
Wenn der mexikanische Regisseur
Carlos Reygadas ein
Interview gibt, dann weht einem daraus nochmal der Geist des Autorenkinos entgegen. Sein neuer Film heißt "Nuestro Tiempo", eine Art metaphysischer SlowMo-Western (
hier unsere Festivalkritik), der demnächst auch bei uns in den Kinos läuft. Der Titel - "Unsere Zeit" - bezieht sich "auf
die Entfaltung von Ereignissen in der Zeit,", erklärt Reygada: "Wie Tarkowskij geschrieben hat, ist sie
die dritte Dimension des Kinos. Für mich ist
das Konzept der Präsenz der zentrale Aspekt des Kinos. Und diese Präsenz bedeutet nicht nur eine physische, von einem bestimmten Blickwinkel aus eingefangene Präsenz, sondern viel mehr etwas, was innerhalb der Zeit existiert. ... Im Kino verhält es sich nun einmal so, dass
Sex nicht sonderlich präsent ist, weil es dafür keinen Bedarf gibt. Da ein Großteil des Kinos
nur illustrierte Literatur darstellt, ist es Zeitverschwendung, Sex zu zeigen, wenn man ihn auch einfach andeuten kann. In meinem Kino ist die Entfaltung von Ereignissen von zentraler Bedeutung, also müssen Dinge gezeigt statt angedeutet werden - ob die Leute nun essen, sprechen, in Autos sitzen, Sex haben oder einfach nur ihr Leben leben."

Außerdem
spricht Jordan Cronk mit dem französischen Filmemacher
Bertrand Bonello über dessen Zombiefilmvariation "Zombi Child", die die heutige Gegenwart mit dem ursprünglichen Voodoo-Zombie-Mythos auf Haiti zu verbinden versucht. "Mir gefiel die Idee, so eine berühmte Figur - der Zombie, wie wir ihn kennen, ist ja fast eine Popfigur - zu übernehmen. Mich interessierte es, von diesem Ausgangspunkt aus zu den Ursprüngen zurückzukehren und mit dieser Bewegung zwischen den Epochen über Sklaverei und
das Verhältnis zwischen Frankreich und Haiti zu sprechen, dessen Geschichte mit Blick auf die Sklaverei eine sehr schwierige, komplizierte ist. ... Jeder riet mir ab. 'Geh nicht nach Haiti, man kann dort nicht drehen! Es ist das schwierigste Land der Welt für Dreharbeiten!' Aber ich wollte unbedingt dort hin, weil ich von der Produktion her nicht allzu viel dort erledigen musste und wenn ich dies nicht in Haiti umsetzen könnte, dann würde ich die Essenz verlieren. Das ist
auf eine gewisse Art ethisch,
politisch. Aber ja, es war aus vielen Gründen schwierig. Zunächst einmal aus kulturellen Gründen: Wenn Du dort als Weißer ankommst und sagst 'Ich drehe einen Film über Voodoo', dann haben sie wirklich Angst vor dir. Man braucht lange, um akzeptiert zu werden, um das Projekt zu erklären, die damit verbundene Sichtweise, damit sie wissen, dass man
viel gelesen und geforscht hat. Man muss zuhören und geduldig sein - es brauchte viel Zeit, aber wir trafen dort wunderbare Leute."
Weiteres: Sheila O'Malley
bespricht Martin Scorseses neuen Film über
Bob Dylan. Dan Sullivan
spricht mit der Experimentalfilmemacherin
Malena Szlam, die für ihre auf 16mm-Material gedrehten Landschaftsfilme bekannt ist -
ihr neuer Film "Altiplano" entstand in den Anden, in eben jener Region, die die NASA gerne filmt, um den Mars zu veranschaulichen. Amy Taubin
schreibt über
Ken Jacobs' "The Sky Socialist", der nach 55 Jahren fertig gestellt wurde. Lawrence Garcia
denkt über
Edward Yangs "Yi Yi" nach. Christina Newland
erinnert an den britischen Film "That'll Be the Day" von 1973 mit dem Popstar
David Essex in der Hauptrolle. Außerdem hat das Magazin Deborah Youngs Essay über
Ermanno Olmi aus dem Jahr 2001
online gestellt.