Magazinrundschau - Archiv

Literary Review

3 Presseschau-Absätze

Magazinrundschau vom 06.09.2022 - Literary Review

Mit großem Interesse liest Tim Blanning Andrea Wulfs Geschichte der "Magnificent Rebels" im Jena der 1790er Jahre, mit den Schlegels, Schiller, Fichte, Hegel, Novalis und den Brüdern Humboldt im Mittelpunkt. "Der rote Faden, der diese disparate Gruppe zusammenhielt, wird von Andrea Wulf als die gemeinsame Beschäftigung mit dem Selbst beschrieben. Ihr Blick nach innen befreite sie von Konventionen, machte sie rebellisch und gab ihnen ein Gefühl der Unbesiegbarkeit. Zudem hatte ihre kollektive Emanzipation eine nachhaltige Wirkung: 'Die Befreiung des Ichs aus der Zwangsjacke eines göttlich organisierten Universums ist die Grundlage unseres heutigen Denkens. Sie gab uns die aufregendste aller Kräfte: den freien Willen.' Vielleicht sind wir uns unserer Schuld gegenüber dem Jenaer Kreis nicht bewusst, aber wir sollten es sein, meint sie: 'Wir reden nicht mehr über Fichtes selbstbestimmtes Ich, weil wir es verinnerlicht haben. Wir sind dieses Ich'. Freunde blieben sie nicht lange, dafür waren sie einfach zu starke Persönlichkeiten, lernt Blanning. "Fast alle von ihnen haben sich zerstritten und sind schließlich gegangen. Nur Goethe, der immer ein halbes Mitglied des Kreises war, konnte eine olympische Neutralität bewahren. Er sagte zu Schiller, der die Brüder Schlegel so sehr zu hassen begann, dass er es nicht einmal ertrug, ihre Namen auszusprechen, dass er sie alle interessant und anregend fand. Das waren sie in der Tat."

Magazinrundschau vom 15.01.2013 - Literary Review

Mit großer Begeisterung stellt der Töpfer und Autor Edmund de Waal Tanya Harrods "wundervolle" Biografie des englischen Töpfers Michael Cardew vor. Cardew wurde 1901 in eine gehobene Mittelstandsfamilie geboren. Er heiratete, bekam Kinder, zog mit seiner Familie in die Wildnis, hatte homosexuelle Beziehungen und ging nach Afrika, um sich als Töpfer zu perfektionieren: "Sein Mangel an Wissen warf ihn immer wieder zurück - die Litanei des Unglücks ist ermüdend. Aber seine Entscheidung, nach seltenen Materialien zu suchen, sich an diesem Ort zu verwurzeln und erfolgreich zu sein, war bewundernswert. Er war, schreibt Harrod, 'teils aufgeregter Schuljunge, teils Kolonialbeamter, teils unbeleckter Anfänger, ein Künstler, der versuchte eine Fabrik zu führen.' Hier ist Harrod, eine Kulturkritikerin und Kunsthistorikerin, am aufschlussreichsten. Ihre Forschung ist eindrucksvoll. Sie stellt die politische Anpassung an das koloniale und postkoloniale Leben und Vorstellungen von nationaler Identität, Authentizität und den Wert und die Bedeutung von Arbeit heraus. Was bedeutete es ein weißer Mann zu sein, der afrikanische Handarbeit neu zu erfinden versucht?"

In diesem Video kann man Cardew bei der Arbeit beobachten und aus seinem Leben erzählen hören:



Magazinrundschau vom 25.01.2011 - Literary Review

"Absolut faszinierende und wichtige Lektüre", meint der Historiker Simon Sebag Montefiore über "Hell frozen over", die Erinnerungen des Gulagkommandanten Fjodor Wasilewitsch Mochulsky. Als der 22-jährige Mochulski, Ingenieur, Manager und überzeugter Kommunist, 1940 im Lager von Pechorlag ankam, fand er ein unglaublich brutales System vor, in dem die kriminellen Häftlinge die politischen mit Zustimmung der Lagerleitung terrorisierten. "Die Berufsverbrecher spielten in dämonischen Kartenspielen um das Recht, einen unschuldigen politischen Gefangenen zu töten, indem sie ihm einen Nagel ins Hirn schlugen. Mochulsky erzählt, wie er mit den kriminellen Gangstern fertig wurde, die das Lager führten. Er machte Deals mit den Arbeitsbrigaden und log sogar manchmal seine Vorgesetzten an. Er zeichnet auf, wie Frauen brutal vergewaltigt, korrumpiert und zu Sexsklavinnen gemacht wurden - von Männern und lesbischen Gangsterbossen. Mochulsky stellte auch fest, dass Gefangene sich zu Tode arbeiten mussten ... Tausende starben unter dem unbarmherzigen Druck, aber Mochulsky erzählt seine Geschichte mit der Kühle eines Ingenieurs, der eine Reihe von komplizierten menschlichen und mechanischen Herausforderungen bewältigen muss."
Stichwörter: Montefiore, Simon Sebag