Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.11.2005. Das ES-Magazin feiert einen Jahrhundertroman: Peter Nadas' "Parallele Geschichten". Im Spiegel sieht Hans Magnus Enzensberger in den Islamisten radikale Verlierer, wie es auch die Nationalsozialisten waren. Der New Yorker fragt, ob die CIA ihre Gefangenen im Ausland legal töten kann. Polen wird immer noch durch die Grenze von 1918 geteilt, stellt Polityka angesichts der Präsidentschaftswahlen fest. Verhindert die fehlende Aufarbeitung der französischen Kolonialgeschichte eine Integration der Einwanderer?, fragt Le Nouvel Observateur. George Bush benimmt sich wie ein Kommunist, bemerkt der Spectator. Religiöse Autoritäten in Ägypten verhindern das Erscheinen eines Buches über den Wahabismus, meldet Al Ahram. Jane Austens "Stolz und Vorurteil" ist die Fruchtfliege der literarischen Darwinisten, weiß das New York Times Magazine.
Spiegel (Deutschland), 07.11.2005

Außerdem: Lars von Trier erzählt im Interview, was ihn zu seinem Film "Manderlay" inspiriert hat: "Ich wollte einen Film drehen, der meinen Eltern - vor allem meiner Mutter, einer überzeugten Sozialistin - gefallen hätte." Im Aufmacher erzählt der Spiegel, wie es 16 Jahre nach dem Mauerfall dazu kam, dass wir von zwei Ostdeutschen regiert werden.
Elet es Irodalom (Ungarn), 04.11.2005

Das ES-Magazin ist nicht überrascht, dass in der von Foreign Policy und Prospect präsentierten Liste der 100 wichtigsten Intellektuellen der Welt, die Osteuropäer stark unterrepräsentiert sind. Verfasser der Liste "kennen sich nach eigenen Angaben vor allem im englischen Sprachgebiet aus. Großbritannien ist mit seinen ehemaligen Kolonien enger verbunden als mit den großen Kulturnationen des europäischen Kontinents. Deshalb ist Kenia, erfreulicherweise, sogar mit zwei Namen vertreten - soviel wie Deutschland", kommentierte in der vorletzten Ausgabe Janos Szeky. Die Wahl Noam Chomskys zum wichtigsten der 100 wichtigsten Intellektuellen erklärt er sich in der letzten Ausgabe mit der Faszination, die der Typ des "radikalen Oppositionellen, den Chomsky verkörpert", auf die "altliberalen, regierungs- und establishmentfreundlichen Leser beider Magazine" ausübt.
Nouvel Observateur (Frankreich), 03.11.2005

Vorgestellt werden außerdem unter anderem zwei Bücher gegen die "Vergötterung des Fortschritts": "Nous autres, modernes" (Ellipses) des Philosophen Alain Finkielkraut, ein Sammelband seiner Vorlesungen an der Ecole polytechnique, und "Moderne contre moderne" des Schriftstellers und Essayisten Philippe Muray. "Glaubt man Muray und Finkielkraut, ist sich die Moderne in ihrer ultramodernen Einsamkeit selbst zum Feind geworden. Die Moderne hat die Moderne durch Chaos besiegt."
New Yorker (USA), 14.11.2005
In einer ausführlichen Reportage untersucht Jane Mayer den Tod des in Abu Ghraib bei einem Verhör zu Tode gekommenen mutmaßlichen Terroristen Manadel al-Jamadi und geht der Frage nach, ob die CIA "Gefangene legal töten" könne. Der Hintergrund: "Nach dem 11. September stellte das Justice Department geheime, legale Richtlinien auf, welche offenbar CIA-Agenten absichern, die außerhalb der Vereinigten Staaten aggressive und auch gewalttätige Verhöre durchführen. Techniken wie das 'Wassertauchen', bei dem Verdächtige fast ertränkt werden, wurden von einer Behörde ausdrücklich genehmigt, die meint, dass derartige Methoden nötig wären, um den Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen." Die Bemühungen, genaue Auskunft über diese Richtlinien zu erhalten und vor allem, herauszufinden, wer genau für den Tod von al-Jamadi verantwortlich ist, werden von der Regierung blockiert. "Es besteht die Möglichkeit, dass nach den geheimen Richtlinien die Tötung Jamadis kein Gesetzesbruch war."
Weitere Artikel: John Seabroock traf den Soziolinguisten und bedeutendsten Dialektforscher der Vereinigten Staaten William Labov, der gerade einen "Atlas of North American English" herausgegeben hat. Wyatt Mason porträtiert den spanischen Schriftsteller Javier Marias und rezensiert seinen Roman "Your Face Tomorrow: Volume I, Fever and Spear", der jetzt in den USA erschienen ist. Sasha Frere-Jones erkundet den Houston HipHop von Bun B.. Und Anthony Lane sah im Kino das Familiendrama "Bee Season" von Scott McGehee und David Siegel und Joe Wrights Verfilmung von "Pride and Prejudice?, die ihn aufstöhnen lässt: "Jane Austen wurde brontefiziert." Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Best Year of My Life" von Paul Theroux.
Nur in der Printausgabe: ein Porträt des Schauspielers Steve Buscemi, der Kommentar zu einem offenbar inhaltlich zentralen Kompromiss bei den Demokraten, ein Bericht über ärztliche Kunstfehler und Lyrik von Mahmoud Darwish und Meghan O?Rourke.
Weitere Artikel: John Seabroock traf den Soziolinguisten und bedeutendsten Dialektforscher der Vereinigten Staaten William Labov, der gerade einen "Atlas of North American English" herausgegeben hat. Wyatt Mason porträtiert den spanischen Schriftsteller Javier Marias und rezensiert seinen Roman "Your Face Tomorrow: Volume I, Fever and Spear", der jetzt in den USA erschienen ist. Sasha Frere-Jones erkundet den Houston HipHop von Bun B.. Und Anthony Lane sah im Kino das Familiendrama "Bee Season" von Scott McGehee und David Siegel und Joe Wrights Verfilmung von "Pride and Prejudice?, die ihn aufstöhnen lässt: "Jane Austen wurde brontefiziert." Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Best Year of My Life" von Paul Theroux.
Nur in der Printausgabe: ein Porträt des Schauspielers Steve Buscemi, der Kommentar zu einem offenbar inhaltlich zentralen Kompromiss bei den Demokraten, ein Bericht über ärztliche Kunstfehler und Lyrik von Mahmoud Darwish und Meghan O?Rourke.
Espresso (Italien), 10.11.2005

Umberto Eco würdigt den verstorbenen französischen Künstler Arman (mehr), der mit seinen Vervielfältigungsarrangements die Vielfalt feierte. "Er zeigt uns, dass es im Inneren des Gleichen (viele Gabeln, viele Brillen, viele Musikinstrumente) die Möglichkeit einer Modulation der Multiplikation gibt. Im närrischen (aber eigentlich strengen Regeln folgenden) Spiel seiner Anordnungen, in dem jedes Objekt, durch eine Neigung, eine Ungleichgewichtigkeit, eine minimale Drehung, sich vom seinem Pendant unterscheidet, wandelt Arman die Monotonie des Identischen in eine Sinfonie des Heterogenen um."
Weiteres: Die 30-jährige saudi-arabische Fernsehmoderatorin Rania al-Baz sagt Gigi Riva im Interview, warum sie sich als eine der Ersten öffentlich für die Rechte der Frauen in ihrem Land stark macht: "Wenn nicht ich, wer dann?" Im Kulturteil gibt Monica Maggi einen knappen Überblick über die Neuerscheinungen der aufstrebenden italienischen Comicbranche.
Polityka (Polen), 07.11.2005

Der Literaturkritiker Marek Zaleski sorgt sich um die polnische Prosa. Gerade der Anspruch, die aktuelle Wirklichkeit beschreiben zu wollen, sei ein Problem: "Auf längere Sicht wird nur die Prosa der Autoren Bestand haben, die überraschen, ohne bemüht zu sein. Nicht ohne Wert ist auch der Sinn für Humor - lieben wir nicht deshalb Andrzej Stasiuk, Jerzy Pilch, Adam Wiedemann oder Dorota Maslowska?" Da die Lebensstile und somit die Lesegewohnheiten sich verändern, werden immer mehr kurze Prosaformen an Popularität gewinnen, prophezeit Zaleski.
Gazeta Wyborcza (Polen), 05.11.2005

Über verschiedene Auslegungen von "Modernität" diskutiert Adam Leszczynski mit dem berühmten Soziologen Schmuel Eisenstadt, der letztens den Doktor honoris causa in seiner Geburtsstadt Warschau erhielt. "Jede Gesellschaft wählt ihre eigene Modernität - auch der Kommunismus war ein solches Projekt. Und der islamische Fundamentalismus - wissen Sie, dass das Wort 'Fundamentalismus' an der Wiege der Modernität entstand, in den USA? Die Islamisten sind die heutigen Jakobiner, die die Tradition für ihre Zwecke benutzen."
Spectator (UK), 05.11.2005

Theodore Dalrymple kommentiert gewohnt snobistisch die Unruhen in den französischen Vorstädten und erinnert daran, dass dort täglich zwanzig bis vierzig Autos in Brand gesetzt werden: "Wenn Großbritannien Weltmeister im Autodiebstahl ist, dann ist Frankreich der Champion im Auto-Abfackeln. Für Frankreichs soziale Unterentwicklung spricht, dass die Brandstiftungen viel weniger die französische Bourgeoisie treffen als die Auto-Diebstähle die britische. In Frankreich wird dein Auto nur dann abgebrannt, wenn du an der Grenze zur Armut stehst. Auch wenn die französische Presse immer wieder gegen unsere wilden Liberalismus anschreibt, ist Großbritannien eine viel egalitärere Gesellschaft als Frankreich, wo Kriminalität so gut eingezäunt ist."
Clarin (Argentinien), 05.11.2005

Diego Erlan spricht mit Eduardo Makaroff, einem der Begründer des Tango Ensembles Gotan Project, über Sinn und Zweck von dessen höchst erfolgreichem Electrotango (mehr hier): "Der Tango musste einfach ein weiteres Mal einen weltweiten Triumph erleben. Das war schon in den zwanziger Jahren so, danach mit Astor Piazzola, und jetzt mit uns. Der Tango ist eine der großen westlichen musikalischen Ausdrucksformen des 20. Jahrhunderts. Unsere Musik bezieht sich auch auf die Wirklichkeit und die Wahrheiten der argentinischen Geschichte. Che Guevara hat einmal gesagt: 'Wir wollen Frieden und ein besseres Leben für unser Volk.' Diese Botschaft finden wir interessant."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 02.11.2005
Ägyptens religiöse Autoritäten der Al-Azhar-Universität verhindern das Erscheinen der ägyptischen Ausgabe eines Buches, das ursprünglich 2004 bei der Oxford University Press erschienen ist: Natana J. DeLong-Bas' Studie "Wahhabi Islam: From Revival and Reform to Global Jihad". Der offizielle Grund: "Informationen, die den Prinzipien des Islam widersprechen", erklärt Al-Ahram. Der Wahhabismus, begründet von Muhammad ibn Abd al-Wahhab, ist eine sehr strenge Form des sunnitischen Islam, die vor allem in Saudi-Arabien und von den Islamisten gepflegt wird. Überraschenderweise hoffen Verleger und Universitätsprofessoren aus dem Westen, dass der Bann aufgehoben wird, wenn den Zensoren erst klar werde, dass al-Wahhab in dem Buch eigentlich recht positiv dargestellt wird. Nur Gaber Asfour, Professor für Arabische Literatur an der Cairo University und Generalsekretär des obersten Kulturrats in Ägypten, protestiert gegen jede Form von Zensur - egal aus welchem Grund. Ob nun politischer Einfluss auf die Entscheidung genommen wurde oder nicht, "man muss wieder die allgemeine Regel in Erinnerung rufen, dass keine Autorität das Recht hat, die Meinungsfreiheit einzuschränken, das wäre ein Verstoß gegen die Menschenrechte, der den Prinzipien der Toleranz widersprechen würde, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind. Und Ägypten ist Mitglied der Vereinten Nationen."
Weitere Artikel: Reem Leila schaut sich vor den Parlamentswahlen in der ägyptischen politischen Landschaft um und sieht zwar Kandidaten jeder Coleur - aber fast keine Frauen. Dena Rashed schaut sich in der Muslimbrüderschaft nach Geschlechtsgenossinnen um. Und Samir Sobhi porträtiert den Dichter Bahaa Jahin, der traditionelle ägyptische Dichtung in die Postmoderne holt.
Weitere Artikel: Reem Leila schaut sich vor den Parlamentswahlen in der ägyptischen politischen Landschaft um und sieht zwar Kandidaten jeder Coleur - aber fast keine Frauen. Dena Rashed schaut sich in der Muslimbrüderschaft nach Geschlechtsgenossinnen um. Und Samir Sobhi porträtiert den Dichter Bahaa Jahin, der traditionelle ägyptische Dichtung in die Postmoderne holt.
Weltwoche (Schweiz), 03.11.2005

Franziska K. Müller beschreibt die heftigen Reaktionen auf das Buch der New Yorker Schickse und Vogue-Redakteurin Kristina Grish: "Boy Vey! The Shiksa?s Guide to Dating Jewish Men".
Times Literary Supplement (UK), 04.11.2005

Außerdem besprochen werdem Neuerscheinungen zu Jean-Paul Sartre, Max Egremonts Biografie des Dichters Siegfried Sassoon und Kathryn Hughes Biografie der viktorianischen Haushälterin Mrs. Beeton "The Short Life and Long Times of Mrs. Beeton".
New York Times (USA), 06.11.2005

Weiteres: David Rieff diskutiert, ob Amerikas Grenzen offen bleiben sollen. Lisa Belkin porträtiert den Kinderarzt Holmes Morton als Mediziner der Zukunft. Morton studiert an seinen Patienten von den isolierten Amish People und Mennoniten seltene Erbkrankheiten und entwirft, basierend auf dem jeweiligen Genbild, individuelle zugeschnittene Therapien, die das Ausbrechen dieser Krankheiten von vornherein verhindern sollen. Alex Witchel stellt Sarah Smiley vor, die in ihrer Zeitungskolumne die Ängste einer Soldatengattin formuliert. Lawrence Ferlinghetti, 86-jähriger Eigentümer des legendären City Lights-Buchladens in San Francisco, klärt Deborah Solomon darüber auf, dass die Beatniks mit ihren Perfomances den Rappern den Weg gewiesen haben.
