Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
11.10.2005. Die Lettre veröffentlicht Auszüge aus den Reportagen der sieben Finalisten für den Lettre Ulysses Award. Der New Yorker porträtiert den Galeristen Leo König. Outlook India blickt in die Zukunft des Journalismus. In Radar erzählt die Dichterin Silvina Ocampo, warum Affen am schönsten singen. Die Gazeta Wyborcza denkt über Weißrussland und Europa nach. In Polityka erzählt Dorota Maslowska von einer Reise nach Moskau. Im du-Magazin beschreibt Sybille Lewitscharoff das Wirken Satans in der Moderne. Die Weltwoche porträtiert Abu Mussab al-Sarkawi. Das New York Times Magazine zitiert afghanische Landays.
Lettre International | Folio | Economist | Espresso | Al Ahram Weekly | Nouvel Observateur | Magyar Narancs | New York Times | Gazeta Wyborcza | Weltwoche | DU | Spectator | Outlook India | Radar | New Yorker | Polityka
Lettre International (Deutschland), 01.10.2005

Ucedas Reportage "Verhör in den Anden" ist eine von sieben, die es in die Endauswahl für den Lettre Ulysses Award geschafft hat. Der einzige internationale Preis für Reportagen wird am Sonntag zum dritten Mal verliehen. Wir bringen vorab einen langen Auszug.
Weitere Auszüge aus den Reportagen der sieben Finalisten finden sich im neuen Lettre-Heft: "Schiffsverschrotter" - William Langewiesches Reportage über die Schiffsabwracker in Alang/Gujarat, die im August 2000 in Atlantic Monthly veröffentlicht wurde (die ganze Reportage auf Englisch finden Sie hier); "Baghdad Burning" - das Blog einer Anonyma mit dem nom de guerre Riverbend aus dem Irak; "Tage in Mekka" von Abdellah Hammoudi; "In Kolumbien" von Carolin Emcke; "Bombay; Maximum City" von Suketu Mehta; "Söldnerherz. Unterwegs mit einem Killer - Reise in die afrikanische Nacht" von Alexandra Fuller (Peter Longworth, Britisch High Commissionar von Zimbabwe 1998-2001 hat das Buch im Guardian besprochen).
Gazeta Wyborcza (Polen), 08.10.2005

Im Interview erklärt der französische Publizist Guy Sorman, warum die Vorstellung einiger europäischer Linken und Jeremy Rifkins, Europa könnte ein erfolgreiches Alternativmodell zum angelsächsischen Liberalismus darstellen, falsch sind: "Das wird unter anderem deshalb nicht passieren, weil Europa nicht mit einer Stimme spricht und ein Identitätsproblem hat. Wenn Europa in der globalen Konkurrenz bestehen will, muss es den Schritt Richtung Föderation wagen. Ich glaube, es wird diesen Schritt tun."
Weltwoche (Schweiz), 07.10.2005

Weitere Artikel: Hanspeter Born besucht den englischen Historiker Robert Conquest und ist beeindruckt: "Als Historiker bringt er das Weltgeschehen auf die Reihe, als Dichter alles auf fünf Zeilen." Christian Seiler geht mit Marianne Kaltenbach essen, der Frau, die "der Schweiz das Kochen beibrachte".
DU (Schweiz), 01.10.2005

Zu lesen ist außerdem Andrea Böhms Bericht aus Colorado Springs, mit 641 Kirchen ein Stützpunkt der evangelikalen Christen Amerikasim Kampf gegen die Gottlosen. Nur in der Printausgabe zeichnet Hans Richard Brittnacher die Geschichte des Satanismus nach. Rudi Thiessen macht das Christentum für die Macht des Teufels über die Seelen verantwortlich. Und Gert Scobel verortet das Böse im Nachahmungstrieb des Menschen.
Spectator (UK), 07.10.2005

Dominic Midgley macht darauf aufmerksam, dass London ein Mekka für russische Oligarchen geworden ist. "Diese Leute ziehen England den Vereinigten Staaten zum Teil vor, weil die Londoner Bankenszene weniger strikt reguliert ist als die amerikanische - aber auch weil wir weniger Vorurteile gegenüber Russen mit Geld haben. Ein mittelschwerer Oligarch, der seinen Urlaub in Aspen verbrachte, berichtet, dass ein Amerikaner vor Angst fast aus dem Skilift gesprungen wäre, als er ihm erzählte, wo er herkam. In Amerika bedeutet Russland Mafia. Hier nicht."
Outlook India (Indien), 17.10.2005

Einige blicken in die Zukunft: Sir Harold Evans, der in den siebziger Jahren bei der Sunday Times mit seinem investigativen Journalismus Furore machte und und 2002 als "Redakteur des Jahrhunderts" geehrt wurde, findet im Gespräch mit Sugata Srinivasaraju die Meinungslust der Blogger "sehr gesund". Ein anderer Sir, Arthur C. Clarke, ist sich sicher: "Es wird kein Zurück geeben auf dem Weg von Citizen Kane zum 'Citizen Journalist'." Clarke schreibt: "Die Publikation von Online-Tagebüchern zeigt, wie passionierte Individuen Aufmerksamkeit erregen und Einfluss weit über ihre beruflichen und sozialen Zirkel hinaus ausüben können." Interessant ist auch Seema Sirohis Interview mit David Remnick, dem Chefredakteur des New Yorker, über die Zukunft des Magazinjournalismus.
Bei der Frage, ob Indien oder China das Rennen um die künftige Supermacht macht, greift Pulitzer-Preisträger Thomas Friedman zu einer schönen Metapher: "Ich sehe beide als Super-Highways, sechsspurig. Der chinesische Super-Highway ist perfekt gepflastert, hat prima Gehwege, und alle Straßenlaternen funktionieren. Aber weiter hinten bremst eine Bodenschwelle das Tempo, auf der steht: politische Reform. (...) Indien ist auch ein Super-Highway, allerdings voller Schlaglöcher, mit Rissen im Zement, unfertigen Gehwegen und kaputten Laternen. Weiter hinten jedoch sieht man, wie die Straße sich glättet." Und Jeremy Seabrook ergänzt: "Man hat Mutter Indien in Miss World verwandelt."
Andere blicken zurück: Gabriel Garcia Marquez erinnert sich an seine Anfänge als Reportereleve vor einem halben Jahrhundert, als Journalisten noch Journalisten waren und nicht der O-Ton der Gipfel der Wahrheit, sondern die Zeugenschaft des gewissenhaften Berichterstatters. Sheela Reddy führt ein langes Gespräch mit einer indischen Journalistenlegende, dem 91-jährigen Khushwant Singh.
Radar (Argentinien), 09.10.2005

Der katalanische Sänger Jaume Sisa (mehr) versucht den Anspruch, kostenlos jede Art von Musik aus dem Netz herunterzuladen, konsequent zu Ende zu denken: "Und zuletzt ist es soweit: Eine Welt ohne Geld. Der digitalen Technologie gelingt, was weder die Französische Revolution noch die Republik noch der Oberste Sowjet noch der Mai '68 geschafft haben: der Traum von Arkadien wird wahr."
New Yorker (USA), 17.10.2005
Unter der Überschrift "trügerische Konzeptualität" bespricht John Updike einen Band über die Geschichte der amerikanischen Buchcover-Gestaltung ("By Its Cover: Modern American Book Cover Design", Princeton Architectural Press). "Buchumschläge mögen zwar über eine ernsthafte kritische Auseinandersetzung erhaben scheinen, doch der akademischen Disziplin namens 'Kulturwissenschaft' ist nichts Menschliches fremd, seien es nun Eintrittskarten von Baseballspielen, Vampirfilme oder Damenschuhe. All ihre Instrumente öffnen den Blick auf die seelischen Geheimnisse von Jedermann und die hinterlistigen Gestaltungsmittel des Kapitalismus beim Taschenbuch für Jedermann."
In einem Porträt des jungen und erfolgreichen New Yorker Galeristen Leo König untersucht Nick Paumgarten, wie man heutzutage ein erfolgreicher Kunsthändler wird. Die Sache ist außerordentlich verwickelt. "Seine langjährige Freundin, Deborah Warner, eine Künstlerin, mit der er sein Appartement teilt, meinte neulich bei einem alkoholisierten 3-Uhr-morgens-Gespräch: 'Ich verstehe deine finanzielle Situation nicht.'"
Weitere Artikel: Hendrik Hertzberg "entschlüsselt" und kommentiert Bushs Nominierung von Harriet E. Miers für den Supreme Court. James Surowiecki berichtet über Anlagefonds, die ausschließlich in Kunst investieren. Anthony Lane sah im Kino Curtis Hansons Film "In Her Shoes" und den neuen "Wallace and Gromit"-Film von Nick Park ("Der Plot quillt über von euripidischem Horror.") Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Path Lights" von Tom Drury.
In einem Porträt des jungen und erfolgreichen New Yorker Galeristen Leo König untersucht Nick Paumgarten, wie man heutzutage ein erfolgreicher Kunsthändler wird. Die Sache ist außerordentlich verwickelt. "Seine langjährige Freundin, Deborah Warner, eine Künstlerin, mit der er sein Appartement teilt, meinte neulich bei einem alkoholisierten 3-Uhr-morgens-Gespräch: 'Ich verstehe deine finanzielle Situation nicht.'"
Weitere Artikel: Hendrik Hertzberg "entschlüsselt" und kommentiert Bushs Nominierung von Harriet E. Miers für den Supreme Court. James Surowiecki berichtet über Anlagefonds, die ausschließlich in Kunst investieren. Anthony Lane sah im Kino Curtis Hansons Film "In Her Shoes" und den neuen "Wallace and Gromit"-Film von Nick Park ("Der Plot quillt über von euripidischem Horror.") Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Path Lights" von Tom Drury.
Polityka (Polen), 08.10.2005

Außerdem: die letzte Leprakrankenkolonie Europas befindet sich in dem rumänischen Dorf Tichilesti. Wladyslaw Borowiec und Piotr Wrobel waren da, und berichten in Wort und Bild aus einem Ort, der noch vor 15 Jahren auf keiner Landkarte verzeichnet werden durfte.
Folio (Schweiz), 01.10.2005

Weitere Artikel: Luca Turin behauptet: "Die Zukunft hält Schönheit und Reichtum für uns alle bereit." Daniele Muscionico porträtiert die indische Schauspielerin Nandita Das, die erfolgreich gegen westliche Schönheitsideale ankämpft: Eine perfekte Schönheit, doch gilt sie als zu dunkel, heller schminken lässt sie sich nicht. Und der Schweizer Bankier Hans J. Bär schildert im Interview eine besondere Form des Geizes: "Wir wurden erzogen, Reichtum nicht zur Schau zu stellen. Das tat man einfach nicht. Es ist wohl überhaupt nicht schweizerisch."
In seiner Duftnote erklärt Luca Turin die Dauer der Duftmoleküle: "Wenn sie ein Parfum auf ihre warme Haut sprühen, ist das etwa so, als schössen sie auf einem Strand, der von vielen Vogelarten bevölkert wird, mit einer Startpistole: Zuerst flattern die kleinen Vögel in die Luft - Reiher und Pelikane brauchen viel länger. Wäre der Strand ein Duftstreifen und der Pelikan ein Moschusmolekül, dann hätte der Strand eine Breite von 200 Kilometern."
Economist (UK), 07.10.2005

Angesichts der politischen Bücher, die dieser Tage in Amerika veröffentlicht werden, kann der Economist nur angewidert den Kopf schütteln: Sie werden immer voreingenommener und reißerischer - und dadurch immer schlechter. Trostspendende Ausnahme: Michael Barones ausgezeichneter "Almanac of American Politics".
Außerdem zu lesen: Dass Japans Wirtschaft sich erholt (und was andere, stockende Industrienationen - etwa Deutschland - daraus lernen können), dass es endlich einmal eine spannende Theorie zum Prinzip des Universums gibt, warum der radikale Rückgang des Opiumanbaus in Afghanistan ein Pyrrhussieg ist, dass ein freimütiger UNO-Bericht den Weg freimacht für Verhandlungen über die Zukunft Kosovos, welche Lehren ein riesiges Umweltprojekt in den Everglades für den Wiederaufbau nach Katrina bereithält, und schließlich wie seltsam die Verleihung der naturwissenschaftlichen Nobelpreise doch ist.
Espresso (Italien), 07.10.2005

Weitere Artikel: Wlodek Golkdkorn verteidigt Roberto Benignis Film "Der Tiger und der Schnee" gegen Anfeindungen von links und von rechts. "Ein großer Regisseur hat einen schönen Film gemacht, der wie alle schönen Dinge nicht perfekt ist." Für die Titelgeschichte berichtet Fabrizio Gatti aus dem Einwandererlager in Lampedusa, wo er eine Woche unter "unmenschlichen" Bedingungen verbracht hat.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 06.10.2005
Youssed Rakha wird in seinem Porträt nicht schlau aus Scheich Mohamed Sayed Tantawi, set 1996 Großer Imam der Al-Azhar Universität in Kairo und damit offiziell die die höchste Autorität des sunnitischen Islam. "Wer hat gesagt dass Al-Azhar keine politische Rolle mehr spielt? Wenn Politik bedeutet, sich um die Interessen der muslimischen Nation zu kümmern, dann ist das etwas, worüber Al-Azhar spricht. Aber wenn man Politik im Sinne von Beziehungen zwischen zwei Staaten begreift, Angelegenheiten des Außenministeriums etwa, dann überlässt Al-Azhar das den Experten." Tantawi gilt als moderater Denker, schreckt als Islamgelehrter aber offensichtlich nicht vor antisemitischen Theorien zurück (mehr).
Gamal al-Ghitanis Roman "Le Livre des illuminations" wurde der diesjährige Prix Laure Bataillon für das beste übersetzte belletristische Werk verliehen (das Netz weiß von nichts), was David Tresilian zum Anlass nimmt, sich mit dem Übersetzer Khaled Osman über die Vorreiterschaft französischer Verlage bei der Publikation arabischer Literatur in Europa zu unterhalten. (Al-Ghitani hat es immerhin mit einem Buch auch nach Deutschland geschafft.)
Gamal al-Ghitanis Roman "Le Livre des illuminations" wurde der diesjährige Prix Laure Bataillon für das beste übersetzte belletristische Werk verliehen (das Netz weiß von nichts), was David Tresilian zum Anlass nimmt, sich mit dem Übersetzer Khaled Osman über die Vorreiterschaft französischer Verlage bei der Publikation arabischer Literatur in Europa zu unterhalten. (Al-Ghitani hat es immerhin mit einem Buch auch nach Deutschland geschafft.)
Nouvel Observateur (Frankreich), 06.10.2005

Magyar Narancs (Ungarn), 06.10.2005

New York Times (USA), 09.10.2005
Für das New York Times Magazine berichtet Elizabeth Rubin aus Afghanistan und von den Frauen, die sich um einen Sitz im Parlament bewerben. Dabei stößt sie auch immer wieder auf Landays, zweizeilige Kurzgedichte, die von den Frauen üblicherweise beim Wasserholen, Waschen, oder auf Hochzeiten rezitiert werden. "Sie sind körperlich und brutal, leidenschaftlich und direkt. Eines, das ich im vergangenen Monat einige Male zu hören bekam, war fast eine Drohung an den Geliebten. Es zeigt, wie tief verwurzelt das Gefühl der Stammesehre sowohl bei Männern als auch bei Frauen ist. 'Hast Du keine Wunde in der Mitte Deiner Brust, werde ich gleichgültig bleiben, selbst wenn Dein Rücken durchlöchert ist wie ein Sieb.'"
Weitere Artikel: Noah Feldman hofft, dass die Iraker bei der Abstimmung über die Verfassung der Demokratie ihre Sympathie erweisen, wenn schon nicht den Amerikanern. Michael Kimmelman besucht den Maler Raymond Pettibon, der glaubt, seine Kunst sei leichter zu verstehen als die meisten Gedichte. Michael Lewis besucht New Orleans und schickt eine Reportage aus der Stadt seiner Jugend. Deborah Solomon plaudert mit Intellektuellenliebling und Regisseur Noah Baumbach über seinen Film "The Squid and the Whale". Auf den Funny Pages gibt es das vierte Kapitel von Elmore Leonards Erzählung "Comfort to the Enemy".
Aufmacher der New York Times Book Review ist die Besprechung von Joan Didions Buch "The Year of Magical Thinking", in dem sie den Tod ihres Mannes verarbeitet. Trotzdem zieht das Buch den Leser nicht runter, versichert Robert Pinsky. "Ihre Art ist verdammt komisch, sie säbelt die Banalität mit einem Stil weg, der rücksichtslos und doch akribisch ist."
Weitere Artikel: Noah Feldman hofft, dass die Iraker bei der Abstimmung über die Verfassung der Demokratie ihre Sympathie erweisen, wenn schon nicht den Amerikanern. Michael Kimmelman besucht den Maler Raymond Pettibon, der glaubt, seine Kunst sei leichter zu verstehen als die meisten Gedichte. Michael Lewis besucht New Orleans und schickt eine Reportage aus der Stadt seiner Jugend. Deborah Solomon plaudert mit Intellektuellenliebling und Regisseur Noah Baumbach über seinen Film "The Squid and the Whale". Auf den Funny Pages gibt es das vierte Kapitel von Elmore Leonards Erzählung "Comfort to the Enemy".
Aufmacher der New York Times Book Review ist die Besprechung von Joan Didions Buch "The Year of Magical Thinking", in dem sie den Tod ihres Mannes verarbeitet. Trotzdem zieht das Buch den Leser nicht runter, versichert Robert Pinsky. "Ihre Art ist verdammt komisch, sie säbelt die Banalität mit einem Stil weg, der rücksichtslos und doch akribisch ist."
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