Magazinrundschau
Lebenselixier gegen Zellulitis
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
11.10.2016. In The Nation sucht Ursula Le Guin nach einem Vokabular für den Grenzort Alter. In Literary Hub preist Junot Diaz den Pep von nur einem Gramm Kurzgeschichte. In HVG denkt Laszlo Krasznahorkai über Heimat nach. Alan Rusbridger stellt in der NYRB die staatlichen Auslandschulden der 40 afrikanischen Länder dem noch höheren Privatvermögen von Afrikanern im Ausland gegenüber. Der Guardian staunt: 2,5 Milliarden Euro für Mineralwasser allein in Britannien?
The Nation (USA), 24.10.2016

Außerdem: Ian Buruma erfährt sowohl aus John le Carres autobiografischem Erzählungsband "The Pigeon Tunnel: Stories From My Life" als auch aus Adam Sismans Carre-Biografie einiges über die britische Klassengesellschaft und das schwierige Verhältnis le Carres zu seinem Vater, einem hochgestimmten Betrüger, der vom Gefängnis ins Kasino und wieder zurückging und von all seinen Opfern geliebt wurde. Von seinen Söhnen allerdings weniger.
New Yorker (USA), 17.10.2016

Dexter Filkins arbeitet den Militärputsch in der Türkei auf und streift dabei kurz das Dilemma der Erdogangegner: "Die Ironie des Putsches ist die, dass Erdogan gestärkt daraus hervorgeht. Das Aufbegehren, das die Verschwörung stoppte, wurde von Leuten angeführt, die Erdogan kaum weniger verachten als die Vorstellung eines Militärregimes. Das Ergebnis war, dass Erdogan und seine Partei regieren, und zwar so lange wie dieser es will."
Außerdem: Julie Phillips porträtiert die enorm produktive Sci-Fi-Autorin Ursula K. Le Guin. Zoë Heller schreibt über Shirley Jackson und die neue Jackson-Biografie von Ruth Franklin. Adam Gopnick nimmt sich neue Romane von Howard Jacobson, Anne Tyler und Margaret Atwood vor, die Shakespeare adaptieren. Und Alexandra Schwartz überlegt, ob Emily Witt mit ihrem Buch über unsere sexuellen Vorlieben ("Future Sex") auch ihr eigenes Verlangen stillen konnte.
Literary Hub (USA), 07.10.2016

Außerdem: John Freeman las mit Mohsin Hamids Flüchtlingsroman "Exit West" den ersten post-Brexit-Roman: "Ich verstehe, dass sich die Leute vor Flüchtlingen fürchten', sagt Hamid im Interview. "Wenn man in einem reichen Land lebt, ist diese Furcht vor Menschen aus weit entfernten Ländern verständlich. Aber Furcht ist wie Rassismus: Verständlich, aber sie muss bekämpft und vermindert werden."
HVG (Ungarn), 09.10.2016

New York Review of Books (USA), 27.10.2016

Joyce Carol Oates schreibt anlässlich der neuen Biografie von Ruth Franklin (Auszug) ein beklemmendes Porträt der großartigen Shirley Jackson, deren Bücher auf Deutsch unbegreiflicherweise vergriffen sind (hört ihr uns, Diogenes?): "Wie Märchen, mit ihren Kaprizen und ihrem Fatalismus, so übt die Literatur von Shirley Jackson einen beißenden, hypnotischen Zauber aus. Gleichgültig, wie oft man "The Lottery" liest, Jacksons am häufigsten in Anthologien aufgenommene Geschichte und ein Klassiker der amerikanischen Gothik-Literatur, man ist nie ganz darauf vorbereitet, wie sie langsam Fahrt aufnimmt, wie sich, was ursprünglich so zufällig und gewöhnlich erschien, als so unvermeidlich erweist wie Wasser, das durch ein Abflussrohr rauscht."
Außerdem: Tim Page liest einen Band mit Briefen von John Cage.
Eurozine (Österreich), 07.10.2016

Guardian (UK), 06.10.2016

Als das Belfaster Merchant Hotel Wasser vom kanadischen Eisberg für 26 Pfund die Flasche anbot, war es den Leuten zuviel, aber im Bioladen in Notting Hill lassen sich die meisten noch ganz schön viel Unsinn gefallen: Kokosnuss-Wasser direkt aus der Frucht, das Lebenselixier gegen Zellulitis oder das um vierzig Prozent Flüssigkeit reduzierte Wasser. In Los Angeles verkaufen Wasser-Sommeliers ihr 90H20 in Diamant-Editionen für 100.000 Dollar. Sophie Elmhirst weiß in ihrem großen Report über die Branche nicht, ob sie über soviel Einfallsreichtum weinen oder lachen soll: "Wasser ist nicht mehr nur Wasser, es ist die leere Leinwand, auf die alle möglichen und unmöglichen Versprechen zur Lebensverbesserung projiziert werden. Und es wirkt. In den vergangenen zehn Jahren wuchs auf dem Getränkemarkt kein Segment so schnell wie Wasser in Flaschen. 2013 wurde der Markt auf einen Wert von 157 Pfund geschätzt, 2020 soll er 280 Pfund erreichen. Allein in Britannien wuchs der Konsum von abgefülltem Wasser um 8,2 Prozent, das entspricht einem Verkaufswert von über 2,5 Milliarden Pfund. Heute wird 100 Mal mehr Wasser verlauft als 1980: Wasser, das in entwickelten Länder umsonst aus dem Hahn kommt."
Außerdem: Jonathan Ree liest Anthony Gottliebs "The Dream of Enlightenment". Joshua Kurlantzick empfiehlt Christopher Goschas "The Penguin History of Modern Vietnam" als ausgezeichnete Geschichte Vietnams.
Film Comment (USA), 04.10.2016

New York Times (USA), 09.10.2016

Außerdem: Corby Kummer dokumentiert das Rennen um die gesunde Tiefkühlpizza. Malia Wollan berichtet über die Versuche der Süßwarenindustrie, ohne künstliche Farbstoffe auszukommen. Ted Genoways wünscht sich mehr Transparenz in der Fleischindustrie. Und George Steinmetz fotografiert die Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts. In der Book Review erinnert sich Ariel Dorfman, wie er nach dem Putsch gegen Allende 1973 mit etwa 30 weiteren Flüchtlingen in der argentinischen Botschaft in Santiago festsaß und eine Lesung Miguel de Cervantes' "Don Quichotte" hörte.
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