Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
11.10.2004. In der Kommune dekonstruiert Gerd Koenen den Antisemitismus von Globalisierungskritikern und Islamisten als Totalitarismus neuer Art. In L'Espresso spricht Pedro Almodovar über die spanische Kirche. Der New Yorker setzt seine Hoffnungen auf John Kerrys Rhetorik. Plus Minus feiert den Maler Nikifor Krynicki. In Clarin erklärt Carlos Fuentes, warum er wie Balzac sein will. Le Point enthüllt Jean Genets pronazistische Ursprünge. Im Nouvel Obs gibt Jonathan Franzen Auskunft über den Mittleren Westen. In Elet es Irodalom analysiert György Dalos die Erfolge ungarischer Literatur in Deutschland. Das New York Times Magazine findet ein Herzmittel problematisch, weil es bei Schwarzen besser wirkt.
Kommune (Deutschland), 01.10.2004

Interessant auch ein Text von Günter Franzen, der fragt, ob es 1968 wirklich wie behauptet um die Entmachtung der Väter ging oder eher um die weniger heroische Flucht vor den Müttern: "Der Vater, den es zu stürzen galt, war längst gefallen." Herbert Hönigsberger nimmt die politische Kaste vor ihren Kritikern in den Schutz: Sie sei nicht unwillig, sondern - in Zeiten verringerter Handlungsspielräume - überfordert. Günter Warsewa stellt das Projekt "Bremen 2030" vor, das versucht, Stadtpolitik nicht nur räumlich und sozial, sondern auch zeitlich zu gestalten. Und Hartmut Fähndrich reitet im Schweinsgalopp durch die Geschichte der arabischen Literatur.
Espresso (Italien), 14.10.2004

Hier hat Bush mit 537 Stimmen gewonnen, und auch dieses Jahr wird die Präsidentschaftswahl in Florida entschieden, glauben nicht nur die Wahlstrategen, sondern prophezeit auch Enrico Pedemonte in der Titelgeschichte. Denn "Florida ist eine Miniaturausgabe der amerikanischen Gesellschaft. Im Norden dominieren die Militärs rund um den Stützpunkt Jacksonville, und das erklärt, warum laut einer Umfrage jede fünfte Stimme im ganzen Staat von Veteranen kontrolliert wird. Die Mitte ist ein Fortsatz des Bibelgürtels: hier haben ein Jahr zuvor fundamentalistische Christen Bomben vor Abtreibungskliniken hochgehen lassen. Weiter im Süden begünstigt der hohe Anteil an Schwarzen und Haitianern die demokratische Partei, auch wenn die Kubaner mehrheitlich konservativ wählen."
Im Kommentar listet Al Gore noch einmal die "katastrophalen Ergebnisse" von Bushs Politik auf und hofft ansonsten, dass sich alte Sünden rächen und die Wähler nicht eingehaltene Versprechen entprechend quittieren. Ansonsten erklärt Monica Maggi die Unterwäsche zum Kunstobjekt, während Carlotta Mismetti Capua untersucht, warum Italien die Kinder ausgehen.
Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 08.10.2004
Am 2. November wählen die Amerikaner ihren Präsidenten. Nur die Amerikaner? Wir wollen mitwählen, fordert Tahar Ben Jelloun. "Die Frage, ob der derzeitige Präsident Amerikas wiedergewählt wird oder nicht, entscheidet auch über die Zukunft hunderttausender Familien - im Irak, in Palästina, Israel, ja im gesamten Nahen und Mittleren Osten, im Maghreb, in Afrika, Lateinamerika und anderen Gegenden der Welt. Keine andere Präsidentschaftswahl ist für so viele Länder, in denen sie nicht stattfindet, derart folgenschwer, besonders und besonders einschneidend in ökonomischer Hinsicht. Insofern gehen diese Wahlen nicht nur die amerikanische Bevölkerung etwas an."
Angeblich ist Chinas Teekultur so alt wie das Land selbst ist, nämlich fünftausend Jahre. Das stimmt zwar nicht, meint Nicolas Zufferey, Sinologe an der Universität Genf, doch werden die Chinesen dies niemals zugeben. Denn hier geht es um Fragen der nationalen Identität! "Derartige Töne hört man sonst nur in patriotischen Reden über weitaus wichtigere Fragen wie etwa die Unabhängigkeit Tibets oder den Status von Taiwan. Verwunderlich ist diese Empfindlichkeit auch insofern, als niemand den Chinesen ihre Rolle bei der 'Entdeckung' des Tees als Getränk oder ihren Beitrag zur Teekultur (cha wenhua) streitig macht. Denn welches andere Volk hätte den Tee zu einem seiner 'sieben Schätze' erkoren - zusammen mit der Zither (quin), dem Schachspiel, der Kalligrafie, der Malerei, der Dichtung und ? dem Alkohol?"
Außerdem gibt es einen Essay von Edward Said über den Stil des Spätwerks am Beispiel der späten Kompositionen Beethovens, dem späten Roman von Tomaso di Lampedusa und den späten Gedichten des Griechen Konstantinos Kavafis. sowie Texte über den Kaukasus von Jean Radvanyi und die Ukraine von Vicken Cheterian.
Angeblich ist Chinas Teekultur so alt wie das Land selbst ist, nämlich fünftausend Jahre. Das stimmt zwar nicht, meint Nicolas Zufferey, Sinologe an der Universität Genf, doch werden die Chinesen dies niemals zugeben. Denn hier geht es um Fragen der nationalen Identität! "Derartige Töne hört man sonst nur in patriotischen Reden über weitaus wichtigere Fragen wie etwa die Unabhängigkeit Tibets oder den Status von Taiwan. Verwunderlich ist diese Empfindlichkeit auch insofern, als niemand den Chinesen ihre Rolle bei der 'Entdeckung' des Tees als Getränk oder ihren Beitrag zur Teekultur (cha wenhua) streitig macht. Denn welches andere Volk hätte den Tee zu einem seiner 'sieben Schätze' erkoren - zusammen mit der Zither (quin), dem Schachspiel, der Kalligrafie, der Malerei, der Dichtung und ? dem Alkohol?"
Außerdem gibt es einen Essay von Edward Said über den Stil des Spätwerks am Beispiel der späten Kompositionen Beethovens, dem späten Roman von Tomaso di Lampedusa und den späten Gedichten des Griechen Konstantinos Kavafis. sowie Texte über den Kaukasus von Jean Radvanyi und die Ukraine von Vicken Cheterian.
New Yorker (USA), 18.10.2004

Weitere Artikel: Nicholas Lehmann blickt zurück auf Bushs Regierungszeit unter Berücksichtigung der Frage, warum er so radikal wurde. Anthony Lane denkt über Ronald Reagan als Schauspieler nach. Daniel Radosh berichtet über eine Universitätsklasse, deren Lehrstoff im Schreiben von Leserbriefen an die New York Times besteht. Lesen dürfen wir außerdem die Erzählung "The Alpine Slide" von Rebecca Curtis.
Anthony Lane sah im Kino "P.S.", den neuen, nach seinem "lebhaften" Debüt "Roger Dodger" sehr ruhigen Film von Dylan Kidd, und das von Gus Van Sant mitproduzierte Dokudrama "Tarnation", in dem Jonathan Caouette sein eigenes Leben erzählt. Die Kurzbesprechungen beschäftigen sich unter anderem mit einem Band zum Verhältnis der amerikanischen Neokonservativen und dem deutschstämmigen Philosophen Leo Strauss und einem Buch über lügende Präsidenten.
Nur in der Printausgabe: ein Artikel über die Mittel, die George Soros einsetzt, um Bush zu schlagen, Überlegungen zur Voraussagbarkeit des Ausgangs der Präsidentenwahl, ein Bericht über die Entscheidung zur Stammzellenforschung, die den Wählern zufällt, eine Bericht über die Bedeutung von Großstädten für die Umwelt, sowie Lyrik von Edward Hirsch, Elizabeth Alexander, Clive James und Glyn Maxwell.
Plus - Minus (Polen), 09.10.2004
Polen im Nikifor-Fieber! Die Gestalt des halbstummen, illiteraten, für verrückt und genial gehaltenen Künstlers "Nikifor Krynicki" (kurze Info), der Zeit seines Lebens im Kurort Krynica für Touristen für naiv gehaltene Bilder malte, kehrt in diesem Jahr als Filmfigur zurück (offizielle Seite), mit zwei Ausstellungen in Gdingen und Warschau sowie mehreren Buchveröffentlichungen. Und in einem Interview mit seinem letzten Freund und Betreuer, dem Maler Marian Wlosinski. Er erzählt, wie der obdachlose, ewig tuberkulöse Nikifor 1960 sein Haus betrat, sich umschaute und feststellte: "Hier wird sie malen" (er hatte Sprachprobleme wegen einer mit dem Mund zusammengewachsenen Zunge und der Grammatik war er ebenfalls nicht mächtig). "Nikifor suchte sich einen bequemen Platz am Fenster aus, setzte sich an den Tisch, breitete seine Behälter aus, seine Farben, Pinsel, und ohne etwas zu sagen, fing er an zu malen." Obwohl ihm einer Pariser Ausstellung großen Ruhm brachte, wurden viele seiner Bilder verbrannt, nachdem bekannt wurde, dass er beim Malen statt Wasser Speichel benutze (Tuberkulosegefahr!). Die Wahrheit ist noch interessanter: "Als er mit einer Farbe fertig war, steckte er den Pinsel in seinen Mund und schluckte den Rest der Farbe. Die Farben auf seinen Bildern sind wirklich sehr intensiv, weil er den Pinsel selten ins Wasser tauchte".
Außerdem in der Wochenendausgabe der Rzeczpospolita: Jerzy Jastrzebski macht sich über stereotype Ansichten zur Fremdwahrnehmung der Polen lustig. Wir erfahren, dass schon Marx und Engels nach anfänglicher Polen-Euphorie zu den größten Polen-Hassern gehörten, bis sie von Himmler und Hitler abgelöst wurden. Stalin selbst soll festgestellt haben: "Der Kommunismus passt zu Polen wie ein Sattel zu einer Kuh". Die andere Seite ging aber auch nicht besser mit der armen Nation um: "Innerhalb eines Monats - seit dem Überfall des (Dritten) Reichs auf Frankreich bis zum Fall Paris im Juni 1940 - sank der Dow Jones Index katastrophal um 23 Prozent. Interpretation: Die bisherige Ordnung in Europa bricht zusammen, diese verrückten Europäer werden jetzt versuchen, die USA in ihren Krieg mit einzuziehen. Nach dem Angriff auf Polen bis zu dem Fall Warschaus kletterte der DJ Index munter um 13,9 Prozent. Interpretation: endlich kehrt Ruhe ein in diesem verrückten Europa, das große Deutschland wird wie üblich die Beute und die Einflusssphären mit dem großen Russland aufteilen, und man kann endlich mit beiden Seiten Geschäfte treiben".
Außerdem in der Wochenendausgabe der Rzeczpospolita: Jerzy Jastrzebski macht sich über stereotype Ansichten zur Fremdwahrnehmung der Polen lustig. Wir erfahren, dass schon Marx und Engels nach anfänglicher Polen-Euphorie zu den größten Polen-Hassern gehörten, bis sie von Himmler und Hitler abgelöst wurden. Stalin selbst soll festgestellt haben: "Der Kommunismus passt zu Polen wie ein Sattel zu einer Kuh". Die andere Seite ging aber auch nicht besser mit der armen Nation um: "Innerhalb eines Monats - seit dem Überfall des (Dritten) Reichs auf Frankreich bis zum Fall Paris im Juni 1940 - sank der Dow Jones Index katastrophal um 23 Prozent. Interpretation: Die bisherige Ordnung in Europa bricht zusammen, diese verrückten Europäer werden jetzt versuchen, die USA in ihren Krieg mit einzuziehen. Nach dem Angriff auf Polen bis zu dem Fall Warschaus kletterte der DJ Index munter um 13,9 Prozent. Interpretation: endlich kehrt Ruhe ein in diesem verrückten Europa, das große Deutschland wird wie üblich die Beute und die Einflusssphären mit dem großen Russland aufteilen, und man kann endlich mit beiden Seiten Geschäfte treiben".
Gazeta Wyborcza (Polen), 09.10.2004

Zu den Wahlen in der Ukraine schreibt Roman Podebski: "Von den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen hängt nicht nur die Zukunft der Ukraine ab - der Sieg Viktor Juschtschenkos kann als Beweis dafür dienen, dass die postsowjetischen Staaten nicht nur von 'Zaren' und 'Baschas', heute Präsidenten genannt, regiert werden können. Mit Viktor Juschtschenko verbindet die Gesellschaft die Hoffnung auf eine Verbesserung des Lebensniveaus, eine Begrenzung der Macht der Oligarchenclans und der Korruption, die Garantie der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit des Polizeiapparats und der Gerichte. Für viele Wähler kann die Präsidentur Juschtschenkos die Chance auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union bedeuten."
Point (Frankreich), 08.10.2004

Clarin (Argentinien), 10.10.2004

Wesentlich sympathischer kommt der ebenfalls interviewte Cesar Aira daher, ein argentinischer Tausendsassa, der nach erstem Ruhm in Spanien nun auch in Deutschland veröffentlicht und hoffentlich auch gelesen wird. Es ist ein höchst interessantes Gespräch mit einem 56-jährigen Autor, der mehr als 30 Bücher veröffentlicht hat, von denen keines wie das andere ist. "All meine Bücher sind Experimente. Sie sind so angelegt, aber es handelt sich nicht um Experimente, die mit der Seriosität des Wissenschaftlers betrieben werden, sondern mit der amethodischen Seriosität eines verrückten Erfinders oder eines Kindes, das Chemiker spielt und zwei Substanzen mischt: mal gucken, was passiert", erzählt Aira. Julio Cortazar hält er übrigens für überbewert und so zitiert er denn auch den schönen Ausspruch, dass der beste Cortazar ein schlechter Borges sei. Und was hält er von Carlos Fuentes? Vielleicht fragt ihn ja mal jemand bei seinen bevorstehenden Lesungen in Deutschland.
Und N kann noch mit zwei weiteren großen Interviews aufwarten - schließlich handelt es sich um eine Jubiläumsausgabe: Da wäre einmal Richard Rorty. Wie der us-amerikanische Philosoph in genau zwei Sätzen Samuel Huntington abfertigt, warum er sich lieber nicht zum französischen Kopftuchstreit äußern will, und wie er eingesteht, dass er Foucaults Begriff der Archäologie nie verstanden hat, all dies und einiges mehr ist hier nachzulesen. Als Dreingabe dann noch ein viertes Gespräch, nämlich mit dem argentinischen Maler Carlos Alonso. Der 75-Jährige kann aus eigener Erfahrung erklären, warum es gerade für kreative Menschen so schwierig ist, mit dem Rauchen aufzuhören.
Economist (UK), 08.10.2004

Passend dazu hat der Economist eine Umfrage unter führenden amerikanischen Ökonomen durchgeführt und diese um eine Beurteilung der Wirtschaftspolitik, für die George Bush und sein Herausforderer John Kerry stehen, gebeten - eindeutig zu Bushs Ungunsten (die ausführlichen Ergebnisse gibt es hier als pdf-Datei).
Schön zu lesen ist auch der Nachruf auf den Fotografen Richard Avedon, der sich zeitlebens gegen die Vorstellung wehrte, Fotografie habe etwas mit Wahrheit zu tun. Oder vielleicht doch - aber auf ganz andere Art. "Es war auch, wie er zugab, ein Weg, sich selbst zu entdecken. Ein Porträt war keine Einbahnstraße, bei der der Fotograf mit seiner Linse in den Geist des Modells eindringt und sich darin eingräbt. Jedes neue Sujet - ein bei der Nationalflagge stehender Kongressabgeordneter, die Gestik eines Tänzers, ein Bienenzüchter mit seinen auf der nackten Haut kriechenden Mündeln - brachte in Avedon neue Facetten seines eigenen Charakters zum Vorschein. Die Porträts, waren sie erst einmal angefertigt - stellen weniger das Modell dar als seine eigenen Ansichten: Das 'menschliche Dilemma', an dem ihm lag und das er zeigen wollte, war eigentlich sein eigenes. Und tatsächlich setzte sich seine 1993 veröffentlichte Autobiografie aus 300 Porträts anderer Menschen zusammen."
Außerdem geht's um: Bücher über Erdöl und - was sonst - Geopolitik, und - leider nur im Print zu lesen - das christliche Erbe der Türkei.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 07.10.2004
Diesen Text sollte man lesen: Er handelt vom Irak, und er unterscheidet sich von all den Reportagen der vergangenen Monate,weil er zugleich viel hoffnungsloser und hoffnungsvoller ist. Zaid Al-Ali ist kein Journalist, sondern ein Iraker, der sein bisheriges Leben in den Vereinigten Staaten und in Westeuropa verbrachte und jetzt zum zweiten Mal ins Land seiner Eltern reiste. "Nie in meinem Leben", schreibt er, "habe ich mich so fehl am Platz gefühlt, so fremd, so unwillkommen, so unwohl, so schuldig." Die meisten Menschen, die er traf, waren krank, nicht einer war lebensfroh, nicht einer glaubte an Besserung, alle hassten die Amerikaner, doch die meisten hassten auch ihr eigenes Land. Niemand, den Al-Ali traf, war politisch tätig oder glaubte an die Idee politischer Betätigung. Oder kannte jemanden, der daran glaubte. Fast alle Iraker, die während Saddams Zeit heranwuchsen, sind ungebildet - eine verlorene Generation ohne Werte. Und die Älteren haben die Hoffnung längst verloren. Kommen Sie nicht wieder, riet ihm einer - "bleiben Sie im Ausland und leben Sie Ihr Leben." Die Iraker sind tot, schreibt Al-Ali. "Ihre Verzweiflung ist permanent und überdeckt alles. Sie sind verzweifelt, wenn sie lachen und wenn sie streiten. Der einzige Ort, wo ich nicht dieses Gefühl hatte, war das Ufer des Tigris, nahe Tikrit - ein Ort, der sich seit der Zeit Babylons nicht verändert zu haben scheint, einer Zeit, in der die Menschen dieses Landes aller Wahrscheinlichkeit nach glücklicher waren als jetzt." Doch Al-Alis Text ist nicht nur als Zustandsbericht erschütternd - er zeigt auch, was es für den Einzelnen heißt, dennoch auf dem Wert von Humanismus zu bestehen.
Weitere Artikel: Die Theaterkritikerin und Vorsitzende des International Theatre Institute Martha W. Coigney spricht mit Yasmine El-Rashidi über Theater als Möglichkeitsfeld globaler Kommunikation. Rania Gaafar berichtet von der Frankfurter Buchmesse. Und Amina Elbendary zieht nach zwei Jahren neuer Bibliotheca Alexandrina betrübliche Bilanz: Kein Ort der Wissensproduktion sei der wunderbare Bau bislang, sondern vor allem ein beliebter Ort für Konferenzen und eine Attraktion für Touristen, die ehrfurchtsvoll durch die weiten Räume laufen.
Weitere Artikel: Die Theaterkritikerin und Vorsitzende des International Theatre Institute Martha W. Coigney spricht mit Yasmine El-Rashidi über Theater als Möglichkeitsfeld globaler Kommunikation. Rania Gaafar berichtet von der Frankfurter Buchmesse. Und Amina Elbendary zieht nach zwei Jahren neuer Bibliotheca Alexandrina betrübliche Bilanz: Kein Ort der Wissensproduktion sei der wunderbare Bau bislang, sondern vor allem ein beliebter Ort für Konferenzen und eine Attraktion für Touristen, die ehrfurchtsvoll durch die weiten Räume laufen.
Nouvel Observateur (Frankreich), 07.10.2004

Anlässlich der Veröffentlichung eines Bands mit Gesprächen ("Culture et resistance", Fayard), die der amerikanische Intellektuelle David Barsamian mit dem im vergangenen Jahr gestorbenen palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said geführt hat, bringt der Obs Auszüge aus einer Unterhaltung über den 11. September und die gefährliche Verkettung von Terror und Krieg.
Weiteres: Im Bücherteil ist ein Interview mit Sempe zu lesen. Dieser hatte ab Anfang der fünfziger Jahre mit Rene Goscinny zusammengearbeitet, als beide noch unbekannt waren. Gemeinsam erfanden sie die außerordentlich erfolgreichen, in 30 Sprachen übersetzten Abenteuer des Petit Nicolas. Anlässlich der Publikation von achtzig bisher unveröffentlichten Geschichten (Imav Editions) erinnert sich Sempe an den Beginn der Zusammenarbeit und erzählt, wie die Figur Petit Nicolas entstand. Und in der Abteilung Arts et Spectacles erklärt der Regisseur Claude Lelouch seine ungewöhnliche Maßnahme, das Kinopublikum mit freiem Eintritt in seinen jüngsten, leider ziemlich erfolglosen Film "Le Genre humain. Les Parisiens" zu locken.
Elet es Irodalom (Ungarn), 03.10.2004

Fünf Jahre sind vergangen, seit Ungarn das Gastland der Frankfurter Buchmesse war. Der Schriftsteller und damaliger Direktor des Berliner Ungarischen Kulturinstitutes György Dalos zieht eine Bilanz: Die großen Namen der ungarischen Gegenwartsliteratur - Eörsi, Esterhazy, Kertesz, Konrad, Krasznahorkai, Nadas - waren auch vor Frankfurt längst bekannt. Die Marai-Renaissance hängt laut Dalos auch nicht mit dem Ungarn-Schwerpunkt zusammen, dies zeige der Erfolg von anderen Autoren der Vorkriegszeit wie Antal Szerb und Dezsö Kosztolanyi. Die eigentliche Entdeckung seit Frankfurt, so Dalos, sind die Frauen: Schriftstellerinnen wie Agota Bozai (mehr hier), Agnes Gergely (mehr hier) und Zsuzsa Rakovszky. Auch unter den zweisprachigen Autoren sind auffallend viele Frauen vertreten: Zsuzsa Bank (mehr hier), Terezia Mora (mehr hier), Agota Kristof, Zsuzsanna Gahse (mehr hier) und die auch als Kertesz- und Marai-Übersetzerin bekannte Christina Viragh (mehr hier). Die ungarische Kulturpolitik sollte sich laut Dalos vor allem auf kleine Verlage konzentrieren, die sich leidenschaftlich für die ungarische Literatur einsetzen, sich jedoch die nötigen PR-Maßnahmen nicht leisten können (z.B. der Arsenal Verlag in Berlin oder der Tibor Schäfer Verlag). Neben dem Beitrag druckt das ES-Magazin eine von Christine Schlosser hervorragend recherchierte Auswahlbibliografie der auf Deutsch erschienenen ungarischer Literatur ab.
Times Literary Supplement (UK), 08.10.2004

Nach Achilles kommt nun Alexander der Große in Kino. Victor Davis Hanson liest vier Neuerscheinungen über den Soldatenkönig, und merkt, wie Alexander nicht mehr als Held, sondern als "cleverer, aber gestörter Betrüger" dargestellt wird. Elizabeth Archibald nimmt aus Helen Coopers Untersuchung der romantischen Motive in der englischen Literatur des Mittelalters "erhellende Einsichten" mit. Zwei einander widerstrebende Absichten entdeckt Kathryn Hughes in Elisabeth Kehoes Geschichte der drei amerikanischen Jerome Schwestern, die auf der Suche nach Geld und Adel das London der 1870er Jahre unsicher machten. Leider viel zu selten konzentriert sich die Autorin auf die interessante Geschichte des untergehenden englischen Adels, seufzt Hughes, zu oft erzähle sie nur die etwas platte Story von drei guten, jungen, schönen Mädchen, die nur ein wenig Liebe suchen.
Zenith (Deutschland), 05.10.2004

New York Times (USA), 10.10.2004

Andrew Delbanco bewundert Harold Bloom, der zwar manchmal "irritierend extravagant" schreibt, an guten Tagen aber eine Literaturkritik zur Literatur emporheben kann. In "Where Shall Wisdom Be Found?", einer Ode an seine Lieblingsschriftsteller, vollbringt Bloom dieses Kunststück nicht nur einmal. Zu "mathematisch" austariert findet John Banville "The Double", den neuen Roman von Jose Samarago. Er kann nicht glauben, dass die beiden Protagonisten sich gleich wie Roboter verhalten müssen, Identität hin oder her. Die jetzt erschienene Auswahl der Tagebucheinträge Jack Kerouacs beweist ein für alle Mal, dass er kein "halbfertiger primitiver Kiffkopf war, der den Sinneseindruck dem Sinn vorzog", jubelt Walter Kirn. Ted Widmer interessieren an Kitty Kellyes "The Family" (erstes Kapitel), dem heiß erwartetem Enthüllungsbuch über den Bush-Clan, weniger die Marijuanageschichten als vielmehr die Chronik des Aufstiegs einer Familie in den innersten Machtzirkel Amerikas.
In einem kundigen Hintergrundessay erläutert Franklin Foer den Konflikt zwischen den mittlerweile in die Defensive geratenen Neocons und den erstarkenden Isolationisten innerhalb der Republikanischen Partei. Der von Bush 2000 ausgerufene Waffenstillstand ist durch den Irakkrieg hinfällig geworden. In der neu eingerichteten Bestseller-Kolumne beschäftigt sich Dwight Garner mit der diesjährigen Rekordnachfrage nach politischen Büchern.
Im New York Times Magazine berichtet Robin Marantz Henig von einem neuen Medikament, das auf den ersten Blick nur ein weiteres Herzmittel ist, bei näherem Hinsehen aber gesellschaftlichen Sprengstoff in sich birgt. BiDil funktioniert bei Schwarzen besser. Es scheint der Beweis dafür zu sein, dass sich die menschlichen Rassen genetisch unterscheiden. Das eröffnet ganz neue Forschungsmöglichkeiten. Und Probleme. "Für rassenbasiertes Nischenmarketing müssten Medikamentenhersteller zunächst die biologischen Unterschiede zwischen Schwarzen, Weißen, Asiaten und Indianern herausfinden. Und je mehr sie diese Unterschiede beschreiben und erklären, desto mehr spielen sie den Rassisten in die Hände."
Aus den Entwicklungslaboren des Schokoriegelherstellers Mars liefert Jon Gertner eine Reportage, die sich wie ein Wissenschaftskrimi liest. Hinter dreifachen Sicherheitsschleusen arbeiten dort Chemiker seit fünfzehn Jahren mit einem beachtlichen Budget an der Entwicklung der gesunden Schokolade. Flavanole, Bestandteile der Kakaonuss, können die Blutzirkulation begünstigen, haben die Forscher herausgefunden. Und der Schokoladenriegel CocoaVia, ein Prototyp mit künstlich erhöhten Flavanolwerten, wird schon über das Internet vertrieben.
Außerdem trommelt Matt Bai für den Präsidentschaftskandidaten John Kerry und fragt sich, ob dessen überdachte, aber auch komplexe Terrorismusbekämpfungsstrategie den immer noch vom 11. September traumatisierten Amerikanern zu vermitteln ist. Deborah Solomon unterhält sich mit dem Schriftsteller Edward P. Jones, der nicht so recht weiß, was er mit der halben Million Dollar Preisgeld als MacArthur Fellow anfangen soll. Lynn Hirschberg erfährt von Claire Danes, dass sie mit neun eine selbstbewusstere Schauspielerin war als mit 25 (jetzt posiert sie dafür für die New York Times). Und für die Design-Aficionados gibt es diese Woche eine Beilage, in der stilvolle, aber unerschwingliche Möbel zu sehen sind, als Ausstattung für Wohnungen, die man sich nie wird leisten können.