Josef H. Reichholf

Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends

Cover: Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783100629425
Gebunden, 336 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Tausend Jahre - eine Spanne, die das Leben zweier Eichen oder ein Zehntel der Nacheiszeit umfasst - sind ein Wimpernschlag der Erdgeschichte. Veränderungen in der Natur vollziehen sich in ganz anderen Zeiträumen als die Geschichte des Menschen. Josef H. Reichholf blickt aus ökologischer Sicht zurück auf das letzte Jahrtausend und untersucht die Wechselwirkung von Naturgeschichte und Geschichte, insbesondere den Klimaverlauf mit seinen ökologischen, wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Konsequenzen. Dabei geht es ihm stets um die Zukunft. Denn diese entwickelt sich nicht nur aus der Gegenwart, sondern sie ist Teil eines viel größeren Zeitstroms, der weit in die Vergangenheit zurückreicht. Was können wir aus der Vergangenheit bei der Bewältigung von Zukunftsproblemen lernen? Werden uns Wetter und Klima bald dafür bestrafen, dass wir zu weit gegangen sind bei unseren Eingriffen in die Natur? Josef H. Reichholf gibt realistische Einschätzungen unserer Lage und hilft uns so, die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.06.2007

Lobend äußert sich Rezensent Gustav Seibt über diese "Kulturnaturgeschichte", die der Evolutionsbiologe Josef H. Reichholf vorgelegt hat. Anfänglich ist er ein wenig skeptisch, ob mehr als 1.000 Jahre Naturgeschichte auf 325 Textseiten befriedigend abgehandelt werden können. Doch er sieht sich eines Besseren belehrt und attestiert dem Autor eine beachtliche literarische Leistung, für die dieser zu Recht den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung erhalten habe. Reichholf gelingt es nach Meinung des Rezensenten, überaus lebendig vor Augen zu führen, wie sich Gesellschaft und Kultur in Mitteleuropa immer wieder von neuem auf eine unberechenbare, im steten Wandel begriffene Klimanatur einstellten und anpassten. Besonders hebt er die Fülle von anschaulichen Funden hervor, die Reichholf zu Tage fördert, etwa wenn er von der Warmzeit im Hochmittelalter berichtet, die den Weinbau bis an die Ostsee hochtrieb. Die aktuelle Kontroverse, ob es den langfristigen Klimawandel überhaupt gebe, trete bei Reichholf zurück vor der elementaren Erfahrung, "dass der Mensch sich schon immer anpassen musste". Die Lehre, die Seibt für sich daraus zieht, lautet: bleiben wir in ökologischen Fragen gelassen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.03.2007

Stark sei Josef H. Reichholfs Studie in dem Teil, wo sie die heutigen Natur-Apokalyptiker "ideologiekritisch" als naiv und romantisch-reaktionär entlarve. Realismus zeige der Autor auch bei seiner Analyse der eigentlichen Bedrohung heutzutage, denn nicht Umweltverschmutzung per se sei das wichtigste Problem, sondern Wasserbau und industrialisierte Landwirtschaft. Bei seinen historischen Ursachenanalysen über den Zusammenhang von Natur- und Geschichtsereignissen hingegen, so Rezensent Wolfgang Sofsky, bleibe der Autor noch hinter der Klimatheorie eines Montesquieu zurück. Den Expansionsdrang der Mongolen beispielsweise als Reaktion auf Überbevölkerung zu deuten, ist aus Sicht des Rezensenten schlicht falsch. Reichholf unterscheide hier wie bei anderen Hypothesen einfach nicht zwischen ökologischen Argumenten und historischen Erzählungen, sprich, das geistige Moment der Kultur komme beim Ökologen einfach nicht vor. Auch im letzten Teil betreibe der Autor leider wieder "globale" Schicksalsschauen auf die bevorstehenden Untergänge "diverser Zivilisationen". Das sei zwar populär, meint der Rezensent, aber selten stichhaltig.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.2007

Nicht weniger als "das aufregendste Buch des Frühjahrs" hat die Rezensentin Julia Voss hier gelesen. Der in München lehrende Zoologe Josef H. Reichholf hat nicht einfach - auf 336 Seiten - eine Klimageschichte des vergangenen Jahrtausends verfasst, sondern, darin sieht Voss die besondere Pointe des Buches, nach den Auswirkungen des Klimas auf die Kultur gefragt. Die Romantik und ihre Naturschwärmerei etwa, so Reichholf, wären ohne die Erwärmung um 1800 gar nicht denkbar gewesen. Überzeugend findet Voss, dass der Autor keine deterministischen Klima-Kausalitäten behauptet, sondern nur Voraussetzungen für Entwicklungen der Kultur plausibel beschreibt. Umso deutlich werde aber, dass Klimaänderungen "Bestandteile unserer Geschichte" sind, die an Bedeutsamkeit technischen Erfindungen wie dem Buchdruck oder der Dampfmaschine gleichrangig zur Seite stehen.
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