Magazinrundschau
Zu neuem Funde
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
12.03.2013. Die NYT erzählt, wie Amazon und Apple auf dem Weg zur Weltherrschaft einen Markt für gebrauchte digitale Güter aufbauen. Elet es Irodalom gefallen die frischen jungen Gesichter, die die italienischen Wahlen in die Politik gespült haben. Je langweiliger Politik ist, desto besser, meint Javier Cercas in der Monde diplo. In The New Republic erinnert sich Paul Berman an die prächtig gepanzerten Backen von Hugo Chavez. Der New Yorker freut sich über seinen Überbiss. Port Magazine porträtiert den ugandischen Kaffeeproduzenten Andrew Rugasira als guten Kapitalisten. Buzzfeed porträtiert die mexikanische Lehrerin Elsa Hernandez Gonzalez als wahre Speerspitze im Kampf gegen Drogen. N+1 porträtiert den Filmemacher Michael Haneke als Sadomodernen.
New York Times (USA), 07.03.2013
In der NYT schildert David Streitfel, wie Amazon und Apple mittels Patenten versuchen, einen Markt für "gebrauchte" digitale Dateien aufzubauen und zu dominieren. "Amazons Patent sieht vor, dass ein Buch oder ein Film oder ein Song im personalisierten 'Datenlager' des Kunden liegt. Wenn ein Artikel nicht mehr gewollt wird, kann der User ihn an einen anderen User weiterverkaufen. Bei dieser Aktion wird der Artikel automatisch aus dem Lager des Verkäufers gelöscht. Das Patent beschreibt eigentlich eine gigantische Tauschbörse. Amazons 152 Millionen aktive Kunden würden Listen führen mit ersehnten gebrauchten digitalen Objekten und Listen mit gebrauchten digitalen Objekten, die verkauft werden sollen." Apple hat letzten Donnerstag ein ähnliches Patent beantragt.
Elet es Irodalom (Ungarn), 08.03.2013

The Verge (USA), 07.03.2013

Salon.com (USA), 07.03.2013
Anne Applebaum beschreibt den grauenvollen Tod von Stalin und meint dann in Richtung Hugo Chavez: "Ich weiß nicht, ob der Tod von Chavez so dramatisch war wie der von Stalin vor auf den Tag genau sechzig Jahren, aber ich bezweifle es. Chavez war immerhin kein Massenmörder, auch wenn er einen enormen Schaden in der Rechtsprechung, der Presse, dem öffentlichen Leben und der vom Öl noch abhängiger gewordenen Wirtschaft angerichtet hat. Wie der sowjetische Diktator versprach er den Armen in seinem Land Dinge, die er nicht liefern konnte - und dennoch werden sie voraussichtlich in großen Mengen am Freitag an seinem Grab vorbeiziehen, während seine Gefolgsleute den Kampf um die Erbfolge antreten. Die schwierigere Diskussion über Chavez' Erbe wird vertagt", obwohl Applebaum sie für dringend nötig hielte, damit der Schatten von Chavez nicht so lang über Venezuela liegt wie der Schatten von Stalin über Russland.
New Republic (USA), 09.03.2013
In einem längeren Artikel zeichnet Paul Berman die Entwicklung nach, die Hugo Chavez' Einstellung zum Marxismus nahm, und liefert zugleich ein sehr beeindruckendes Porträt des ganzen Mannes. Berman hatte Chavez 2002 bei einer Veranstaltung in New York getroffen und gefragt, was er von den Sandinisten halte. "Chavez war ein kleiner Mann. Ich bin von mittlerer Größe. Er starrte nach oben und in diesem Blick lage dieselbe Intensität und Kraft, die er vor einigen Minuten noch vom Podium nach unten ins Publikum ausgestrahlt hatte, nur dass diesmal ich das ganze Publikum war. Seine Backen besaßen die gleiche prächtige gepanzerte Qualität wie die Brustmuskeln bestimmter Menschen. Er glühte. Er zögerte einen Moment, vielleicht um sein Ohr an die Besonderhieten meiner spanischen Syntax zu gewöhnen. Und dann schien der Bug seines militärischen Torsos nach vorn, in meine Richtung zu branden und er formulierte seine Antwort scharf und analytisch. Er bewundere die Sandinisten, sagte er. Die Sandinisten hätten großartige Dinge getan. ... Aber die Sandinisten hätten einen Fehler begangen. Sie hätten den Marxismus umarmt. Dies habe zu ihrem Untergang geführt. Ich war überrascht. Er erklärte, dass in Nicaragua die Sandinisten in Konflit mit der Wirtschaft geraten waren. Aber diese Art von Konflikt sei unnötig gewesen. Darin lag der Fehler."
Sarah Williams Goldhagen liefert einen instruktiven Überblick über die Architektur neuer Bibliotheken - dabei geht es ihr weniger um repräsentative Großbauten als um Stadtbibliotheken. Sie nennt unter anderem die von Anne Fougeron entworfene Ingleside Branch Public Library in San Francisco und Peter Q. Bohlins Ballard Library in Seattle. "Als Louis Kahn 1965 eine Bücherei für die Phillips Exeter Academy entwarf, stellte er die Institution selbst in Frage. Was genau soll eine Bibliothek sein? Er kam mit einer ganz einfachen Antwort: Eine Bibliothek beginnt, wenn jemand 'ein Buch ans Licht bringt'. Ingleside und Ballard halten an Kahns Diktum fest, dass dies die Haupterfahrung einer Bibliothek sein muss. Fougeron und Bohlin benutzen Oberlichter, Lichtschachte, Innenfenster, Fensterwände, um natürliches Licht im Überfluss in und durch ihre Projekte zu leiten, und dabei arbeiten sie sorgfältig mit Reflektion, Filtern, Projetktionswänden, Screens und Schatten, um dem Auge Ermüdung zu ersparen."
Angesichts des großen Erfolgs von Tom Hoopers Filmadaption der Musicaladaption von Victor Hugos Roman "Les Misérables" überlegt der sehr fleißige Paul Berman, was die Faszination dieses Werks ausmacht, sucht nach Vorbildern Hugos und findet sie bei Virgil, Erzbischof Fénelon und vor allem François-René de Chateaubriand: "Sein Thema in 'Les Misérables' - der Existenzkampf der Armen, der durch die Industrielle Revolution erstmals in der Geschichte ein lösbares Problem geworden war - entspricht in seinem Maßstab Chateaubriands Geschichten von christlichen Martyrern und gemarterten Indianern. Hugos und Chateaubriands Themen sind womöglich, auf einer tieferen Ebene, dieselben. Diese gigantischen Gedichte waren großartige Feiern der Großartigkeit selbst, und die Großartigkeit beider Autoren entpuppt sich als eine Würdigung des wahrsten, schönsten, göttlichsten und fortschrittlichsten aller Gefühle: der Traurigkeit."
Sarah Williams Goldhagen liefert einen instruktiven Überblick über die Architektur neuer Bibliotheken - dabei geht es ihr weniger um repräsentative Großbauten als um Stadtbibliotheken. Sie nennt unter anderem die von Anne Fougeron entworfene Ingleside Branch Public Library in San Francisco und Peter Q. Bohlins Ballard Library in Seattle. "Als Louis Kahn 1965 eine Bücherei für die Phillips Exeter Academy entwarf, stellte er die Institution selbst in Frage. Was genau soll eine Bibliothek sein? Er kam mit einer ganz einfachen Antwort: Eine Bibliothek beginnt, wenn jemand 'ein Buch ans Licht bringt'. Ingleside und Ballard halten an Kahns Diktum fest, dass dies die Haupterfahrung einer Bibliothek sein muss. Fougeron und Bohlin benutzen Oberlichter, Lichtschachte, Innenfenster, Fensterwände, um natürliches Licht im Überfluss in und durch ihre Projekte zu leiten, und dabei arbeiten sie sorgfältig mit Reflektion, Filtern, Projetktionswänden, Screens und Schatten, um dem Auge Ermüdung zu ersparen."
Angesichts des großen Erfolgs von Tom Hoopers Filmadaption der Musicaladaption von Victor Hugos Roman "Les Misérables" überlegt der sehr fleißige Paul Berman, was die Faszination dieses Werks ausmacht, sucht nach Vorbildern Hugos und findet sie bei Virgil, Erzbischof Fénelon und vor allem François-René de Chateaubriand: "Sein Thema in 'Les Misérables' - der Existenzkampf der Armen, der durch die Industrielle Revolution erstmals in der Geschichte ein lösbares Problem geworden war - entspricht in seinem Maßstab Chateaubriands Geschichten von christlichen Martyrern und gemarterten Indianern. Hugos und Chateaubriands Themen sind womöglich, auf einer tieferen Ebene, dieselben. Diese gigantischen Gedichte waren großartige Feiern der Großartigkeit selbst, und die Großartigkeit beider Autoren entpuppt sich als eine Würdigung des wahrsten, schönsten, göttlichsten und fortschrittlichsten aller Gefühle: der Traurigkeit."
Bloomberg Businessweek (USA), 07.03.2013

Economist (UK), 09.03.2013

Weitere Artikel: "Frauen, auf nach Neuseeland", kann man nach dieser Infografik zu den besten Arbeitsbedingungen für Frauen nur sagen (Deutschland liegt weit abgeschlagen gerade mal kurz vor Griechenland und Italien...). Die seit der Finanzkrise 2008 und mit dem Aufstieg von Facebook aus dem Boden sprießenden Onlineportale zum Tausch von Dienstleistungen (mehr) stehen derzeit unter enormer fiskalischer Beobachtung, erfahren wir hier. US-amerikanische Unternehmen sprechen sich für die Homo-Ehe aus - wenn auch nur vor allem deshalb, weil die interne Lohnabrechnung dadurch erleichtert würde. Außerdem erklärt uns der Economist, warum es nach dem 3D-TV-Flop auch neue, ultrahochauflösende 4K-Fernsehgeräte schwer haben werden, sich auf dem Markt durchzusetzen.
Le Monde (Frankreich), 09.03.2013

New Yorker (USA), 18.03.2013

Weitere Artikel: David Remnick liefert in einer Reportage Hintergrundinformationen zum Säureattentat auf den Ballettchef des Bolschoi Theaters Sergej Filin. Sasha Frere-Jones bespricht das neue Album von David Bowie. Und Adam Gopnik gratuliert Philip Roth zum Achtzigsten.
Magyar Narancs (Ungarn), 14.02.2013

Port (UK), 11.03.2013

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 08.03.2013

Serge Halimi blickt auf die Lage in Tunisien, wo sich nach dem Mord an dem Oppositionspolitiker Chokri Belaïd nicht nur die Konflikte zwischen der islamistischen Regierung und der säkularen Opposition zuspitzen: "Das Scheitern der Ennahda - die neue Verfassung ist immer noch nicht verabschiedet, die öffentliche Ordnung ist gefährdet, die Investoren bleiben aus, und in den unterentwickelten Regionen hat sich immer noch nichts getan - beflügelt die radikaleren islamistischen Gruppierungen. Die müssten ebenfalls ins politische System eingebunden werden, um das Abdriften in den bewaffneten Kampf zu verhindern. Doch eine solche Einbindung der Radikalen würde neue Konzessionen an die Forderungen der Religiösen beinhalten."
Buzzfeed (USA), 07.03.2013
Seit letztem Jahr ist Ciudad Juarez nicht mehr Mordhauptstadt der Welt (der Titel gehört jetzt San Pedro Sula in Honduras), und auch wenn an eine noch so kleine Verbesserung kaum jemand glauben mag, gibt es schon wieder Menschen, die Hoffnung schöpfen, erzählt Jeremy Relph: "Elsa Hernandez Gonzalez war 23 Jahre Lehrerin, dann arbeitete sie zwei Jahre in der öffentlichen Verwaltung, bevor sie jetzt in die Schule zurückkehrte - ein Testboden für die Zukunft der Stadt und des Landes. Während wir in Juarez waren, erfuhr sie, dass das College 14 Land bekommen hatte, auf dem es eine eigene Schule bauen konnte. Unter ihren Schülern wird es - wie auch jetzt schon - beides geben: Drogendealer und Opfer. Das Schulsystem in Ciudad Juarez ist eine Front im Krieg nicht nur gegen Drogen, sondern gegen den Fatalismus, der es dieser Industrie erlaubt zu florieren. In diesem Sinne ist Elsa eine Chefin und Beraterin und Verwalterin und Vermittlerin von Liebe und Elternersatz, vor allem aber ist sie die wahre Speerspitze im Krieg gegen die Drogen. 'Sie sehen die Schule als Erlösung', sagt sie von ihren Studenten. 'Für sie sind wir wie eine Hoffnung.'"
n+1 (USA), 04.03.2013
Andrea Lim beschreibt am Beispiel von Chongquing und der Kunstfabrik 501 das Scheitern von Bo Xilais Experiment, freie Märkte vom Staat schaffen und "beschützen" zu lassen. Korruption und die Unmöglichkeit, Beamte für irgendetwas verantwortlich zu machen, ließen das nicht zu. Und nirgends scheiterte das Experiment so offensichtlich wie im Kunstmarkt, lernt Lim von Yan Yan, der 2006 die Kunstfabrik 501 gründete: "Die Neuigkeit sprach sich in der Kunstgemeinschaft schnell herum. Künstler im 501 stellten zusammen aus, gingen gegenseitig in ihren Studios ein und aus, vereinten Arbeit und Rumhängen. 'Ich habe gelernt, wie dumm ich bin', sagt Yan Yan mir eines Abends beim Bier im Moon, einem Café gegenüber dem 501. Yan Yan ist von farbloser Erscheinung - leise und dünn, das Haar trägt er in einem Pferdeschwanz - aber jetzt spricht er mit Entschiedenheit. 'Ich dachte, ich käme klar, wenn ich mit bestimmten Teilen des Systems umgehen könnte, aber ich verstand nie das System als ganzes.' Er dachte, er könne die existierenden Gesetze strategisch nutzen. 'Aber in Wahrheit', sagt er, 'bekommt die Regierung, was immer sie will.'" Heute ist 501 im wesentlichen von kommerziellen Grafik- und Designbüros belegt.
Außerdem: Moira Weigel ordnet in einem langen Essay Michael Haneke unter die Sadomodernen - offenbar eine europäische Spezialität - ein. Und Pooja Bhatia bespricht Laurent Dubois' Buch "Haiti: The Aftershocks of History".
Außerdem: Moira Weigel ordnet in einem langen Essay Michael Haneke unter die Sadomodernen - offenbar eine europäische Spezialität - ein. Und Pooja Bhatia bespricht Laurent Dubois' Buch "Haiti: The Aftershocks of History".
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