Magazinrundschau
Tagträume ersetzen keinen Fleiß
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
15.01.2013. Al Ahram feiert Ibsens "Volksfeind" und sein Vertrauen in die Jugend. In der Irish Times bewundert John Banville eine ganz neue literarische Form, die Michael Gorra mit seiner Studie über Henry James gefunden hat. In Le Point fordert BHL die religiösen Würdenträger auf, sich aus der Schwulenehe herauszuhalten. Der New Yorker porträtiert die neue israelische Rechte unter Naftali Bennett. In der Literary Review porträtiert Edmund de Waal den Töpfer Michael Cardew. Auf Edge.org feiert Daniel Dennett das Bric-à-Brac in unserem Hirn. Der Guardian bewundert die geniale Obszönität Manets. Die NYT beobachtet den splitterfasernackten Paul Schrader bei Dreharbeiten.
Al Ahram Weekly | Vanity Fair | Literary Review | Believer | New York Times | Irish Times | Point | New Yorker | Economist | HVG | Edge.org | Smithsonian Magazine | Guardian
Al Ahram Weekly (Ägypten), 15.01.2013
Ibsens "Ein Volksfeind" ist eine ausgezeichnete Wahl für das heutige Ägypten, gratuliert Nehad Selaiha der Theaterregisseurin Nora Amin, die das Stück mit ihrer Truppe La Musica Troupe in Kairo aufgeführt hat. Es geht im Stück um den Badearzt Thomas Stockmann, der schädliche Bakterien im Wasser eines Kurstädtchens gefunden hat, das durch diese Nachricht seine Einnahmen gefährdet sieht. Stockmann soll aus der Stadt vertrieben werden, doch entscheidet er sich zu bleiben und, so Selaiha, "seinen Glauben an die Werte der Kultur und der Aufklärung an die junge Generation weiterzugeben. Die Hoffnung auf künftige Generationen, mit der das Stück endet, wird in Nora Amins Produktion zu einem Aufruf, in Ägypten zu bleiben und zu widerstehen. Es war, als sprächen Nora und ihre Truppe für die Kopten, die Liberalen, die Säkularisten und die Revolutionäre in Ägypten und sendeten eine klare Botschaft an Scheik Mohammed Hussein Yakub, einen führenden Salafistenprediger, der die Abstimmung über die Verfassung als klares Mandat für die Einrichtung einer islamischen Theokratie interpretierte. 'Jenen, die in einem solchen Land unter einem solchen Gesetz nicht leben können', beschied er: 'Wie ihr wollt, gute Reise, was kümmert uns das? Ersucht um ein Visum für Amerika oder Kanada. Wir [die Islamisten] haben die Schlacht um die Wahlurnen gewonnen - das Land gehört uns und jeder, der das nicht mag, kann gerne gehen.'"
Irish Times (Irland), 14.01.2013

Point (Frankreich), 10.01.2013

New Yorker (USA), 21.01.2013

Weitere Artikel: James Wood porträtiert die italienische Schriftstellerin Elena Ferrante (der Arno Widmann 2003 und 2005 im Perlentaucher zwei wunderbare Kritiken - hier und hier - widmete). Emily Nussbaum stellt die Fernsehserie "Justified" vor, in der es von Waffen nur so wimmelt. Zu lesen ist außerdem die Erzählung "Experience" von Tessa Hadley.
Und noch ein Hinweis auf die vorletzte Ausgabe: Joan Acocella besprach in einer ausführlichen Rezension zwei neue Biografien über Franz von Assisi: "Francis of Assisi: The Life and Afterlife of a Medieval Saint" von André Vauchez (im französischen Original 2009 erschienen) und "Francis of Assisi: A New Biography" von Augustine Thompson.
Economist (UK), 12.01.2013

Außerdem: Nach der mit Müh' und Not gemeisterten Fiskalklippe sieht der Economist die nächste fiskale Herausforderung auf die USA zukommen. Außerdem macht man sich Hoffnungen, dass das am 19. Januar beginnende Londoner Musikfestival "The Rest is Noise" den Ruf der von Konzertbesuchern ungeliebten klassischen Musik des 20. Jahrhunderts bessern könnte. Dazu passend: Im Youtube-Kanal des London Philharmonic Orchestra erzählen dessen Musiker von ihren Vorbereitungen auf ihre Festivalkonzerte.
HVG (Ungarn), 05.01.2013

Edge.org (USA), 08.01.2013

Smithsonian Magazine (USA), 01.01.2013

Guardian (UK), 14.01.2013

Londons Royal Academy widmet Manet eine große Ausstellung, Philip Hensher feiert den französischen Maler als Meister des Schwarzen und des Unanständigen: "Manets Kunst ist dem Unpassenden gewidmet, unberechenbar erfasst und ausgeleuchtet vom hereinfallenden Licht oder dem erbarmungslosen Blick. Das 'Frühstück im Grünen', mit seiner unerhörten Kombination aus bekleideten Männer und einer nackten oder entkleideten Frau, wurde von Zola mit dem Hinweis auf klassische Vorläufer verteidigt (auch wenn es nicht so viele gab, wie Zola behauptete). Es gab Giorgiones Landschaften und Tizians Interieurs, die denselben Kontrast ausnutzen. Aber Manet kommt es auf die Unanständigkeit des Kontrasts im zeitgenössischen Kontext an - die sehr modische Troddelmütze auf dem Kopf des einen Mannes ist das Obszönste am ganzen Bild. Vergleichbar die opulente 'Olympia'. Was macht aus der nackten Frau das schockierende Porträt einer Prostituierten? Es sind die Kleider des Dienstmädchens, die Orchidee im Haar, das schwarze Halsband, die Perlenohrringe und Armbänder und vor allem die Pantoffeln. Es gibt freizügigere Porträts weiblicher Körper im 19. Jahrhundert, wie Courbets 'Urspung der Welt', aber keines ist so genial obszön."
Vanity Fair (USA), 14.01.2013
Seit Benjamin Franklin täglich das Fortschreiten seiner Tugendhaftigkeit notierte, gehört die Selbstoptimierung zur amerikanischen Lebensweise. James Wolcott hat sich der "Quantified Self"-Bewegung angeschlossen, um mit Hilfe von Self-tracking-Geräten seinen Körper und sein Hirn besser kontrollieren zu können: "Das Ziel ist nicht die Vermehrung christlicher Tugend und weiser Besonnenheit, sondern eine größere Transparenz unser eigenen Biomechanismen auf dem Weg zu Vitalität, mentaler Klarheit, gutem Schlaf, Schmerzmanagement, sanfteren Operationen, verbesserter Produktivität, Zen-artige Ruhe. Also wirklich, ist das zuviel verlangt von dem Gerippe, das wir herumschleppen? Ich zum Beispiel habe angefangen die Diät-Colas zu zählen, die ich am Tag trinke, und damit verglichen, wie oft ich pinkeln gehen muss, denn ich vermute da einen Zusammenhang. Sich selbst zu beobachten wurzelt in der elementaren Neugier des Menschen, unter der Haube nachzusehen und wenn nötig zu frickeln: Self-Tracking als Einfallstor zum Self-Hacking. Tagträume ersetzen keinen Fleiß."
Literary Review (UK), 14.01.2013

In diesem Video kann man Cardew bei der Arbeit beobachten und aus seinem Leben erzählen hören:
Believer (USA), 01.01.2013

New York Times (USA), 12.01.2013

Scott Shane berichtet im politischen Teil der NYT über die Verurteilung eines CIA-Agenten zu 30 Monaten Haft wegen Verstoßes gegen den Intelligence Identities Protection Act. John Kiriakou hatte den Namen eines verdeckten CIA-Agenten an einen freien Reporter gemailt hatte, der diesen nie veröffentlichte sondern Kontakt zu dem Mann suchte, um weitere Informationen für eine Reportage zu erfragen. "Das Gesetz wurde 1982 verabschiedet und zielte auf radikale Publikationen, die vorsätzlich versuchten, Undercover-Agenten zu enttarnen, ihre geheime Arbeit aufzudecken und ihr Leben zu gefährden. In mehr als 60 Jahren angespannter Interaktionen zwischen der Agency und Nachrichtenorganisationen ist John Kiriakou der erste CIA-Agent der wegen Weitergabe von klassifiziertem Material an einen Reporter verurteilt wurde."
Und: In der Book Review schreibt David Brooks über Jared Diamonds Buch "Vermächtnis". Dem Untertitel - "Was wir von traditionellen Gesellschaften lernen können" - kann er nur ein Schulterzucken abgewinnen: "Schwer zu sagen. Sie scheinen so weit entfernt zu sein."
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