September auch nach Paris kommt.
Literaturen (Deutschland), 01.07.2009

Weitere Artikel: Eva Menasse befasst sich mit einer ganzen Reihe komischer "jüdischer" Romane. Die Schriftstellerin Silke Scheuermann, derzeit Stipendiatin der Villa Massimo, ist "Mitten in" Rom unterwegs. In der Krimi-Kolumne liest Frauke Meyer-Gosau Petros Markaris' neuen Kriminalroman "Die Kinderfrau". In der Rubrik "Was liest..." kommt Antje Ravic Strubel über einer Pizza unter anderem auf Julie Elias und James Baldwin zu sprechen. Aram Lintzel nähert sich dem Niedlichkeits-Fanatismus der Seite Cuteoverload.com. Als "Bücher des Monats" werden Martin Gecks Kurz-Essay-Band "Wenn der Buckelwal in die Oper geht" und Ma Jians Reisebericht "Red Dust. Drei Jahre unterwegs in China" vorgestellt.
New Republic (USA), 15.07.2009

Außerdem verweist Abbas Milani (mehr hier) auf die politisch-religiösen Wurzeln der Demokratiebewegung, und Eli Lake erzählt, "was unsere Spione nicht wissen".
Dawn (Pakistan), 26.06.2009
Michael Jackson hatte riesigen Einfluss auf die pakistanische Jugend - nicht nur als er selbst, sondern auch in diversen Anverwandlungen, schreibt Huma Yusuf. "Man muss den Pakistanis vergeben, dass sie Michael Jackson verinnerlicht haben, schließlich haben sie immer eine doppelte Dosis Jackson bekommen. Der originale MJ schlug uns in seinen Bann, er verzaubert uns mit seinen Musikvideos und magischen Beats. Aber wir haben ihn wirklich zu einem von uns gemacht, nachdem Bollywood sich das beste, was Jackson zu bieten hatte, angeeignet und ihn damit so desi gemacht hatte wie Tee, Samosa und arrangierte Ehen. (...) Meiner Ansicht nach erhärtete Jackson seinen Status als Superstar, als Amitabh Bachchan einen silbernen Handschuh überstreifte, den Moonwalk versuchte (bei Minute 2.44) und die Damen warnte, 'dance dikhaon ga aisa, Michael Jackson ke jaisa'. 1989 nahm Sridevis MJs 'Bad' und machte es 'badder' mit 'Main Hoon Bad Girl'. 'Thriller' war nie mehr dasselbe, nachdem das tamilische Kino sich rotem Leder zugewandt und ein Goli in das Herz dessen gejagt hatte, was Jacko zum Größten von allen machte."
Polityka (Polen), 29.06.2009

The Nation (USA), 13.07.2009

Außerdem in einer insgesamt interessanten Nummer: Die Schriftstellerin Katha Pollitt findet es doch etwas erstaunlich, dass Barack Obama in der Passage seiner Kairoer Rede über Freuenrechte ausschließlich über das Recht sprach, Kopftuch zu tragen, aber nicht über das Recht es abzulegen. Der iranische Journalist Babak Sarfaraz (Pseudonym) macht sich noch einmal Gedanken über die Khamenei-Rede vom 19. Juni. Und der Kritiker Benjamin Lytal stellt in seinem sehr ausführlichen Artikel Hans Fallada vor.
Lettre International (Deutschland), 01.07.2009

Außerdem: Tzvetan Todorov untersucht das Verhältnis der Avantgarde zur Diktatur (Auszug) und beschreibt auch, wie ihr Fundamentalismus und der Wille, aus dem Nichts zu schaffen, auch den Majakowski und Marinetti zusammengeführt hat: "Die beiden werden sich am 20. Juni 1925 in Paris erneut treffen und zusammen essen. Ihre Dolmetscherin ist beunruhigt: Worüber könnten ein Bolschewik und ein Faschist reden? Das Treffen verläuft jedoch offenbar in einer vollkommen freundschaftlichen Atmosphäre."
Und Philip Gourevitch berichtet aus Ruanda über die schwierige Versöhnungspolitik fünfzehn Jahre nach dem Völkermord. Begegnet ist er etwa dem genocidaire Jean Girumuhatse, der von einem Gacaca-Gericht zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden war und nun in sein Dorf zurückgekehrt ist. (Auszug auf Deutsch, hier das Original aus dem New Yorker als pdf)
Guardian (UK), 25.06.2009

John Harris trauert Lester Bangs, Greil Marcus und anderen großen Musik-Autoren hinterher, die leider von niemandem beerbt wurden. Was aber nicht am Internet und seinen unprofessionellen Bloggern liege: "Dieser Wandel ist, glaube ich, Ausdruck der großen kulturellen Beruhigung, die mit dem Ende des Kalten Kriegs einsetzte, als selbst die interessanteren Aspekte der Pop-Kultur ihren aufständischen Auftrag zu verlieren begannen. Die Tage, da Musik die soziopolitischen Strömungen ihrer Zeit gänzlich verkörpern konnte - da also Rock im Wesentlichen die Pop-Kultur war -, sind vorbei, vielleicht für immer. Die Art neurotischer Großmäuler, die nicht nur Lennon, Bowie, Rotten und andere hervorgebracht hat, sondern auch die edelsten Schreiber von Creem und NME, scheint ziemlich ausgestorben zu sein."
Weiteres: Die pakistansiche Autorin Kamila Shamsie bricht eine Lanze für Google, das sie unter anderem gelehrt hat, wie Nagasaki vor dem Atombomben-Abwurf aussah, wie amerikanische Truppen in Afghanistan kämpfen und wie man eine AK-47 auseinander nimmt. Und Hari Kunzru wandert etwas schwermütig durch die Ausstellung "Radical Nature" im Londoner Barbican Museum.
El Pais Semanal (Spanien), 28.06.2009
Auch Javier Cercas macht sich Gedanken über das Zeitungssterben: "Die Zeitungen sind in der Krise, heißt es, so wie das ganze Land, sie werden verschwinden, oder wenigstens wird es sie so, wie wir sie kennen, nicht mehr geben, sie werden künftig reine Luxusartikel sein - vor allem die Journalisten selbst sagen das. Keine Ahnung - ich weiß nur, dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, eines Tages auf die Straße zu gehen und die Zeitung nicht kaufen zu können. Ich zwinge mich mit einer gewaltigen Anstrengung dazu, es mir trotzdem vorzustellen, und ich sehe mich dabei auf einen Schlag uralt werden und habe das Gefühl, dass das dann zwar nicht das Ende der Welt ist, dass es aber, wenigstens für uns alle, deren Verstand einst mithilfe der Zeitung ins Erwachsenenalter eingetreten ist und die wir, als Schriftsteller, eigentlich viel mehr als durch Homer, Dante oder Shakespeare durch die Zeitungslektüre beeinflusst wurden, das Ende unserer Welt bedeutet."
Prospect (UK), 01.07.2009

Weiteres: John Lloyd hat die eigentliche Titelgeschichte über die verzwickte Lage der BBC verfasst. Kamran Nazeer erkennt in neuen Romanen aus den USA viel ostküstenclicquenhafte Selbstbezüglichkeit - lobt aber Tod Wodicka sehr, der damit nichts zu tun hat. Die Autorin Monica Ali erzählt, wie sie für ihren neuen Roman "In the Kitchen" ausgiebig in Londoner Hotels recherchierte. Einen rachegeschichtengesättigten Cannes-Jahrgang resümiert Mark Cousins. Tom Chatfield stellt den chinesischen Suchmaschinen-Riesen Baidu vor. Edward Marriott lässt sich von Mike Brearley, Ex-Kapitän der englischen Cricket-Nationalmannschaft, heute Psychoanalytiker, erklären, warum es sowohl Cricket als auch die Psychoanalyse in unserer tempoversessenen Gegenwart schwer haben.
Tygodnik Powszechny (Polen), 28.06.2009

Joachim Trenkner fuhr ins deutsch-polnische Grenzland und sieht eine schleichende Revolution - fernab politischer Diskussionen Berlins und Warschaus reift das Bewusstsein für Gemeinsamkeiten, und auch über die teilende Geschichte wird anders gesprochen. "Hausherr zu sein bedeutet auch, die dunklen Kapitel seiner Wohnorte zu kennen", zitiert er den Journalisten und Aktivisten Robert Ryss. "Beschämende oder kontroverse Themen sollten lieber mit eigenen Händen entdeckt werden, weil es sonst jemand auswärtiges macht, vielleicht mit bösen Absichten. Über dunkle Kapitel der Geschichte zu sprechen, schwächt nicht unsere Identität oder unseren Patriotismus, sondern stärkt sie", sagt der Chefredakteur einer Lokalzeitung.
Economist (UK), 26.06.2009

Besprochen werden neue Bücher zur Finanzkrise, ein Band, in dem sich Werner Herzog an die Dreharbeiten zu "Fitzcarraldo" erinnert. Der Nachruf gilt Lord Ralf Dahrendorf. Auf der Titelseite ist übrigens unter der Überschrift "Die geheimnisvolle Frau Merkel" die deutsche Bundeskanzlerin zu sehen - der Artikel dazu ist hier, außerdem noch eine Analyse mit dem Titel "Die Botschaft heißt: Merkel".
Weltwoche (Schweiz), 25.06.2009

Spectator (UK), 26.06.2009

Frontline (Indien), 20.06.2009

Point (Frankreich), 25.06.2009

New York Times (USA), 28.06.2009

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