Magazinrundschau
Paul Berman: reactionary turn in der intellektuellen Welt
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
New Republic (USA), 28.05.2007

Trouw (Niederlande), 26.05.2007

Außerdem: Onno Blom (mehr hier) porträtiert den Schriftsteller und frischgebackenen Preisträger des "P.C. Hooftprijs" Maarten Biesheuvel, in dessen Nachbarschaft er aufwuchs. "Biesheuvel war bei uns Schulkindern eine Berühmtheit. Wenn er gute Laune hatte, konnte eigentlich alles passieren. Er konnte auf der Straße laut ein Lied von Schumann anstimmen oder sich auf die Motorhaube eines Autos legen um zu horchen 'ob es die Zylinder noch tun'. Eines Tages kam er uns entgegen und fragte mit seiner typisch nasalen Stimme höflich, ob uns der Sinn nach 'einem Glas Ranja' stünde. Das ließen wir uns nicht zweimal fragen, es hieß nämlich, dass der Schriftsteller und seine Frau eine Ziege besäßen, die bei ihnen im Wohnzimmer lebe. Biesheuvel sagte nur 'Kommt mit, ich stelle Euch ihr vor.'"
New Yorker (USA), 04.06.2007

Weitere Artikel: Jeffrey Gobin beschreibt die Verwirrung bei den Republikanern im Weißen Haus. Zu lesen sind unter der Überschrift "Wie ich den Krieg verbrachte. Ein Rekrut in der Waffen-SS" 13 Seiten Günter Grass. Gary Giddins porträtiert den Jazz-Pianisten Hank Jones. Louis Menand bespricht Michael Ondaatjes Roman "Divisadero". Anthony Lane sah im Kino "Knocked Up" von Judd Apatow und befindet, dass die beste Vorstellung im dritten Teil der Piraten-Serie "Pirates of the Caribbean: Am Ende der Welt" ein Affe gibt. Lesen dürfen wir außerdem die Erzählung "Faith" von William Trevor und Lyrik von David Baker, Elizabeth Macklin und Marvin Bell.
Literaturen (Deutschland), 01.06.2007

Franz Schuh liest für seine Kriminal-Kolumne Max Bronskis "München Blues" - und auch wenn der Rezensent München nicht mag, "Bronski ist ein witziger Autor. Er hat Einfälle, die nicht mit sich selbst protzen, sondern tatsächlich ein Licht auf Sachverhalte und Lebensumstände werfen". Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu berichtet auf der Beiseite enthusiasmiert von Roberto Bolanos Roman "Chilenisches Nachtstück", ein Buch, das er so sehr liebt, dass er es "beißen möchte, um es zu schmecken und zu spüren". Manuela Reichart stellt die erst sehr schöne, dann etwas ermüdende Literaturverfilmung "Valley of Flowers" vor. In seiner Netzkarte hat sich Aram Lintzel mit der Wikipedia-Parodie stupidipedia.org nicht sonderlich amüsiert. Hilal Sezgin bespricht die von Christina von Braun und Bettina Mathes verfasste kulturwissenschaftliche Studie über das Kopftuch mit dem Titel "Verschleierte Wirklichkeit". In seiner Kritik zu zwei neuen Büchern über die Gegenwartskunst bedauert Wolfgang Ullrich, dass deren Autoren Jörg Heiser und Piroschka Dossi nicht kapiert haben, dass der Preis längst konstitutiver Bestandteil des Gegenwartskunstwerks ist.
Guardian (UK), 26.05.2007

Al Ahram Weekly (Ägypten), 25.05.2007

Nehad Selaiha stellt einen sehr interessanten Theaterautor vor, "Mustafa Saad, der einzige Theaterautor, den ich kenne, dessen Stücke einzig und allein den Zweck haben, seine Theorie, was Theater sein und tun soll, zu dramatisieren. Sein 'Masrah Al-Istifham' (Theatre of Enquiry), dessen gerade gespieltes Stück '3-1' die elfte und extremste Illustration seiner Theorie ist, begreift das Theater als gemeinsame Aktivität. Die Zuschauer sollen zum kritischen Denken bewegt werden, sie sollen das, was sie sehen, hinterfragen und ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. In seinen Anmerkungen zu dem Stück schreibt Saad: 'Nach Jahren der Untersuchung und Befragung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass unser Problem in der arabischen Welt (ob als Subjekte oder Herrscher) nicht das Fehlen guter Theorien ist oder ihr Missbrauch, sondern die Art, wie wir durch unsere Erziehung programmiert sind immer nur zu wiederholen, was Tradition und Autoritäten uns beigebracht haben. Deshalb tendieren wir dazu, in Klischees zu sprechen, unsere Probleme einfach nur zu wiederholen, statt sie zu analysieren und selbst eine Lösung zu finden."
Economist (UK), 25.05.2007

Weitere Artikel: Besprochen wird eine Biografie des italienischen Freiheitshelden Giuseppe Garibaldi. Vorgestellt werden neue Forschungsergebnisse zum Thema Synästhesie. Nicht schlecht staunt der Economist über neue statistische Zahlen, die die ungeheure Beliebtheit von Scrapbooks (Einklebebüchern) in den USA demonstrieren. Außerdem berichtet er darüber, dass die Scheidungsrate in den gehobenen Schichten der USA sinkt, während sie am unteren Ende der Gesellschaft steigt. Der Titelschwerpunkt widmet sich dem israelisch-palästinensischen Sechstagekrieg, der sich jetzt zum vierzigsten Mal jährt: Ein Artikel befasst sich mit "Israels verschenktem Sieg", ein anderer fragt nach der Lage "Vierzig Jahre danach".
Point (Frankreich), 24.05.2007
Bernard Kouchner, der Gründer von Medecins sans frontieres, als Außenminister - das ist als hätte man einen Neuen Philsophen auf den Posten gesetzt. In seinem Bloc-notes setzt Bernard-Henri Levy darum seine Hoffnungen auf den neuen Mann: "Und wenn er nur eine Sache fertigbringen würde, wenn er die Islamisten von Khartum zur Vernunft bringen und ihre chinesischen Alliierten einknicken lassen würde, indem er sie mit einem Boykott der Olympischen Spiele von 2008 bedrohen würde - er hätte schon gewonnen."
Weltwoche (Schweiz), 24.05.2007

Als so "temperamentvoll wie sachkundig" lobt der Historiker Hans-Ulrich Wehler das neue Buch "Die Antwort" von Alice Schwarzer und möchte doch einmal würdigen, wie wichtig Schwarzer für die deutsche Geschichte gewesen ist: "Ohne diese ganz individuelle Motorik, ja sei's drum, ohne diese Leidenschaft, im offenen Streit für ihre gerechte Sache unentwegt voranzugehen, hätte der Frauenbewegung, aber auch den Entscheidungsgremien der Parteipolitik ein wesentlicher Impuls gefehlt."
al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 23.05.2007
Außerdem: Angesichts Nicolas Sarkozys Ankündigung, die 1968er hinter sich lassen zu wollen, erinnert Muhammad al-Mazdiwi daran, dass es erst die Veränderungen von 1968 waren, welche die Wahl eines ungarischen Immigrantenkindes in das französische Präsidentenamt möglich machten.
Tygodnik Powszechny (Polen), 22.05.2007

Der Theaterregisseur Jan Klata hat Timothy Whites Bob-Marley-Biografie mit Bewunderung gelesen. "Dieses Buch ist suspekt. Ich lese es und verliere mich im Dickicht widersprüchlicher Fakten. Ich kämpfe mich durch ein Gestrüpp irrelevanter Informationen von großer Bedeutung. Dieses Buch ist das Ergebnis jahrelanger fanatischer Arbeit. Je mehr White über Bob Marley schreibt, um so komplexer scheint dieser beseelte Künstler, der wie ein Prophet sang, aber nicht wie ein Prophet lebte." Klata unterstreicht auch die Rolle der Rastafari-Religion im Leben des Musikers: "Wer wissen will, was die Bibel mit seiner Musik zu tun hat, sollte sie einfach hören. Er soll hören, wie die Mauern von Jericho fallen."
Merkur (Deutschland), 01.06.2007

Sehr instruktiv ist auch Dmitri Zakharines Untersuchung zum politisch-kriminellen Komplex russischer Saunafreundschaften, Geldwäsche und politischer Säuberungen: Seit Jahrhunderten wird beim gemeinsamen Schwitzen über Geopolitik, Pipelines und politische Karrieren entscheiden. Schon Godunows Aufstieg begann als Sauna-Bediensteter von Iwan dem Schrecklichen! Und weiter schreibt Zakharine: "Der Beginn der großen politischen Säuberung nach dem Attentat auf Kirow 1934 fiel in die Zeit, als Stalin vom gemeinschaftlichen Baden zur individuellen Körperpflege übergegangen war. Den Nahstehenden sei, so wird berichtet, diese Änderung gleich aufgefallen 'Kirow war bei Stalin im Winter 1934 zu Besuch. Im Dampfbad waren sie zu zweit. Seitdem war Stalin nie mehr im Dampfbad', schreibt Major A.T. Rybin, ein Offizier der Leibwache. Die Rückkehr des Staatslenkers ins gemeinschaftliche Baderitual fällt in die Tauwetterperiode der fünfziger Jahre, als im politischen Leben Russlands angesichts der Wiederhstellung der kollektiven Führung in der Partei gewisse Liberalisierungstendenzen verzeichnet wurden."
Weiteres: In der Ökonomiekolumne würdigt Uwe Jean Heuser die zwei großen Vertreter der Zunft, die sich stärker nicht hätten widersprechen können, die beide aber große Ökonomen waren und im vergangenen Jahr gestorben sind: Den ultraliberalen Milton Friedman und den Planwirtschaftler John Kenneth Galbraith. Über den "Gegenreformator" Friedman schreibt auch Paul Krugman. Autor und Jurist Berndhard Schlink denkt über Verrat, Loyalität und Identität nach. Und Cord Riechelmann bespricht Josef H. Reichholfs "Kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends".
Boston Review (USA), 01.05.2007
Die Boston Review bringt einen langen Text des iranischen Intellektuellen Akbar Ganji, der im letzten Jahr nach Jahren im Evin-Gefängnis freigelassen wurde und nun in den USA und Europa unterwegs ist, um für eine neue Politik, des Westens gegenüber dem Iran zu plädieren: Keinen Krieg gegen die Mullahs, sondern Unterstützung des Wandels von innen, fordert er: "Als Antwort auf eine solche internationale Unterstützung müssten führende Iraner, alle Freiheitsliebenden im Iran und das iranische Volk im allgemeinen Druck auf das Regime ausüben, damit es seinen nuklearen Traum aufgibt. Selbst wenn das iranische Regime nur auf friedliche Nutzung der Atomenergie aus ist, wären das iranische Volk und die Nachbarländer angesichts der schlechten Technologie und Kontrolle im Land in ständiger Gefahr einer Katastrophe für Menschen und Umwelt. Falls das iranischen Atomprogramm sogar auf Waffen aus ist, wären die Gefahren noch weit größer. Aber wenn der externe Druck Not über die iranischen Menschen bringt, dann ist er nicht zu akzeptieren."
Nepszabadsag (Ungarn), 21.05.2007

Babelia (Spanien), 26.05.2007
Einer, der hierzu einiges zu sagen hat, ist der britische Historiker Paul Preston (s. a. hier). Er hat soeben ein Buch über die Rolle der internationalen Berichterstatter während des Spanische Bürgerkrieges vorgelegt: "Im Spanischen Bürgerkrieg wurde der Journalismus erwachsen: die Reporter hatten, vor allem in der republikanischen Zone, die Möglichkeit, unmittelbar bis an die Front zu gelangen, auch Vertreter von Zeitungen, die sich nicht eindeutig für eine der beteiligten Seiten aussprachen - mit Letzterem war es im Zweiten Weltkrieg vorbei. In dieser Hinsicht funktionierte die Spanische Republik tatsächlich bis zuletzt weitgehend wie eine Demokratie."
New York Times (USA), 27.05.2007
Die in Teheran lebende amerikanisch-iranische Autorin Azadeh Moaveni schildert für die New York Times Book Review die Auswüchse der literarischen Kritik im Iran: "Das Ministerium untersucht Buchmanuskripte vor allem auf erotische oder religiöse Verstöße. Wenn es ein Roman heute durch die Zensur geschafft hat, dann vermuten die Iraner, dass darin herumgepfuscht wurde und dass sie besser versuchen sollten, eine Ausgabe aus der Zeit des Schahs oder eine Raubkopie zu bekommen. Auch in der Fiktion müssen alle Beziehungen dem islamischen Gesetz entsprechen. In der jüngsten Ausgabe von 'Madame Bovary' ist Emmas Ehebruch ausgelassen. Figuren, die in westlichen Romanen Champagner oder Whisky trinken, finden sich in der iranischen Ausgabe mit einem Glas doogh, einem Joghurtgetränk (Rezept) wieder, das noch nie jemand beschwipste."
Die Times hat sich mit der Besprechung von Don DeLillos neuem Roman "Falling Man" (erstes Kapitel) bis vorgestern Zeit gelassen.