Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
10.05.2005. Im Nouvel Obs ruft Jürgen Habermas der französischen Linken zu: Sagt ja zu Europa. In Foreign Affairs klärt Bernard Lewis islamische Despoten über die Sünde des Istibdad auf. Im polnischen Plus-Minus erinnert Norman Davies die Westeuropäer an Stalins "kleine Sünden". Der Economist würdigt Stalins einzige gute Tat. Im Guardian vermisst Adam Thorpe eine gemeinsame Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Elet es Irodalom feiert die jüngste ungarische Historikergeneration. Der New Yorker stellt fest: Pop macht schlau. Al Ahram porträtiert arabisch-amerikanische Stand-Up-Komiker. Die New York Times versucht Emir Kusturica zu verstehen.
Nouvel Observateur (Frankreich), 05.05.2005

Im Vorfeld der am 11. Mai beginnenden Filmfestspiele von Cannes beklagt der Obs einerseits, die allbekannte "Übermacht" des amerikanischen Kinos, die bewirke, dass der französische Film "von Jahr zu Jahr weniger Raum erobern" könne. Der Artikel berichtet aber gleichzeitig über Erfolge im Ausland. "In Moskau, Peking und New York gilt der französische Film als romantisch, intelligent, humorvoll, 'anders', zuweilen ärgerlich intellektuell; das französische Kino hat auf jeden Fall etwas, das alle anderen nicht oder nicht mehr haben."
Zu lesen ist außerdem eines der seltenen Interviews mit Nick Hornby, dessen Buch "A Long Way Down" bei Plon erscheint (in Deutschland demnächst bei Kiepenheuer & Witsch).
Foreign Affairs (USA), 01.05.2005
Die Zukunft des Nahen Ostens beherrscht die außenpolitische Debatte in den USA. In einem kenntnisreichen Essay verweist der Islamforscher Bernard Lewis auf die lange Tradition von Freiheit und Gerechtigkeit, demokratische Elemente, die im Islam angelegt sind, derzeit aber ignoriert werden. Etwa die Pflicht des Herrschers, sich beraten zu lassen. "Im Koran wird sie explizit betont. Auch in den Überlieferungen des Propheten wird sie oft genannt. Deren Verneinung führt zu Despotismus; im Arabischen istibdad, ist 'Despotismus' ein Begriff mit sehr negativen Konnotationen. Es wird als etwas Teuflisches und Sündhaftes betrachtet. Einen Herrscher des istibdad zu bezichtigen, ist praktisch ein Aufruf zu seinem Sturz."
Ergänzend dazu schildert Fouad Ajami, Nahostexperte an der John Hopkins Universität, den Fall Libanon als Beispiel für den Herbst der Autokraten in der arabischen Welt. Der zu Einschüchterungszwecken verübte Mord an dem früheren Premierminister Rafiq Hariri hat eine Unabhängigkeitsbewegung entfacht, die Syriens Militär aus dem Land getrieben hat.
Ergänzend dazu schildert Fouad Ajami, Nahostexperte an der John Hopkins Universität, den Fall Libanon als Beispiel für den Herbst der Autokraten in der arabischen Welt. Der zu Einschüchterungszwecken verübte Mord an dem früheren Premierminister Rafiq Hariri hat eine Unabhängigkeitsbewegung entfacht, die Syriens Militär aus dem Land getrieben hat.
Magyar Narancs (Ungarn), 05.05.2005

Der "Professor" gegen den "Ritter" - bei der Analyse der Kontrahenten Prodi und Berlusconi ein Jahr vor den Wahlen in Italien hat sich der Publizist Ferenc Laszlo offenbar wunderbar amüsiert: "Die oppositionellen Parteien sind zur Abstimmung ihrer Politik komplett unfähig. Die fast manisch immer Sonderwege gehenden, auf externe Beobachter oft unfreiwillig komisch wirkenden Parteichefs des oppositionellen Lagers behindern die Kollegen nur allzu gern. Die Unbeständigkeit dieser Allianz äußert sich schon darin, dass sie sich nicht einmal auf den Namen ihrer Föderation einigen kann. Sie hieß schon 'Olivenbaum', 'Dreirad' (kein Scherz!), 'Große Demokratische Allianz', dann wieder 'Olivenbaum'... Es ist kurios und menschlich zugleich, dass der verwitterte Charme des in Italien als 'il professore' genannten Romano Prodi ausgerechnet durch seine Abwesenheit (er war Präsident der EU-Kommission in Brüssel) und durch die Unzulänglichkeiten der Zuhausegebliebenen den alten Glanz wiedergewonnen hat."
Elet es Irodalom (Ungarn), 06.05.2005

Das ES-Magazin gratuliert dem Literaturwissenschaftler und Essayisten Laszlo Földenyi (mehr hier) zum Friedrich-Gundolf-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und druckt die Laudatio von Ilma Rakusa: "Földenyi, seinem Wesen nach ein melancholischer Metaphysiker, dem die plafonierte Ideenwelt des Kommunismus, unter dem er aufwuchs, keinerlei geistige Nahrung bot, suchte und fand bei den Deutschen das, was er eine seltene 'Sensibilität für die Transzendenz' nennt, idealtypisch verkörpert in den deutschen Romantikern. Heute allerdings sieht sich Földenyi enttäuscht. In seinem kürzlich erschienenen Aufsatz mit dem Titel 'Überschattete Liebe zur deutschen Literatur' beklagt er den Verlust solcher Sensibilität, die zugunsten einer 'Stromlinienförmigkeit des Denkens' aufgegeben worden sei. ... Der Blick von außen sieht oft mehr. Warum also sollten wir nicht von Földenyis Sensibilität lernen? Von seiner Skepsis gegenüber falschen Gewissheiten und dem Design des Glatten und Gutgemeinten? Und wenn uns dabei gelegentlich Schwindelgefühle überkommen, heißt das zuverlässig, dass die Lektion gefruchtet hat."
Espresso (Italien), 12.05.2005

Leider nur im Print zu lesen ist die Vorabberichterstattung zum Festival in Cannes, ein Gespräch mit Festivalleiter Gilles Jacob und eines mit Regisseur Sidney Pollack.
Gazeta Wyborcza (Polen), 07.05.2005

New York Review of Books (USA), 26.05.2005
Der Schriftsteller Gary Shteyngart schwärmt von dem russischen Schriftsteller Wladimir Woinowitsch, der einst Hymnen auf die sowjetischen Kosmonauten verfasste, bis er sich vom Regime und dem Agitprop abwandte, nach Deutschland ausreiste und ein wunderbarer Satiriker wurde. In den USA ist gerade sein Buch "Monumental Propaganda" erschienen (auf Deutsch: "Aglaja Rewkinas letzte Liebe"). "Wladimir Woinowitsch ist wahrscheinlich der wichtigste russische Satiriker der vergangenen fünfzig Jahre und, angesichts der Absurdität und Repressivität dieser fünfzig Jahre, einer der subversivsten in der Geschichte der Nation. Wenn die russischen Dichter, wie Dostojewski sagte, allesamt unter Gogols Mantel hervorgeschlüpft sind, dann kommt Woinowitsch direkt aus Gogols Nase. "
Weiteres: Als "überfällige Geschichte amerikanischer Progressivität" begrüßt Jeff Madrick Richard Parkers Biografie des Harvard-Ökonomen, Diplomaten, Präsidentenberater und Beststeller-Autors John Kenneth Galbraith. Brian Urquhart, früherer Unter-Generalsekretär der UN, empfiehlt Sadako Ogata Erinnerungen an ihre Zeit als Hochkomissarin für Flüchtlinge "The Turbulent Decade", wobei er ihren "faszinierenden wie tragischen" Bericht als weiteren Beweis dafür nimmt, dass die UN sich nicht auf humanitäre Leistungen beschränken dürfen.
Höchst interessiert hat Patrick Radden Keefe die Sammlung militärischer Codenamen gelesen, die der Journalist William M. Arkin zusammengestellt hat: "Beim Lesen fällt einem sofort die seltsame Poesie der Begriffe auf: großtuerische Einträge wie 'Mighty Thunder' (eine Übungsserie der Air Force) oder 'Resolute Strike' (eine Operation gegen Taliban im Süden Afghanistans 2003) werden gefolgt von Einträgen wie 'Calypso Wind', 'Optic Windmill', Platypus Moon', 'Sorbet Royale' und, sehr hübsch, 'Zodiac Beauchamp'." Und John Updike würdigt die große Max-Ernst-Retrospektive im Metropolitan Museum New York.
Weiteres: Als "überfällige Geschichte amerikanischer Progressivität" begrüßt Jeff Madrick Richard Parkers Biografie des Harvard-Ökonomen, Diplomaten, Präsidentenberater und Beststeller-Autors John Kenneth Galbraith. Brian Urquhart, früherer Unter-Generalsekretär der UN, empfiehlt Sadako Ogata Erinnerungen an ihre Zeit als Hochkomissarin für Flüchtlinge "The Turbulent Decade", wobei er ihren "faszinierenden wie tragischen" Bericht als weiteren Beweis dafür nimmt, dass die UN sich nicht auf humanitäre Leistungen beschränken dürfen.
Höchst interessiert hat Patrick Radden Keefe die Sammlung militärischer Codenamen gelesen, die der Journalist William M. Arkin zusammengestellt hat: "Beim Lesen fällt einem sofort die seltsame Poesie der Begriffe auf: großtuerische Einträge wie 'Mighty Thunder' (eine Übungsserie der Air Force) oder 'Resolute Strike' (eine Operation gegen Taliban im Süden Afghanistans 2003) werden gefolgt von Einträgen wie 'Calypso Wind', 'Optic Windmill', Platypus Moon', 'Sorbet Royale' und, sehr hübsch, 'Zodiac Beauchamp'." Und John Updike würdigt die große Max-Ernst-Retrospektive im Metropolitan Museum New York.
The Nation (USA), 23.05.2005

Plus - Minus (Polen), 07.05.2005
Das Magazin der Rzeczpospolita ist ganz dem Jahrestag des 8. Mai gewidmet. Die französischen Historiker Stephane Courtois und Jean-Louis Panne (Herausgeber und Autoren des "Schwarzbuchs des Kommunismus") betonen dabei die Bedeutung des Hitler-Stalin-Pakts, der das Schicksal Polens besiegelte und den Krieg unabwendbar machte. In sehr scharfen Worten kritisieren sie Versuche, die Zeit der Zusammenarbeit zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der Sowjetunion aus der europäischen Erinnerung zu tilgen, um keine Zweifel am moralischen Sieg der "Befreier" aufkommen zu lassen. "Warum sollte man an diese düsteren Momente der europäischen Geschichte, vor allem für die Nationen Mittelosteuropas, erinnern? Ganz einfach: heute ist es noch wichtiger als früher, eine gemeinsame europäische Erinnerung und ein gemeinsames Bewusstsein zu schaffen. Dabei sollte die ganze Geschichte, aller europäischen Völker berücksichtigt werden. Nicht etwa um, wie Putin es drohend formuliert hat, die Geschichte neu zu schreiben, sondern um sie überhaupt zu schreiben. Endlich zu schreiben."
Auch der "bekannteste Historiker Polens", der Brite Norman Davies erinnert an die Ambivalenz des sowjetischen Sieges für das östliche Europa, und bemerkt wie die "Vernunftsehe" - die große Koalition gegen Hitlerdeutschland - eine objektive Darstellung des Krieges lange Zeit verhinderte und bis heute das Bild Westeuropas vom Kriegsverlauf im Osten beeinflusst. Die Verbrechen des Gulag, die Zerstörung Warschaus während des Aufstands, die Opfer der Vertreibungen - das alles scheine erst durch neuere Forschungen und Publikationen der Öffentlichkeit bewusst geworden zu sein. "Das westliche Denken wurde von der offiziellen Darstellungsweise des Krieges: Hitler als Inbegriff des Bösen, Stalin als Alliierter mit seinen kleinen Sünden, so sehr beeinflusst, dass eine objektivere Darstellung der Geschichte eine Umdeutung der Verhältnisse, der Ideologien und der Moral voraussetzen würde." Ohne das Verdienst der Roten Armee beim militärischen Sieg über Hitler zu schmälern, sollte man daran erinnern, das Stalins Triumph mit Freiheit und Gerechtigkeit wenig zu tun hatte, schließt Davies.
Auch der "bekannteste Historiker Polens", der Brite Norman Davies erinnert an die Ambivalenz des sowjetischen Sieges für das östliche Europa, und bemerkt wie die "Vernunftsehe" - die große Koalition gegen Hitlerdeutschland - eine objektive Darstellung des Krieges lange Zeit verhinderte und bis heute das Bild Westeuropas vom Kriegsverlauf im Osten beeinflusst. Die Verbrechen des Gulag, die Zerstörung Warschaus während des Aufstands, die Opfer der Vertreibungen - das alles scheine erst durch neuere Forschungen und Publikationen der Öffentlichkeit bewusst geworden zu sein. "Das westliche Denken wurde von der offiziellen Darstellungsweise des Krieges: Hitler als Inbegriff des Bösen, Stalin als Alliierter mit seinen kleinen Sünden, so sehr beeinflusst, dass eine objektivere Darstellung der Geschichte eine Umdeutung der Verhältnisse, der Ideologien und der Moral voraussetzen würde." Ohne das Verdienst der Roten Armee beim militärischen Sieg über Hitler zu schmälern, sollte man daran erinnern, das Stalins Triumph mit Freiheit und Gerechtigkeit wenig zu tun hatte, schließt Davies.
Ozon (Polen), 05.05.2005

Weitere Artikel: Die Ruinen des Industriezeitalters, vor allem in Oberschlesien, ziehen immer mehr Freaks aus dem Ausland an, stellt Katarzyna Kalwat fest. Ob Industrietourismus, cross golf oder schicke Büroviertel - die heruntergekommenen Hütten und Zechen haben eine strahlende Zukunft vor sich. Sogar im herausgeputzten Krakau will man den realsozialistischen Vorort Nowa Huta zum Denkmal erklären. Musikalisches Recycling betreibt Wojciech Czern mit seinem Label OBUH, in einem Dorf in der Nähe von Lublin: Experimentelles und weniger bekanntes Material aus den sechziger und siebziger Jahren wird auf Vinyl herausgebracht und beschert dem Studio weltweiten Ruhm - jenseits großer Konzerne und offizieller Kulturpolitik, berichtet das Blatt.
Economist (UK), 06.05.2005

Der Economist bringt auch einen Artikel zur Kapitalismusdebatte in Deutschland und stellt am Beispiel von Daimler Chrysler und anderen vor allem die Lage des Kapitalismus in Deutschland selbst als relativ trübe dar: "Die Aktien vieler Gesellschaften werden zu Discountpreisen gehandelt, weil die Investoren den Eindruck haben, dass diese Gesellschaften schlecht geführt werden."
Weitere Artikel: Das neue China - selbst die Chinesen tun sich schwer es zu verstehen. Drei Bücher, so der Economist, wollen Licht ins Dunkel bringen, und einem gelingt dies vorzüglich, nämlich Rachel DeWoskins scharfsinnigem und warmherzigen Buch "Foreign Babes in Beijing: Behind the Scenes of a New China". Und schließlich werden wir ins MIT eingeladen, zur ersten und letzten Tagung für Zeitreisende (es braucht eben nur eine einzige Tagung, um alle Zeitreisende der vergangenen und zukünftigen Welt zu versammeln).
Im leider nicht frei zugänglichen Aufmacher, der natürlich den britischen Unterhauswahlen vom 5. Mai gewidmet ist, deutet der Economist den Wahlausgang als schmerzhafte Ohrfeige ("Ouch!") für Tony Blairs Labour-Partei und sucht nach Gründen.
Guardian (UK), 07.05.2005

Alle schreiben über das Ende des Zweiten Weltkriegs, nur der Schriftsteller Adam Thorpe denkt über den Ersten nach. Während Europa eine im Großen und Ganzen gemeinsame Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg habe, verlaufe die Erinnerung an den Ersten strikt entlang nationaler Grenzen. Einen Internationalismus gebe es hier nicht. "Dieser Krieg hat eine ganze Menge Bücher und Filme produziert, aber es betrifft kein anderes Land als das des jeweiligen Autors (Stanley Kubricks großartiger Film über die Exekution französischer Soldaten 'Wege zum Ruhm', bildet die Ausnahme, war aber auch für 20 Jahre in Frankreich verboten). Auch wenn Verdun - das französische Äquivalent zu Somme oder Passchendaele - jedem französischen Schulkind bekannt und tief in Frankreichs Bewusstsein verankert ist, bedeutet es jenseits des Kanals doch genauso wenig wie der erste Tag an der Somme selbst für gebildete Franzosen."
New Yorker (USA), 16.05.2005

Weiteres: Jeffrey Toobin beschreibt das Rennen um den Posten des Obersten Staatsanwalts von Manhattan zwischen Leslie Crocker Snyder und dem "legendären", inzwischen 86-jährigen Amtsinhaber Robert Morgenthau. Andy Borowitz empfiehlt Lieblings-Streiche zur Nachahmung. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Room" von William Trevor.
Besprochen wird eine Biografie über das "wilde, großartige und gebrochene" Leben der Hollywood-Ikone Tallulah Bankhead. Sasha Frere-Jones porträtiert die Rockbands Mountain Goats und Hold Steady. John Lahr bespricht die Uraufführung von August Wilsons Stück "Radio Golf" ("Meisterwerk"). Und David Denby sah im Kino den französischen Film "Kings and Queen" von Arnaud Desplechin und die Komödie "Monster-in-Law" von Robert Luketic mit Jennifer Lopez und Jane Fonda.
Nur in der Printausgabe: ein Porträt des neuen Papstes und seine Bedeutung für Amerika (online ist ein Artikel von 1965 über die politischen und theologischen Implikationen des Zweiten Vatikanischen Konzils), das Porträt eines "Mumiendoktors" und Lyrik von Kurt Vonnegut, Charles Simic und Deborah Garrison.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 05.05.2005

"Liebe ist leicht, doch Ägypten ist ein Komplex aus vielen Dingen. Es ist hübsch und voller Bitterkeit, es ist heiteren Gemüts und deprimierend. Ich kann die Sonne in ein Wort fassen und 'Kerze' sagen, doch Ägypten kann ich nicht in ein Wort fassen und 'meine Liebe' nennen. Menschen Ägyptens, lasst mich ausreden: Sie fragten mich, ob ich Ägypten liebe. Ich sagte, ich weiß es nicht. Fragt Ägypten - sie hat die Antworten." So endet das Gedicht, mit dem der 28-jährige Lyriker Tamim Al-Barghouthi vor zwei Jahren zum Sprachrohr einer politisch sehr aktiven Generation wurde, vor allem, als er wegen seiner Teilnahme an Protesten gegen den amerikanischen Krieg im Irak verhaftet wurde. Er ist auch, schreibt Amira Howeidy, ein Politologie-Dozent an der Universität und bereits in seinem jungen Alter ein "Meister der arabischen Sprache und Geschichte", der für seine poetischen Innovationen auf uralte Formen zurückgreift. Und offenbar ist er auch jemand, der vor populistischen Statements nicht zurückschreckt: "Der Fall von Bagdad", sagte er Howeidy, "war das größte Unheil in tausend Jahren arabischer Geschichte."
Außerdem: Rania Khallaf sprach mit Mahmoud El-Wardani über dessen neuen Roman "Mousiqa Al-Maul" (Die Musik der Mall), in der das Einkaufszentrum als Austragungsort und Symbol einer ambivalenten Geschichte elementarer Unsicherheit und postmodernen Unbehagens fungiert. Mohamed El-Assyouti bilanziert das 11. Nationale Filmfestival Ägyptens und beklagt die offizielle Filmauswahl. Und Aziza Sami porträtiert den Architekten Mohamed El-Sawi und seine Vision von "spirituellem Bauen".
New York Times (USA), 08.05.2005

Weitere Artikel: Der wahre Zusammenprall der Kulturen ereignet sich zwischen denjenigen, die an das Unbewusste glauben, also die Religion als Illusion auffassen, und denjenigen, die es ablehnen, also den Glauben als bare Münze nehmen, meint Lee Siegel in seinem Essay zur Neuauflage von Sigmund Freuds "Unbehagen in der Kultur". Eric Foner erfährt aus den "Presidential Recordings" von Lyndon B. Johnson nicht nur viel über die Mechanismen des Regierens, sondern auch einiges über Johnsons farbige Ausdrucksweise (hier einige Beispiele). Laura Kalman empfiehlt "Becoming Justice Blackmun" ihrer Kollegin Linda Greenhouse, nicht nur ein Porträt des bekannten Richters (Nachruf), sondern eine "Horatio Alger-Geschichte der Justiz". James Salter porträtiert Frank Conroy, den langjährigen Leiter des renommierten Schriftsteller-Seminars an der Universität von Iowa, und erinnert sich wehmutsvoll an die Abende mit Conroy und seinem silbernen Martini-Shaker. Kate Zernike hat aus den Briefen des Physikers Richard Feynman mehr über den Popstar erfahren als über den Wissenschaftler.

Weiteres: Genießen wir unsere Vorstellung vom eigenen Selbst, bevor die Wissenschaft sie als Illusion entlarvt, rät Jim Holt, den die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung beunruhigen. Melanie Thernstrom berichtet von drei Afrikanerinnen, die als Kinder verschleppt wurden, um Rebellenführern in Uganda als Ehefrau zu dienen. Im Titel informiert Susan Dominus über einen Aufstand der geschiedenen Väter, die sich für eine gerechtere Gesetzgebung zusammenschließen.