Magazinrundschau
Sadiq Jalal al-Azm: Selbstkritik nach der Niederlage
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
21.08.2007. Der Merkur stemmt sich gegen die Dekadenz des Westens. In der New York Times schreibt Mark Lilla über die Politik Gottes und seine modernen Propheten. Der syrische Philosoph Sadiq al-Azm wünscht den arabischen Ländern ein Weizmann-Institut. Der Economist staunt, wie schlecht die CIA ihren Job macht. Outlook India schildert, wie feudal die Owaisi-Familie über die Altstadt von Hyderabad herrscht. In Elet es Irodalom wünscht sich Andras Farkas etwas mehr Globalbewusstsein. Der Nouvel Observateur untersucht den Sexismus der Philosophen. Im Guardian malt sich Germaine Greer aus, wie Ann Hathaway die Sonette des untreuen Shakespeare zu lesen bekam. Und der New Yorker schwärmt von der neuen Retro-Opulenz an der Upper Westside.
New Yorker (USA), 27.08.2007

Weiteres: Unter der Überschrift "Die menschliche Bombe" kommentiert Adam Gopnik Nicolas Sarkozys Pläne für Frankreich. Niall Ferguson bespricht die Studie zum Marshall-Plan "The Most Noble Adventure". Adam Kirsch stellt eine Biografie der britischen Autorin Anne Wroe über den englischen Dichter Percy Shelley. Und Anthony Lane würdigt das filmische Vermächtnis von Michelangelo Antonioni.
Zu lesen sind außerdem die Erzählung "Nawabdin Electrician" von Daniyal Mueenuddin und Lyrik von Kimiko Hahn und Philip Schultz.
Nur im Print: Alex Ross über Auswirkungen des Kalten Kriegs auf den amerikanischen Komponisten Aaron Copland, ein Porträt des britischen Schauspielers Ian McKellen und eine Reportage über das Projekt einer nationalen amerikanischen Saatenbank.
Merkur (Deutschland), 20.08.2007

Dass der Blick auf islamistische Schriften aber auch nicht schadet, zeigt der Beitrag von Karsten Fischer, in dem dieser den westlichen Antiliberalismus als "Exportschlager" beschreibt: "Nichts anderes als dieser okzidentalistische Antiliberalismus speist auch den gegenwärtig virulenten fundamentalistischen Dekadenzdiskurs. Eine zentrale Stellung nimmt hierin der islamistische Ideologe Sayyid Qutb ein, dessen heutiger Einfluss kaum überschätzt werden kann, bis hin zu Osama Bin Laden. Qutbs Denken ist besessen von Phantasmagorien allgegenwärtiger Dekadenz, im Orient als Voraussetzung des Kolonialismus, im Okzident als sein Ansporn, und bereits in der römischen Antike mit ihrem das westliche Denken prägenden, bloß zivilreligiösen Wohlstandsstreben, gegen das Qutb einen Dschihad für die Wiedererrichtung der Souveränität und Autorität Gottes ausruft. Solchermaßen erfährt der Dekadenzdiskurs durch den islamischen Fundamentalismus eine sekundäre Sakralisierung, mit der sich erweist, dass alle prägnanten Begriffe der fundamentalistischen Kulturkritik sakralisierte politische Begriffe sind."
In weiteren online lesbaren Artikeln nimmt sich Siegfried Kohlhammer den Hass der Intellektuellen auf die eigene Gesellschaft vor, verfolgt Kathrin Passig das Verhältnis von "Militär und Dekadenz" in Geschichte und Gegenwart und nähert sich Norbert Bolz unter dem Titel "Die Religion des Letzten Menschen" der religiösen Kombinatorik von heute. Nur im Druck kann man unter anderem Aufsätze von Hans Ulrich Gumbrecht über "Stolz" und die "Grenzen des Zumutbaren", von Burkhard Müller über "unseren Unzeitgenossen Sallust" und von Gerhard Henschel über den "Moloch Großstadt" lesen.
Outlook India (Indien), 27.08.2007

Im Filmteil erzählt Namrat Joshi die Geschichte des Überraschungserfolgs der Saison. "Chak De India" ist ein Film ohne Tanz und Gesang, er handelt von armen Mädchen und einer unpopulär gewordenen Sportart: Hockey. Und SRK alias Shah Rukh Khan (hier eine deutsche Fan-Seite). Es gibt auch ein Interview mit dem Star.
al-Sharq al-Awsat (Saudi Arabien / Vereinigtes Königreich), 20.08.2007
In einem Interview blickt der syrische Philosoph Sadiq Jalal al-Azm auf die arabische Niederlage im Sechs-Tage-Krieg gegen Israel 1967 zurück und umreißt die Lehren, die daraus zu ziehen sein sollten. Al-Azms Buch "Selbstkritik nach der Niederlage" gilt als Meilenstein der arabischen politischen Literatur. "Wir leiden noch immer an den Folgen der Niederlage. Bis heute lässt sich eine wirkliche und ernsthafte Auseinandersetzung mit den tiefliegenden Ursachen der Niederlage nicht beobachten. Nötig wäre eine Reform der sozialen Strukturen, der Bildungs- und Erziehungsstrukturen. Das wäre notwendig, und nicht die Reform des Militärs." Die Förderung eines selbstkritisches Blicks auf die eigene Gesellschaft ließe sich nicht zuletzt durch eine Stärkung der akademischen Forschung erreichen. Al-Azm nennt hier als Beispiel das israelische Weizmann-Institut.
Economist (UK), 17.08.2007

Weitere Artikel: Gleich zwei Biografien der US-Außenministerin Condoleezza Rice sind gerade erschienen - für den Economist handelt sich nach Lage der Dinge eher um Nachrufe auf einen einst vielversprechenden Politstar. Sehr angetan ist der Economist auch von Gregory Clarks kurzer Wirtschaftsgeschichte der Welt - gerade weil sie in politisch nicht sehr korrekter Weise den wirtschaftlichen Aufbruch des 18. Jahrhunderts aus Englands fortgeschrittenem Zivilisationszustand erklärt. Außerdem besprochen werden zwei Bücher über den Sudan, eines über seine Geschichte, eines über die Gegenwart.
Tygodnik Powszechny (Polen), 19.08.2007

Foglio (Italien), 18.08.2007

Außerdem empfiehlt Paola Bacchiddu den Roman "Il signor figlio" des bekannten TV-Conferenciers Alessandro Zaccuri, in dem Giacomo Leopardi und Rudyard Kipling ihren Auftritt haben.
Gazeta Wyborcza (Polen), 18.08.2007

"Der Irak ist zu Ende. Der Irak hat gerade erst begonnen. Er hat noch nicht begonnen, was die Folgen für das Land, den Nahen Osten, für die Außenpolitik der USA und deren Ruf in der Welt angeht" schreibt in einem kurzen Text Timothy Garton Ash. Positives gibt es nicht zu berichten: "Wir kennen die langfristigen Folgen des Krieges nicht. Vielleicht ist da ein Lichtchen der Hoffnung im Tunnel, aber so weit das Auge blicken kann, sieht man nur schlechte oder katastrophale Folgen. Seit einem Vierteljahrhundert schreibe ich über internationale Probleme, aber ich kann mich an kein größeres und vermeidbareres, vom Menschen verursachtes Drama, erinnern."
Nur im Print zu lesen: Fragmente des neuen Romans von Michal Witkowski, in dem der Schriftsteller die Sammelwut der Polen in den Achtziger Jahren als Rückzugsstrategie aus einer hoffnungslosen politischen Realität beschreibt.
Espresso (Italien), 17.08.2007

HVG (Ungarn), 16.08.2007

Elet es Irodalom (Ungarn), 10.08.2007

In Cividale del Friuli, einer kleinen italienischen Stadt an der slowenischen Grenze, hat im Juli das mitteleuropäische Festival "Mittelfest" stattgefunden. Dessen Leiter Moni Ovadia erklärt Julia Varadi seine Auffassung von zeitgenössischem Theater. "Wir, die wir auf der Bühne groß geworden sind, wissen, welch starke Wirkung ein auf der Bühne zum Ausdruck gebrachter Gedanke auf das Publikum haben kann. Nicht nur der Intellekt empfängt eine Botschaft, auch der Magen, das Herz, alle Sinnesorgane sind daran beteiligt. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschenrechte in Europa und anderswo auf der Welt erst dann vollständig geachtet werden, wenn sie den Menschen ins Blut übergehen, wenn sich die Erkenntnis bei einem jeden Einzelnen durchsetzt, dass das Leben ohne die Achtung der Menschenrechte nicht lebenswürdig ist. Sie können es naiv nennen, aber ich glaube fest daran, dass das Theater eines der wenigen wirkungsvollen Mittel dazu ist."
Nouvel Observateur (Frankreich), 16.08.2007

Weitere Dossierbeiträge untersuchen das Frauenbild bei Adorno, Rousseau, Kiergaard und Nietzsche, ein Artikel widmet sich Hannah Arendt, der Frau "im Schatten Heideggers".
Guardian (UK), 18.08.2007

Steven Poole bespricht recht enthusiastisch William Gibsons neuen Roman "Spook County": "Dieser Roman ist ein Politthriller, der auch eine Satire auf Werbung, Musik und die Computer-Geekokratie ist, ein sehr fein gearbeiteter Krimi, dessen hauptsächlicher Reiz in der Fülle winziger ästhetischer Schocks und unerwarteter Texturen liegt."
New York Times (USA), 19.08.2007

In der Sunday Book Review liest Luc Sante eine Neuausgabe von Jack Kerouacs epochalem Buch "On the Road", das vor fünfzig Jahren zum ersten Mal erschien. Und Matt Weiland liest ein Buch John Lelands, das anlassgerecht erklärt "Why Kerouac Matters". Und Leah Hager Cohen empfiehlt ein offensichtlich faszinierendes Buch von Margalit Fox über ein Berberdorf mit einer sehr hohen Rate von Gehörlosen, das eine eigene Zeichensprache entwickelte, die dort von Tauben und Hörenden verstanden wird. Besprochen wird auch Handkes neuer Roman "Crossing the Sierra de Gredos".