
Am 28. Januar 2011, auf dem Höhepunkt der von den sozialen Netzwerken befeuerten
ägyptischen Revolution, als alles möglich schien, wurde das Netz einfach abgeschaltet. Es war das erste Mal, das dies in einem ganzen Land geschah -
volle fünf Tage lang ging nichts mehr. Seitdem wurde dieser Vorgang vielfach kopiert,
berichtet Peter Guest in seiner lesenswerten Reportage. Die Bürgerrechtsorganisaton "
Access Now hat seit 2016 mindestens
935 vollständige oder teilweise Internetabschaltungen in mehr als 60 Ländern erfasst." In einigen Ländern, in denen es nur wenige Knotenpunkte gibt, die die Regierung beherrscht (China oder Burma zum Beispiel), ist das einfach. In anderen, wie
Russland, wo es hunderte von Internetprovidern gibt, ist das schon schwieriger. Dabei hilft eine Technologie namens
Deep Packet Inspection (DPI). DPI kann den Datenverkehr von einer bestimmten Website oder einem bestimmten Dienst in eine Sackgasse umleiten und so verlangsamen, dass der Dienst unbrauchbar wird, so Guest. "Die
Drosselung einzelner Dienste und Websites ist schwieriger zu erkennen als eine direkte Sperrung und ein Verbot und kann dazu verwendet werden, die Zensur als technischen Fehler oder lokalen Ausfall zu verschleiern. ... 'In den letzten fünf Jahren hat die russische Regierung ihr Modell der so genannten
Cyber-
Souveränität verfolgt und versucht, digitale Grenzen für das Internet zu errichten, damit der Staat kontrollieren kann, was online ist und was nicht', sagte Allie Funk, leitende Forschungsanalystin für Technologie und Demokratie bei Freedom House. 'Und zu sehen, wie sich das alles bewährt hat, war wirklich erstaunlich mit anzusehen.' Der Erfolg des russischen Ansatzes zeigt, dass es heute möglich ist, die Kontrolle über ein komplexes, robustes Netzwerk zu erlangen, ohne große Summen auszugeben. Das Modell ist aufgrund der zahlreichen Unternehmen, die DPI-Technologie verkaufen, immer leichter zu kopieren. DPI ist billig und leicht zugänglich geworden, da die Geräte von kommerziellen Anbietern [wie dem kanadischen
Sandvine] jeweils nur 6.000 Dollar kosten." In Ägypten versucht eine zensierte Journalistin jetzt "herauszufinden, ob es eine Möglichkeit gibt, das Sandvine in Kanada oder den USA zu verklagen. Sie verglich den Verkauf von Zensurtechnologie mit dem
Verkauf von Waffen. 'Man kann doch auch keine Waffen an Länder verkaufen, die sie
gegen Zivilisten einsetzen, oder? Warum passiert das nicht bei der Technologie?', fragte sie."