Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
16.08.2004. In Le Monde diplomatique singt Edward Said ein Loblied auf die Eloquenz des Arabischen. Outlook India ändert die Geschichte. Im Spiegel erzählt Jim Jarmusch, wie er Iggy Pop und Tom Waits wieder zum Rauchen verführte. Der Economist fordert von den Amerikanern mehr Phlegma - nur dann können sie mit Al Qaida leben. In Moskowskije Novosti geißelt der Chefredakteur einer neuen Zeitschrift seine Generation als "Schädlinge, die nicht aufbauen, sondern zerstören". Al Ahram porträtiert Sudans King of Jazz: Sharhabeel Ahmed. Die New York Times Book Review feiert Margaret Atwood den neuen Roman von Orhan Pamuk.

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 13.08.2004

Eine sehr schöne Ausgabe von Le Monde diplomatique können wir anzeigen! Von Edward Said ist ein Loblied auf die Eloquenz zu lesen, "'Eloquenz' in dem Sinne, den es früher hatte - im Sinne einer außergewöhnlichen sprachlichen Fülle (in geschriebener und mehr noch in gesprochener Form), im Sinne einer Wortgewandtheit, die sich zwar einer angeborenen Fähigkeit verdankt, doch entwickelt und geschult werden muss, damit die besondere Eloquenz der entsprechenden Person zum Vorschein kommen kann. Denn eine funkelnde Sprache ist ebenso auffällig wie ein gutes Gedächtnis." Eloquenz, so Said weiter, ist heute fast nur noch im Arabischen möglich. Dazu erzählt er eine Geschichte: "Ein Onkel von mir war Bankdirektor und hatte die begnadete Fähigkeit, eine Viertelstunde lang völlig geistesabwesend höfliche, aber nichts sagende Floskeln von sich zu geben, was auf Englisch völlig unvorstellbar gewesen wäre. Im Arabischen aber lernt man diese Technik schon früh im Leben und wendet sie vor allem in Situationen an, in denen man mehr sagen muss, als die Substanz des Gesprächs hergibt. Ich fand das immer wunderbar unterhaltsam, zumal ich selbst dazu nie imstande war."

Wer hat 1944 Paris befreit? Spanier! Jawohl, die 9. Panzerkompanie von General Leclerc, die nur aus Spaniern bestand, zog ganz allein nach Paris ein und übernahm die Stadt von den Deutschen. Zum Dank haben die Franzosen sie einfach vergessen, erzählt uns Denis Fernandez Recatala.

Außerdem: Luis Sepulveda ist auf den Spuren von Butch Cassidy und Sundance Kid (mehr) durch Patagonien gereist und schickt eine Reportage. Niels Kadritzke schreibt über Ärchäologie und Beutekunst. Jose Saramago macht sich Gedanken um die Zukunft unserer Demokratie. Bernard Cassen erzählt, was den Engländer in die Dordogne zieht. Und Elisabeth Lequeret schreibt über den fehlenden Realismus in Bollywoodfilmen.

Outlook India (Indien), 23.08.2004

"Was wäre, wenn die Amerikanische Revolution nicht stattgefunden hätte? Was wäre, wenn John F. Kennedy überlebt hätte? Was wäre, wenn Pontius Pilatus Jesus verschont hätte?" Alles interessante Fragen, gibt der Historiker Ramachandra Guha zu - aber für Indien hätte nichts davon einen Unterschied gemacht. Die längste Zeit hätte auch kein Geschichtswissenschaftler, der auf sich und seine Disziplin hält, eine solche Frage zu stellen gewagt; schließlich, so Guha, galt in der Historiographie seit Leopold von Ranke das Ethos der Objektivität, zumindest bis der Branche vor ein paar Jahrzehnten auffiel, dass Quellenstudium immer auch Interpretation bedeutet. Und seit ein paar Jahren fragen immer mehr Historiker: Was wäre, wenn? Outlook folgt in dieser Ausgabe ihrem Beispiel und stellt Fragen nach schicksalhaften Wendungen in der indischen Geschichte - denn regiert nicht der Zufall unser aller Leben?

Zum Beispiel: Was wäre, wenn Indien nicht geteilt worden wäre? Zunächst, rekapituliert der Columbia-Historiker Ainslie T. Embree die Ereignisse am Vorabend der Unabhängigkeit, sah es nämlich gar nicht danach aus. Dann aber kam es doch so - leider, meint Embree. Denn wenn nicht, wäre die indische Außenpolitik nicht von der Beziehung zu Pakistan dominiert worden, zum Kaschmir-Konflikt wäre es nicht gekommen und Militärdiktatoren hätte es nicht gegeben. Wenn also alles ganz anders hätte kommen können, versucht Embree eine Lehre aus dem Gedankenspiel zu ziehen, warum sollte man dann nicht die Gegenwart ändern können?

Gefragt wurde außerdem: Was, wenn Mahatma Gandhi das Attentat überlebt hätte? (Er hätte einen besseren Staat auf den Weg gebracht, meint sein Enkel Rajmohan Gandhi, er wäre "zum frustriertesten Mann Indiens geworden", ist sich M. V. Kamath sicher.) Und wenn Indien 1962 den Krieg gegen China gewonnen hätte? (Es war nicht so ausgeschlossen, wie alle immer behaupten, meint Rajeev Srinivasan.) Und wenn ab 1970 jedes indische Paar im Durchschnitt nur zwei Kinder bekommen hätte? Denn, hat Manu Joseph nachgerechnet, die Welt hat 454 Jahre benötigt, um von einer Bevölkerung von 345 Millionen auf 1 Milliarde zu kommen - Indien brauchte nur 52.

Und der schönste Artikel der Ausgabe: Sunil Menons Feier des Pidgin-Englisch - let's subvert "Oxford English Dick"!
Archiv: Outlook India

Espresso (Italien), 19.08.2004

Tahar Ben Jelloun erklärt in der Titelgeschichte die Institution des Hammam in Marokko. Im Dampfbad wird nicht nur der Körper und Freundschaften gepflegt, es fungiert auch als Gradmesser der eigenen Entwicklung. "Während es für die Mädchen kein Alterslimit gibt, kommt für die Jungen der Moment, in dem sie nicht mehr reindürfen. Ein schwieriger und entscheidender Moment, weil er die Grenze des Erwachsenseins markiert. Der junge Mann ist gegenüber dem weiblichen Koerper nicht mehr gleichgültig. Sein Blick verändert sich. Und damit es keine Probleme gibt, entscheidet die Wächterin des Hammam, ab wann der Junge die Mutter nicht mehr begleiten darf. Ab nun muss er sich zusammen mit dem Vater waschen. Dadurch begreift er, dass die Kindheit vorbei ist, aber er verliert das zweideutige Vergnügen, sich unter die badenden Frauen zu mischen."

Weiteres: Eugenio Scalfari blättert in einem Odysseus-Essay des Kritikers Benedetto Croce und entdeckt, dass hier Odysseus mehr ein abenteuerlustiger Kapitän als der Prototyp des modernen Menschen ist. Eleonore Attolico beobachtet, wie der New Yorker Fotograf Robert Mapplethorpe mit Ausstellungen in Berlin und Meran zum Klassiker wird. Moses Naim schlägt Bill Clinton als Chef der reformbedürftigen (und kritisierten) Weltbank vor, "auch wenn er durch ein Verfahren gewählt werden müsste, dass jeglicher Legitimität entbehrt".
Archiv: Espresso

Spiegel (Deutschland), 16.08.2004

Jim Jarmusch hat einen neuen Film gedreht: "Coffee and Cigarettes", elf Episoden, in denen u.a. Tom Waits, Roberto Benigni, Iggy Pop, Cate Blanchett, Bill Murray, Jack und Meg White rauchen, Kaffee trinken, reden und schweigen. Im Interview erzählt Jarmusch: "Es gibt da eine Szene zwischen Tom Waits und Iggy Pop, in denen sich beide eine Marlboro aus der Schachtel nehmen, die ich ihnen auf den Tisch gelegt habe. Iggy und Tom haben ja weitgehend improvisiert. Sie sagen beide, dass sie eigentlich mit dem Rauchen aufgehört haben. Was ich nicht wusste, ist, dass es wirklich stimmte. Die beiden wurden durch diese kleine Szene wieder rückfällig. Tom war ein wildes Rauchtier, der hat sich nachts den Wecker gestellt, um eine zu rauchen. Kein Quatsch, Mann. Er hat sich später bitter bei mir beklagt. Iggy ebenfalls."

Weitere Artikel: Ein Bericht aus dem Irak beschreibt die Kämpfe um Nadschaf, ein anderer meldet Folterungen afghanischer Zivilisten in Kabul durch US-Kopfgeldjäger. Die Bundeswehr hat einen Katalog von Vorschriften für zeitgemäßen Sex in der Truppe vorgelegt, berichtet Alexander Szandar: "Im Klartext: Bei der Liebe im Lager soll der Soldat gefälligst leise sein." Und Matthias Matussek feiert die "schöne Halle Berry" als "Catwoman".

Nur im Print: Ein Gespräch mit Christoph und Jakob Hein über den Tod von Christiane Hein und das Leben in der DDR. Der Titel widmet sich der Angst vor der Armut. Einen Beitrag dürfen wir im Netz lesen. Darin geht es um die deutsche Arbeitsmarktreform im internationalen Vergleich - gefragt wird also etwa, warum eigentlich andernorts die großen Proteste ausgeblieben sind: "Wissenschaftler Thode begründet den Gleichmut damit, dass die Reformen im Ausland besser austariert sind. Die Regierungen haben zwar Opfer verlangt und Sanktionen verhängt, aber zugleich auch Chancen eröffnet und Anreize geschaffen, etwa mit Hilfe der Steuergutschriften in den USA oder Großbritannien oder dank der Eingliederungspläne, die dänische und britische Arbeitsvermittler mit jedem Erwerbslosen austüfteln."
Archiv: Spiegel

Radar (Argentinien), 14.08.2004

Reisender, kommst du nach Buenos Aires, besorge dir Radar, die Kulturbeilage der argentinischen Tageszeitung Pagina 12, und du wirst dein erstes Wochenende vor Ort lesend verbringen. Aber auch im Netz hat die aktuelle Ausgabe wieder reichlich Lokales wie Globales von Interesse zu bieten: Aufmacher diesmal ein Führer durch das übernatürlich-okkulte Buenos Aires. Seit neuestem wird sogar eine Stadttour auf den Spuren spektakulärer Gespenster und Verbrechen angeboten, zur Route gehört u. a. die deutsche Botschaft, die ehemalige wie die derzeitige.

Wer lieber den Spuren des Tango folgt, lese Julio Nudlers Geschichte der Gebrüder Monteagudo, "criollos portenos", wie sie Borges nicht schöner hätte erfinden können. Einen weiteren Lokalhelden feiert Martin Perez, den Comic-Zeichner Max Cachimba (im wirklichen Leben: Juan Pablo Gonzalez - s. a. hier). Zur Zeit arbeitet Cachimba, der angeblich ohne TV aufwuchs, an einer Adaptation der Äneis.

Reisender, kommst du nach Buenos Aires, vergiss auch den Walkman - oder jetzt: Discman - nicht, von Europa aus sind es non stop 12 Flugstunden. Norman Lebrecht gedenkt des 25. Geburtstages dieser Erfindung, von der seither weltweit 340 Millionen Exemplare verkauft worden sein sollen, was nach Ansicht des Gratulanten jedoch das langsame Sterben der Musik eingeleitet hat.

Außerdem in Radar: Luzide Überlegungen von Alejandro Katz zur aktuellen Lage der Buchverlage in Südamerika, die sich in nichts von hiesigen Verhältnissen zu unterscheiden scheint. Und ein langes Interview mit Chuk Palahniuk, einem Schriftsteller, der für seine schockierenden Beschreibungen von Gewalt jeder Art bekannt ist.
Archiv: Radar

Gazeta Wyborcza (Polen), 14.08.2004

In der Wochenendausgabe von Polens größter Tageszeitung, Gazeta Wyborcza, schreibt der Schriftsteller Stefan Chwin (mehr hier) darueber, wie Witold Gombrowicz die Frage von Schuld, insbesondere der deutschen Schuld an den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs, in seinem Werk behandelt. Gombrowicz wollte, dass die Deutschen Verantwortung für ihre Verbrechen übernehmen, schreibt Chwin, aber er konnte bei seinem Aufenthalt in Deutschland zu Beginn der sechziger Jahre keinerlei Schudgefühl feststellen. Stefan Chwin schließt mit einer persönlichen Bemerkung: "Wenn ich nach Deutschland komme, kocht das Blut in mir. Also kann man nach so einem Verbrechen so gut leben? Denn die Deutschen wurden für das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit nicht bestraft. Die Zerstörungen, Bombardierungen, Grenzverschiebungen, Deportationen und Vergewaltigungen, das physische Zermalmen Deutschlands im Jahr 1945 - das war keine Bestrafung, es war Vergeltung. Eine Strafe wäre nur dann eine Strafe - den Überlegungen Gombrowicz' folgend -, wenn sie sich die Deutschen selbst auferlegt hätten. Und, wer weiß, vielleicht sollte es eine Strafe von proportionellen Ausmaßen sein. Aber was für eine Strafe es wäre und wem auferlegt - ich weiß es nicht".
Archiv: Gazeta Wyborcza

Economist (UK), 13.08.2004

Angesichts des jüngsten Terror-Alarms in den USA versucht der Economist sich ein Bild von Wirklichkeit und Dringlichkeit einer Bedrohung durch Al-Qaida zu machen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass "während Amerika sich auf einen neuen 11. September vorbereitet, die Gefahr, die von militanten Moslems ausgeht, unspektakulärer, allgemeiner und unvorhersehbarer wird." Dies bedeute allerdings, dass die Amerikaner lernen müssen, mit einer ständigen Bedrohung umzugehen, wie Brian Jenkins von der Rand Corporation bemerkt: "Die Amerikaner müssen nicht nur lernen, die Bedrohung durch Al-Qaida zu mindern, sondern auch mit ihr zu leben. 'Amerikanern fällt es ungemein schwer, phlegmatisch zu sein', klagt er, 'und es besteht kein Zweifel, dass wir die Bedrohung dadurch eher vergrößert haben. Doch während die Briten in der Lage sind, auf lange Sicht zu denken und zu erkennen, dass es sich um ein langfristiges Problem handelt, tun die Amerikaner alles, um kurzfristig erfolgreich zu sein.' Seiner Meinung nach muss die amerikanische Öffentlichkeit risiko-erprobter werden ..."

Er bekam so ziemlich alles, was er wollte, außer die 4.000 Schweine, die er über die verminten Ölfelder schicken wollte, damit die Sprengköpfe detonieren. Der Economist lässt keinen Zweifel an seiner Bewunderung für den verstorbenen Teufelskerl Paul Adair, den Feuerwehrmann, der die großen und kniffligen Feuer der letzten Jahrzehnte löschte (zum Beispiel den Brand der von den Irakis angezündeten Ölfelder in Kuweit) und der den wohlverdienten Himmel wohl lieber gegen die Höllenfeuer eintauschen würde.

Außerdem ist zu lesen, welchen Reiz es hat, an gefährlichen Orten zu arbeiten, wem die Radiowellen gehören und wie sie besser genutzt werden könnten, warum die Entscheidung der Republikaner, im US-Bundesstaat Illinois einen schwarzen Kandidaten für den Senat aufzustellen, schlichtweg dumm ist, dass das Geschäft mit Luxushotels nichts für Heilige ist, sondern eher für Haie (wie schon die Tatsache beweist, dass das jüngste Enthüllungsbuch "Hotel Babylon" anonym veröffentlicht wurde), wer Ariel Sharon für eine feige Friedenstaube hält, wohin Großbritanniens Obdachlose verschwunden sind, und ob die ostdeutschen Montagsdemonstranten nicht einfach schlecht informiert sind.
Archiv: Economist
Stichwörter: Schwein, Schweine, Kuweit

Moskowskije Novosti (Russland), 13.08.2004

Russland hat seit heute eine neue Wochenzeitschrift: Novy otschewidez (Der neue Augenzeuge). Das mit großen Vorschusslorbeeren bedachte "Wochenblatt für Publizistik und Kultur" soll, so Chefredakteur Sergej Mostowschikow im Interview, "der russische New Yorker" werden und der "soeben in Russland wieder aufflammenden Liebe zum geschriebenen Wort" Rechnung tragen. "Das Leben der Russen hat sich verändert. Sie haben in den letzten Jahren ihre notwendigsten Bedürfnisse nach Waren gestillt und suchen jetzt wieder geistige Nahrung", glaubt Mostowschikow. Von seiner Generation hält der Journalist nicht viel. Er bezeichnet sie als "Schädlinge, die nicht aufbauen, sondern zerstören". Auch Wladimir Putin gehört für ihn "zu dieser Klasse von Emporkömmlingen, er ist aus demselben Holz geschnitzt". Mostowschikow hat Großes vor, er will "für diejenigen schreiben, die zu wirklichen Veränderungen bereit sind und sich kritisch mit der Welt auseinander setzen". (Schön wäre es, wenn einer dieser Emporkömmlinge Mostowschikow Lügen strafen und die Honorare für eine Übersetzung der Zeitschrift ins Englische übernehmen würde!)

Al Ahram Weekly (Ägypten), 12.08.2004

Sharhabeel Ahmed ist "Komponist, Bandleader, Sänger, Geschichtenerzähler, Maler und Illustrator", doch vor allem ist er ein begnadeter Entertainer und Sudans "King of Jazz" - keine einfache Rolle in einem Land, das von Krieg, ökonomischer Krise und einem kunstfeindlichen Regime geprägt ist. Gamal Nkrumah über eine musikalische Karriere, die mit dem ersten Blick auf eine Gitarre im Jahr 1947 begann und mit 70 Jahren noch längst nicht beendet ist. Und über die jüngere musikalische Geschichte des Sudan, in dem es bis heute kein einziges Tonstudio gibt.

Youssef Rakha hat mit Nawal El-Saadawi (homepage), die eiserne Lady der ägyptischen Literatur und bekannten Frauenrechtlerin gesprochen und fand die Unterhaltung lohnenswerter als die Lektüre der vorab veröffentlichten Teile ihres neuen Romans, der wieder einmal, so die Kritik, politische Botschaften über literarische Qualität zu stellen verspricht. Rakha charakterisiert El-Saadawis Erzählweise als "laut und melodramatisch" - fairerweise lässt er sie dennoch ausführlich zu Wort kommen. Hier der Beginn von "Al-Ruwaya" (The Novel).

Weitere Artikel: Nevine El-Aref berichtet von einem "kolossalen Fund" in der nordägyptischen Stadt Akhmin - der größten, nämlich 13 Meter hohen Statue von Pharaoh Ramses II. Und Sonali Pahwa schreibt über Innovationen und Aufbruchstimmung in einer traditionell lahmen Branche: dem ägyptischen Theater.
Archiv: Al Ahram Weekly

Times Literary Supplement (UK), 13.08.2004

Ein wenig unbehaglich wurde es Alexander Masters bei der Lektüre von Philip Balls "Critical Mass", in dem der Wissenschaftsjournalist so etwas wie eine "Physik der Gesellschaft" skizziert. "In der Welt der Physik ist das ein alter Hut, in der Soziologie aber ein alarmierender Newcomer." Interessant findet Masters aber doch, was zum Beispiel Dirk Helbing und Peter Molar von der Universität Stuttgart festgestellt haben, nämlich dass Studenten nie auf bereits ausgetretenen Pfaden über den Rasen laufen, nie in direkter Linie und nie über den Mittelpunkt. Um keine Missverständnisse in Bezug auf derartige Intelligenz aufkommen zu lassen: Genau so verhält sich Flüssigkeit.

Nur in Auszügen zu lesen ist Nicholas Jenkins' Hymne auf den schillernden Dichter Stephen Spender, über den John Sutherland jetzt eine "luzide und umsichtige" Biografie geschrieben hat. Harold Love stellt zwei Neuerscheinungen vor, die sich mit der ungeklärten Herkunft des angeblichen Shakespeare-Stückes "Perikles" befassen. Michael Caines sinniert über den stetig steigenden Hang zum Aberglauben und die vermehrt anzutreffende Paraskevidekatriaphobia, wie die Angst vor einem Freitag, den 13. neuerdings und fachmännisch genannt wird.

Nouvel Observateur (Frankreich), 12.08.2004

In der Reihe über das geistige Erbe Europas wird nach der Bedeutung der Antike (hier), des Mittelalters (hier), des alten Roms (hier) und Ägyptens (hier) in dieser Woche die Rolle des Judentums für unsere heutige Gesellschaft untersucht. Über das Verhältnis von Politik und Religion schreibt der Philosoph Armand Abecassis: "Die Geschichte der Monarchie war in Israel immer eine katastrophale. Selbst David hat es nicht verdient, den Tempel zu errichten, sein Sohn Salomon hinterließ das Land in einem beklagenswerten und geteilten Zustand. Die jüdische Tradition hat immer behauptet, dass die Politik von der Religion getrennt werden müsse. Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Vernunft als auch der Tradition ist es deshalb absurd zu sehen, dass es in Israel heutzutage religiöse politische Parteien gibt. Man sollte sie auflösen."

Fast schon begeistert besprochen wird Pierre Bouretz' philosophische Studie "Temoins du futur. Philosophie et messianisme". In dem 1250 Seiten starken Werk wird erstmals das Denken der Philosophen, Historiker und " Zeugen des Totalitarismus des 20. Jahhrunderts" Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Walter Benjamin, Gershom Scholem, Martin Buber, Ernst Bloch, Leo Strauss, Hans Jonas und Emmanuel Levinas in einem Spannungsbogen zusammengebracht. Sie alle haben "im jüdischen Denken einen außergewöhnlichen intellektuellen 'Werkzeugkasten' gefunden, der jedem von ihnen erlaubte, mit unvergleichlicher Tiefe die Frage nach der Artikulation des Universellen und des Besonderen (in diesem Fall des Judentums) zu ergründen und dem 'Prinzip Hoffnung' treu zu bleiben", schreibt Bernard Loupias.

Zu lesen ist außerdem ein weiterer Brief von Emile Zola an seine Geliebte Jeanne Rozerot, den er aus seinem englischen Exil während der Dreyfus-Affäre geschrieben hatte. Und in der Serie über Exzentriker wird in dieser Woche der amerikanische Zirkusgigant Phineas Taylor Barnum porträtiert.

New York Times (USA), 15.08.2004

Großes Lob erntet Orhan Pamuks siebter Roman "Snow" (erstes Kapitel) von Rezensentin Margaret Atwood. Sie rühmt Pamuks "hohe Kunst des Geschichtenerzählens" und erklärt das Buch zu einer "unverzichtbaren Lektüre für unsere Zeit". Ka, ein türkischer Dichter mit Schreibblockade, kehrt nach zwölf Jahren Exil in Frankfurt in seine Heimatstadt Istanbul zurück, um dem Begräbnis seiner Mutter beizuwohnen, seine Jugendliebe wiederzufinden und über eine Selbstmordwelle junger Mädchen zu recherchieren, die von ihrer Schule gezwungen worden waren, das Kopftuch abzulegen. Auf der ersten Seite ist Ka schon tot, ermordet, und ein Freund beginnt seine Geschichte zu erzählen. Es ist eine "Male Labyrinth Novel", schreibt Atwood, ein Genre, "dessen Spuren man bei De Quincey, Dostojewski und Conrad findet, und das Kafka, Borges, Garcia Marquez, DeLillo und Auster" pflegten. Das schönste Kompliment hebt sich die begeisterte Rezensentin bis zum Schluss auf. "'Snow' ist das bisher letzte Kapitel in Pamuks großem Projekt: sein Land schreibend zu erschaffen." Dazu gibt es noch ein Interview mit dem Schriftsteller.

Weitere Besprechungen: John Kerry "wirkt auf mich, als würde er sich wirklich wünschen, wir wären nicht im Krieg", verkündet Christopher Hitchens nach dem Genuss dreier neuer Bücher über den Bush-Herausforderer. "Wir sehen einen Mann, der einen perfekten Friedenspräsidenten abgeben würde oder abgegeben hätte." Al Gore beschreibt Ross Gelbspans "Boiling Point" (erstes Kapitel) als eine "Mischung aus leidenschaftlicher Stellungnahme und klarer Analyse" zum Thema globale Erwärmung. Ebenso "wunderbar" wie die sieben vorherigen findet Charles Taylor Alan Fursts achten Spionageroman, "Dark Voyage" (erstes Kapitel).

James Bennett, von 2001 bis letzten Monat Israel-Korrespondent der New York Times, porträtiert im elfseitigen Aufmacher des Magazins den israelischen Premier Ariel Sharon.

Weitere Artikel: Arthur Lubow versucht zu begreifen, wie es dazu kommen konnte, dass die seltsamen Plastikfiguren von Michael Lau in Japan und Amerika einen Hype ausgelöst haben. Der Künstler selbst hat dafür eine ganz einfache Erklärung: "In einer sehr langweiligen Welt passiert etwas, die Leute fahren darauf ab, und Michael Lau hat es erfunden", sagt er. Matthew Brzezinskli folgt den Gangs von der Großstadt aufs Land, wo die Polizei wenig Erfahrung und das Geschäft noch Potenzial hat. Und Deborah Solomon erfährt von dem Wirtschaftswissenschaftler Ray C. Fair, wie man das Ergebnis der Präsidentenwahl vorhersagt, und warum der Irak-Krieg keine Rolle spielen wird.
Archiv: New York Times