Magazinrundschau
Volker Gerhardt: Die Romantik beginnt 1750
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
30.10.2007. Der New Yorker rekapituliert die Geschichte der Universalbibliothek und entdeckt viele viele Perlentaucher. Outlook India porträtiert den ersten indisch-amerikanischen Gouverneur in der Geschichte der USA. Der Merkur erklärt, wer die Zeche für die Franc-Zone bezahlt. Die Gazeta Wyborcza erinnert an den Untergrundverlag Nowa. In Nepszabadsag denkt der Dichter Akos Szilagyi über asymmetrische Kriege nach. Der Economist erklärt den Begriff "bewaffnete Sozialarbeit". In Le Point hält Peter Sloterdijk seinen Geigerzähler an den Reaktor französischen Irrsinns. Im New Statesman fragt der Dramatiker Kwame Kwei-Armah, warum schwarze britische Schauspieler in die USA gehen müssen, wenn sie eine Karriere wollen.
New Yorker | Nepszabadsag | Economist | Al Ahram Weekly | Weltwoche | Point | Magyar Narancs | New Statesman | Outlook India | Merkur | Prospect | London Review of Books | Plus - Minus | Literaturen | Gazeta Wyborcza | Foglio
New Yorker (USA), 05.11.2007

Weiteres: Raffi Khatchadourian informiert über die umstrittenen Aktivitäten der Sea Shepherd Conservation Society, die sich den Schutz der Meere vor menschlichen Begehrlichkeiten und Zerstörung zur Aufgabe gemacht hat. Elizabeth Kolbert bespricht ein Buch über das Auto der Zukunft und die Zukunft des Autos: "Zoom: The Global Race to Fuel the Car of the Future" (Twelfe). Peter Schjeldahl führt durch eine Frieda-Kahlo-Retrospektive im Walker Art Center in Minneapolis. Joan Acocella schreibt über das Debüt der neuen Ballettkompanie Morphoses von Christopher Wheeldon im New Yorker City Center. David Denby sah im Kino Ridley Scotts Thriller "American Gangster" mit Denzel Washington und Russel Crowe. Zu lesen sind außerdem die Erzählung "The Dog" von Roddy Doyle und Lyrik von Rosanna Warren, Michael Ryan und Robert Bly.
Nur im Print: ein Porträt des englischen Schauspielers und Komikers Steve Coogan.
Outlook India (Indien), 05.11.2007

Merkur (Deutschland), 01.11.2007

Nur begrüßen kann Philosoph Volker Gerhardt, dass Rüdiger Safranski die Romantik auf die Agenda gesetzt hat, fragt sich aber, warum er sie mit Herders geplanter Reise nach Frankreich 1769 beginnen lässt: "Knapp zwanzig Jahre vor Herders Tagebuch über seine Seereise revoltiert Jean-Jacques Rousseau gegen den Glauben an die Überlegenheit der menschlichen Zivilisation... Alle Elemente des später so genannten romantischen Geistes sind in Rousseaus Schriften präsent: die Aufwertung des Sentiments, das Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, die religiöse Inbrunst, die Neigung zur romanhaften Übersteigerung des Erlebens, die Begeisterung für die Musik, der literarische Gestus und die bekenntnisselige Versenkung ins eigene Ich. Den Beginn der Romantik müsste man also von 1769 auf 1750 vordatieren."
Weitere Artikel: Übernommen wird ein Artikel des Autors Robert Kagan aus der Policy Review, in dem Kagan den Glauben an eine neue liberale, demokratische Weltordnung beerdigt und die Rückkehr des internationalen Ringens um Ehre, Prestige und Einfluss prophezeit.
Prospect (UK), 01.11.2007

Weitere Artikel: In der Titelgeschichte prangert Dick Taverne den "wahren Skandal um genmanipulierte Lebensmittel" an, dass nämlich trotz aller Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Widerstand dagegen in Politik und Bevölkerung vor allem Europas immer noch so heftig ist. Walter Russell Mead denkt über die Gegenwart der anglo-amerikanischen Beziehungen nach.
London Review of Books (UK), 01.11.2007

Weitere Artikel: Sanjay Subrahmanyam schreibt über V.S. Naipauls neues Buch "The Writer's People". Geoffrey Hawthorn liest Bücher über Venezuela, Hugo Chavez und die mit ihm verbundenen Hoffnungen. Hal Foster besucht die Ausstellung "The Painting of Modern Life" in der Londoner Hayward Gallery, und Thomas Jones berichtet vom Slow-Food-Festival im umbrischen Orvieto (mehr über slow food hier).
Plus - Minus (Polen), 29.10.2007
"Literatur sollte nicht die Politik spiegeln. Sie sollte von Tod, Gott und privaten Problemen handeln", urteilt im Gespräch mit dem Magazin der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew. Der promovierte Literaturhistoriker geht mit der russischen Literatur im allgemeinen und mit bekannten Autoren hart ins Gericht, erklärt aber: "Ich glaube an die Literatur und bin mir ihrer bewusst. Ich weiß, dass sie groß und wahr sein kann - nur an zeitgenössische Schriftsteller glaube ich nicht."
Dariusz Rosiak geht dem Phänomen von The Onion nach, einer der zehn populärsten Zeitschriften der USA, die vor allem aus erdachten Nachrichten besteht. "In Zeiten, in denen die Medien den Lesern jeden Blödsinn, mit etwas Pseudoweisheit unterlegt, zu verkaufen versuchen, scheint die Formel des Magazins ein sicheres Untergangsrezept zu sein. Trotzdem ist The Onion wohl die einzige Zeitschrift, die in den letzten drei Jahren sechzig Prozent neue Leser gewonnen hat, und in diesem Jahr 170 neue Mitarbeiter eingestellt hat". Für Rosiak besteht das Erfolgsgeheimnis darin, dass das Satiremagazin der Selbstzufriedenheit der amerikanischen Gesellschaft und der politischen Korrektheit entgegen wirkt. Die Lektüre "lässt uns über mediale Faszinationen, das Wesen der Öffentlichkeit und Autoritäten nachdenken. Das sind wichtige Fragen, mit denen sich viele Medien gar nicht befassen wollen."
Dariusz Rosiak geht dem Phänomen von The Onion nach, einer der zehn populärsten Zeitschriften der USA, die vor allem aus erdachten Nachrichten besteht. "In Zeiten, in denen die Medien den Lesern jeden Blödsinn, mit etwas Pseudoweisheit unterlegt, zu verkaufen versuchen, scheint die Formel des Magazins ein sicheres Untergangsrezept zu sein. Trotzdem ist The Onion wohl die einzige Zeitschrift, die in den letzten drei Jahren sechzig Prozent neue Leser gewonnen hat, und in diesem Jahr 170 neue Mitarbeiter eingestellt hat". Für Rosiak besteht das Erfolgsgeheimnis darin, dass das Satiremagazin der Selbstzufriedenheit der amerikanischen Gesellschaft und der politischen Korrektheit entgegen wirkt. Die Lektüre "lässt uns über mediale Faszinationen, das Wesen der Öffentlichkeit und Autoritäten nachdenken. Das sind wichtige Fragen, mit denen sich viele Medien gar nicht befassen wollen."
Literaturen (Deutschland), 01.11.2007

Weiteres: Kurt Darsow stellt Naomi Kleins neuen Anti-Globalisierungsbestseller "Die Schock-Strategie" vor. Gustav Seibt schreibt über Thomas Karlaufs Stefan-George-Biografie. Besprochen werden außerdem Ulrich Peltzers Roman "Teil der Lösung", zwei Stalin-Biografien und die Buchversion eines Podiumsgesprächs der poststrukturalistischen Theoretikerinnen Judith Butler und Gayatri Chakravorty Spivak. Im Kriminal preist Franz Schuh den im kleinen Pulp-Master-Verlag erschienenen Kriminalroman "Kaputt in El Paso" als "Meisterwerk".
Gazeta Wyborcza (Polen), 29.10.2007

Außerdem: Pawel Smolenski erinnert an die Geschichte des polnischen Untegrundverlags NOWA, der vor 30 Jahren entstanden ist. "Davor gab es den russischen Samizdat, aber nach anfänglichen technischen Probleme erreichte die NOWA einzigartige Auflagen von über zehntausend Exemplaren hochwertigen Drucks. Als Untergrundverlag war sie von Natur aus politisch, aber sie publizierte auch Literatur, Poesie und Dramen. Außerdem veröffentlichte sie Autoren aus anderen sozialistischen Ländern und sägte so am Grenzzaun." Die NOWA war der einzige polnische Verlag, der 1980 die Bücher des Nobelpreisträgers Czeslaw Milosz publizierte. Josef Brodsky erklärte einmal, dass seine Bücher nirgends in so hohen Auflagen veröffentlicht wurden. Nur bei den unabhängigen polnischen Verlagen war er sicher, "dass die Leser seine Bücher auch lesen, und nicht nur die Regale damit schmücken".
Foglio (Italien), 27.10.2007
Ugo Bertone stellt den amerikanischen Philanthropen Phil Harvey vor, der mit seiner Organisation DKT nicht nur kostenlos Kondome in Entwicklungsländern verteilt, sondern auch als einer der wenigen gegen Reagans Obszönitäts-Task-Force bestanden hat. Denn Harvey ist auch Gründer von Adam&Eve, "'Tim und ich', erinnert er sich, 'haben alles Mögliche versucht zu verkaufen: Pullover, T-Shirts, Freizeittaschen, Flugzeugmodelle bis hin zu Souvenirs und Armbanduhren.' Nichts. Dann eine Entdeckung. Jedesmal, wenn wir in den Katalog irgendetwas auch nur vage Erotisches aufnahmen, schoss die Nachfrage in die Höhe.' So wurde Adam&Eve geboren, der multinationale Porno-Koloss, der seit 1995 Filme produziert, Marktführer sowohl im Internet als auch in den Läden, die in den USA überall aus dem Boden wachsen, um sage und schreibe 15.000 Apparaturen für sexuelle Zwecke zu vertreiben, vom 'Muschi-Vergrößerer' bis zum 'Skorpion mit dem Doppelstachel' (Probieren Sie es aus, heißt es in der Werbung für Homosexuelle und Heteros)." Spätestens mit seinem nach beinahe zehn Jahren vor dem Supreme Court gewonnenen Prozess gegen die US-Regierung dürfte Harvey der legitime Nachfolger von Larry Flynt sein.
Nepszabadsag (Ungarn), 27.10.2007

Der tschechische Schriftsteller Ivan Klima, der in der kommunistischen Ära nur im Ausland publizieren konnte, antwortet im Interview mit Gyula Varsanyi auf die Frage, inwiefern sich die Rolle des Schriftstellers verändert hat: "Unter dem kommunistischen Regime erwarteten die Leser von den Autoren, dass sie sich frei verhalten und in ihren Werken die Literatur nicht mit Propaganda und ideologischen Klischees verwechseln. Heute bestehen solche Forderungen gegenüber der Literatur nicht, das bedeutet aber noch lange nicht, dass sich der Schriftsteller immer als freie Persönlichkeit verhält. Bedienen kann man nämlich auch Modeerscheinungen, Markterfordernisse oder Unterhaltung. Zwar hat der Verlust dieser zusätzlichen Rollen und die Entwicklung anderer Medien viele Leser von der Literatur entfernt, die neue Situation hat es den Autoren aber auch ermöglicht, in ihren Werken nicht mehr als politische Kämpfer zu erscheinen."
Economist (UK), 26.10.2007

Besprochen werden eine Londoner Ausstellung mit Fotografien aus dem China des Jahres 1979 von Eve Arnold im Asia House in London, Lucien X. Polastrons "etwas enttäuschende" Geschichte zerstörter Bibliotheken von der Antike bis in die Gegenwart, Robert Drapers distanziertes Buch "Dead Certain" über die Präsidentschaft von George W. Bush (der Rezensent lobt, dass Draper Bush wirklich "kapiert" habe). Einen Nachruf gibt es auf das südafrikanische Reggae-Idol Lucky Dube.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 25.10.2007

Weitere Artikel: Es gibt zwar keine wirklich verlässlichen Zahlen - viel spricht aber dafür, meint Sahar El-Bahr, dass die Selbstmordrate in Ägypten derzeit stark zunimmt. Amira Howeidy informiert über Diskussionen der ägyptischen Muslimbrüderschaft, ob sie in ihrem Wahlprogramm auch einen nicht-muslimischen Präsidenten für akzeptabel erklären sollen.
Weltwoche (Schweiz), 25.10.2007

Beatrice Schlag berichtet von einer Fehde zwischen dem Verlag und der Witwe Raymond Carvers. Letztere "will die 17 Geschichten aus 'Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden' unter dem Titel 'Beginners' nochmals veröffentlichen - diesmal auf der Grundlage von Carvers Originalmanuskripten. Der Verlag läuft Sturm gegen das Projekt. 'Lieber würde ich Ray wieder aus der Erde buddeln', sagt Knopf-Vizechef Gary Fisketjon, der Carvers letzter Lektor war. 'Ich verstehe nicht, was Tess daran für ein Interesse hat, außer sie wolle die Literaturgeschichte neu schreiben. Ich bin entsetzt.' Tess Gallagher antwortet, die neue Version des Carver-Buches solle lediglich das Vermächtnis ihres verstorbenen Mannes wiederherstellen: 'Ich freu mich auf die Zeit, wenn ein begeisterter Leser nicht mehr auf mich zukommt und fragt: Hat Gordon Lish wirklich alle Carver-Storys geschrieben?'"
Weitere Artikel: Alix Sharkey porträtiert Roberto Cavalli, den Designer für weiße Rockstars. Marek A. Cichocki, Direktor des EuropäischenZentrums Natolin, eines konservativen polnischen Think-Tanks, und Berater des polnischen Präsidenten Lech Kaczinski, kommentiert den Wahlausgang in Polen: "Die polnische Demokratie ist gesünder und stabiler geworden." Und Güzin Kar weiß, warum immer ältere Männer sind, die über den Feminismus jammern: "Weil sie das neue Gebiss testen müssen, und es geht am besten mit Wörtern, in denen F und S vorkommen. Darum schimpfen sie über den Feminiffmuff..."
Point (Frankreich), 25.10.2007

Und in seinen Bloc-notes findet es Bernard-Henri Levy durchaus erlaubt, über seinen Präsidenten Sarkozy, der sich selbst so gern in Szene setzt und durch seine Scheidungsgeschichte nun einen herben Kontrollverlust erlitten hat, "erschüttert" zu sein.
Magyar Narancs (Ungarn), 25.10.2007

New Statesman (UK), 24.10.2007

Weitere Artikel: Alex Brummer warnt davor, die Bedeutung der Musikindustrie zu unterschätzen: Neue Künstler hätten nach wie vor kaum Chancen auf den Durchbruch ohne die Beziehungen und Marketing-Instrumente der großen vier Konzerne, in deren Händen nach wie vor 95 Prozent der Verkäufe liegen. Becky Hogge stellt fest: Blogs könnten eines Tages den Niedergang des Qualitätsjournalismus ausgleichen. Über die Bedeutung von Jean Sibelius für Finnland denkt Rick Jones nach.
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