Magazinrundschau
Er glaubt an Monopole
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
16.09.2008. Süße Rache will Rupert Murdoch an der New York Times nehmen, glaubt Vanity Fair. Der New Yorker beschreibt die schwierige Situation der Putin-kritischen Radiostation Ekho Moskvy. Der Spectator beschreibt die unmögliche Situation der Putin-kritischen inguschetischen Webseite ingushetiya.ru. The New Statesman beschreibt die demnächst lebensgefährliche Situation der Blogger im Iran. Le Monde diplomatique druckt einen nachgelassenen Text von Jacques Derrida über Schurkenstaaten. Outlook India feiert Indiens offizielle Anerkennung als Atommacht. Der Merkur fördert die Freude am X.
Vanity Fair (USA), 15.09.2008

Wie ein Fang-und Versteckspiel mutet der unberechenbare, aus dem Hinterhalt geführte Krieg in den abgelegenen Gebieten Afghanistans an. Reporter und Schriftsteller Sebastian Junger berichtet von den Niederlagen, die US-Truppen trotz militärischer Überlegenheit gegen die Taliban verzeichnen müssen. Dennoch führen die US-Amerikaner ihre Strategie in kleinen Militärbasen fort, um besser in Kontakt mit der Bevölkerung zu gelangen. Junger mutmaßt: "Das ist kein Krieg, in dem Soldaten gefangen genommen werden: Wenn ein Stützpunkt gestürmt wird, wird jeder Amerikaner im Gefecht umgebracht. Verwundete werden auf der Stelle getötet, oder schlimmer. Die Taliban müssen zwar astronomische Verluste hinnehmen, aber sie rechnen damit, dass die amerikanische Öffentlichkeit nach ein oder zwei entsprechenden Zwischenfällen ein Ende der small-base strategy in Afghanistan verlangt".
Außerdem: Sam Kashner verspricht neue Einblicke in Marilyn Monroes sagenumwobene Persönlichkeit. Anlass dazu geben die Fotografien Mark Andersons, die Marilyns geheime Besitztümer dokumentieren. Diese Abbildungen sind jetzt der Öffentlichkeit zugänglich, und der Hype nimmt abermals seinen Lauf.
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 15.09.2008

Tygodnik Powszechny (Polen), 14.09.2008

Die Titelgeschichte (nur im Print) ist der Danziger Werft gewidmet, die ein weiteres Mal in ihrer jüngsten Geschichte - diesmal wegen unerlaubter öffentlicher Subventionen, wie die Europäische Kommission entschieden hat - kurz vor dem Bankrott steht.
The Atlantic (USA), 01.10.2008

Weiteres: James Fallows reist durch den Westen Chinas, zusammen mit zwei taiwanesischen Geschäftsmännern, die sich vorgenommen haben, diesen rückständigen Landstrich mit seinen 300 Millionen Einwohnern ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Benjamin Schwarz reibt sich vor Freude die Hände über Christian Landers Blog "Stuff White People Like", das die Trends im Lager progressiver weißer Mittelschichtsschichtsliberaler festhält. Große Momente der Menschheitsgeschichte fasst Eric Hanson zusammen, von Prousts erstem Asthma-Anfall über Hitlers ersten "Lohengrin" bis zu Ronald Reagans Eintritt bei den Republikanern.
Espresso (Italien), 12.09.2008

Times Literary Supplement (UK), 13.09.2008
Sehr begrüßen kann der Bio-Ethiker Peter Singer das Buch "Ethics and the Environment", in dem sich sein Kollege Dale Jamieson gründliche und überfällige Gedanken zum Thema macht. "Ein Beispiel: Biodiversität wird oft als ein Wert an sich angesehen - aber ein kleines Abwasserrohr, das in einen zuvor unberührten Bach verlegt wird, kann in Sachen Vielfalt Wunder wirken, wenn wir die Mikroorganismen in der Gesamtsumme mitzählen. Ist also nur natürliche Biodiversität gut? Das wiederum führt uns zu John Stuart Mills Warnung in seinem Essay 'On Nature', dass die Verwendung des Begriffs 'natürlich' die reichhaltigste Quelle für falschen Geschmack, falsche Philosophie, falsche Moral und sogar schlechte Gesetze ist'."
New Yorker (USA), 22.09.2008

In einem Brief aus Alaska beschreibt Philip Gourevitch diese "sonderbare politische Landschaft" und porträtiert deren Gouverneurin und republikanische Vize-Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin, die dort politisch groß wurde. "Alaska wird wegen seines kollektiven Ressourcenbesitzes manchmal als der sozialistische Staat von Amerika bezeichnet - eine Regelung, die es ermöglicht, Dividenden aus den Öllizenzen des Staates an seine festen Bewohner auszuschütten. Palin hatte das Glück, den Staat in einer Zeit von Rekordölpreisen zu regieren, was bedeutete, Dividendenschecks ausstellen zu können: 2000 Dollar für jeden Bürger von Alaska. Und weil hohe Ölpreise an einem so kalten Ort auch schwindelerregende Heizkostenrechungen bedeuten - und es politisch immer gut ankommt, Wählern Geld zu schenken - brachte Palin das Parlament dazu, jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind in Alaska zusätzlich einen Scheck über 1200 Dollar zu schicken."
Ergänzend dazu wundert sich Steve Coll über zwei seltsam anbiedernde Medieninterviews mit Palin, hofft aber zugleich, dass Journalisten sie in den verbleibenden 45 Tagen bis zur Wahl vielleicht doch noch "in vollem Umfang politisch überprüfen, was McCain ja nicht getan hat". Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Noble Truths of Suffering" von Aleksandar Hemon und Lyrik von Marilyn Hacker sowie zwei Gedichte von Bob Dylan (hier und hier).
Weiteres: "Überragend und wichtig" findet Jill Lepore "The Hemingses of Monticello: An American Family" (Norton) von Annette Gordon-Reed, die Geschichte einer Sklavenfamilie, welche dem dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten, Thomas Jefferson, gehörte, einem der größten Sklavenhalter in Virginia. Peter Schjeldahl führt durch eine Ausstellung mit Stilleben von Giorgio Morandi im Metropolitan Museum of Art. Und Anthony Lane sah im Kino die Komödie "The Women" von Diane English und den Thriller "Lakeview Terrace" von Neil LaBute.
New Statesman (UK), 15.09.2008

Weitere Artikel: Maziar Bahari sammelt in Teheran Eindrücke seines zwiegespaltenen Landes und sprach mit Akbar Etemad, einem langjährigen Berater des Shahs, der Verständnis für das iranische Atomprogramm zeigt. Und Robert Tait erklärt, dass nur noch die sprudelnden Einnahmen aus dem Ölgeschäft die iranische Wirtschaft vor dem Kollaps retten. Schließlich analysiert der Labour-Abgeordnete Denis MacShane das Siechtum der europäischen Sozialdemokratie und fragt sich, ob Frank Steinmeier der richtige Kandidat für harte Entscheidungen ist.
Outlook India (Indien), 22.09.2008

Economist (UK), 15.09.2008

Besprochen werden unter anderem Bernard-Henri Levys Bekenntnis zum Linksbleiben "Left in Dark Times", das alles andere als makellos, aber dennoch notwendig sei, weil "die Politik Intellektuelle dringend braucht" sowie John Carlins Buch "Playing the Enemy", in dem der Autor erklärt, warum Nelson Mandelas Aufstieg ohne Rugby kaum möglich gewesen wäre.
Und dann muss der Economist auch mal gepriesen werden für seine unverbrüchliche Treue zum Kalauer in der Überschrift - in der aktuellen Ausgabe etwa mit der Frage "Kim Jong Ill or Kim Jong Well?".
Nepszabadsag (Ungarn), 13.09.2008

Point (Frankreich), 11.09.2008

Merkur (Deutschland), 11.09.2008

Der Kulturtheoretiker Norbert Bolz denkt über die Technik nach, die den Menschen zum "Prothesengott" macht. Und er preist das Prinzip der "Serendipity": "In einem Brief von Horace Walpole an Sir Horace Mann vom 28. Januar 1754 taucht erstmals der schöne Neologismus 'Serendipity' auf. Er benennt den Weg zum Neuen durch blinde Variationen - man ist opportunistisch und lässt sich vom Interessanten verführen. Die spezifische Neugier der Prinzen von Serendip verbindet Überraschungserwartung, Problemlösungsverhalten und den Reizhunger aufs Neuer ... In der Vorrede zur 'Fröhlichen Wissenschaft' hat Nietzsche in einer Reflexion über die Liebe zum Problem die schönste Übersetzung für Walpoles Zauberwort Serendipity gefunden: 'die Freude am X'."
Der Philosoph Volker Gerhardt bewegt sich in seiner frei durch Zeit und Raum schwebenden "Kleinen Apologie des Neuen" zurück bis zum Urknall, Jörg Lau erklärt das "Fortschritts-Paradox", und die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny erinnert in ihrem Essay zur "Kulturellen Vielfalt der Neugier" an Albert Einstein, der meinte: "Ich bin nicht besonders talentiert, sondern nur leidenschaftlich neugierig."
Im Heft, aber nicht online gibt es außerdem Aufsätze unter anderem von den Historikern Christian Meier ("Das Neue und die Grenzen der Polis") und Alexander Demandt ("Neuerungen in der Spätantike"), vom Philosophen Martin Seel ("Neugier als Laster und als Tugend") und vom Ethnologen Karl-Heinz Kohl ("Erstbegegnungen").
Przekroj (Polen), 11.09.2008

Einige Sonderseiten sind dem Thema Ökologie im Alltag gewidmet. Neben Anleitungen zum "ethischen Leben" des britischen Journalisten Leo Hickman und der energiepolitischen Ernüchterung von Piotr Stanislawski - an Atomstrom führt mittelfristig in Polen kein Weg vorbei - kann man online nachlesen, wie sich Arkadiusz Bartosiak auf die Suche nach "organischer Baumwolle" gemacht hat. Und auch hier die ernüchternde Bilanz: wenn man sich etwas Mühe macht, kann man, insbesondere in den Filialen der großen internationalen Bekleidungskonzernen, entsprechende Produkte finden. Nur: in Polen fragt noch kaum jemand danach.
The Nation (USA), 29.09.2008
D.D. Guttenplan bespricht zwei Neuerscheinungen zum Thema Comic - David Hajdus Geschichte der konservativen Comic-Abwehr "The Ten-Cent Plague" und Douglas Wolks Untersuchung "Reading Comics". Beide Bücher haben für Guttenplan ihre Stärken und Schwächen, das eigentlich interessante, findet er, ist aber die Allgegenwart der Comics in der Gegenwart: "Neu ist das Ausmaß, indem der Kosmos des Comic heute unsere Welt ist. Früher waren da nur Superman und Lois Lane (oder Batman und Robin) in ihrem DC-Multiversum oder Reed Richards und Sue Storm in ihrem Marvel-Universum. Heute sind Comics überall. Von 'Persepolis' auf der Leinwand zum Fernsehit 'Heroes' ... bis zur 'Superheroes'-Ausstellung im Metropolitan-Museum oder der respektvollen Besprechung einer vierbändigen Sammlung der späten Werke von Jack Kirby in der New York Times - den das Rekord-Einspiel von 'The Dark Knight' nicht zu vergessen. Comics sind damit kein Randphänomen mehr, sondern vielleicht die dominierende kulturelle Form. Millionen Menschen, die nie ein Buch von Raul Hilberg aufschlagen würden, lesen 'Maus' - und manche, deren historische Neugier und moralische Fantasie von Spiegelmans Theater der Grausamkeit angeregt wurde, werden es nach der Lektüre eben doch tun."
Spectator (UK), 13.09.2008

Clemency Burton-Hill porträtiert den amerikanischen Dramatiker Christopher Shinn, dessen Stücke, in denen es ausnahmslos um die USA geht, meist in London zuerst gespielt werden. Shinns neuster Streich "Now Or Later" handelt von der Präsidentenwahl. Als der demokratische Kandidat John Rowe, "seine Familie und sein Team sich in einem Hotel versammeln, um die Geschehnisse zu verfolgen, läuft alles zunächst wie geschmiert. Er nimmt Ohio, Florida scheint unausweichlich. 'Vielleicht ist einigen Leuten ja schon zum Feiern zumute', flötet seine Frau. Ein Augenblick perfekter dramaturgischer Ironie. Denn jetzt passiert etwas Unerwartetes. Ein verschwommenes Foto vom Sohn des Kandidaten John junior auf einer Unifeier taucht im Internet auf. Bald gibt es ein Video dazu. In wenigen Augenblicken beginnen die kontroversen Bilder durch die Blogosphäre und das Universum der sozialen Netzwerke zu fliegen, so wie es tatsächlich der Fall sein würde. Im Hotel bricht Panik aus."
New Republic (USA), 24.09.2008

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