Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
20.03.2004. In der Welt liest Georg Klein "1001 Nacht" und erfährt, dass einem Manne immer noch Schlimmeres widerfahren kann. In der NZZ erklärt Charles Simic, warum eine Elegie auf seinen Großvater aus seinem lyrischen Werk von allem möglichen handelt, nur nicht vom Großvater. In der FR erklärt Thomas Hauschild den Spaniern, was sie von den Anschlägen zu halten haben. In der taz beklagt Noam Chomsky die Inkompetenz der Besatzungstruppen im Irak. In der FAZ hält Ian Buruma die Irak-Mission der Neokonservativen für missglückt.

FAZ, 20.03.2004

Die Irak-Mission der Neokonsevativen ist gescheitert, weil sie die Islamisten bestärkte, schreibt Ian Buruma zum Jahrestag des Kriegsbeginns. Er vergleicht die Besetzung des Iraks durch die Amerikaner mit der Besetzung Deutschlands durch Napoleon, die das Land zwar modernisieren half, aber auch in den Antisemitismus und Nationalismus führte: "Der arabische und muslimische Extremismus wird vielleicht niemals so todbringend oder mächtig werden wie die deutsche Verirrung im zwanzigsten Jahrhundert, aber er hat bereits einen schrecklichen Blutzoll gefordert. Wieder einmal schafft sich ein Land, das einen universalistischen Auftrag zur Befreiung der Welt zu haben glaubt, gefährliche Feinde (und wieder einmal gibt man die Schuld den Juden)."

Weitere Artikel: In der Leitglosse fürchtet Mark Siemons, dass UMTS den Autismus wirklichkeitsentkoppelter Headset- und Walkmanträger noch potenzieren wird. Kerstin Holm meldet, dass die russisch-orthodoxe Vereinigung "Radonesch" Mel Gibsons Jesus-Film positiv beurteilt. Erwin Seitz berichtet auf einem offensichtlich neuen, der Gastrokritik gewidmeten Platz der Seite 2 des Feuilletons über Fortschritte portugiesischer Winzer. Paul Ingendaay verteidigt die Haltung der neuen spanischen Regierung zum Terrorismus. "R. W." gratuliert dem Biophysiker Erwin Neher zum Sechzigsten. "Rh" kommentiert die endgültige Streichung der Subventionen für die Berliner Symphoniker durch den Berliner Senat. Andreas Rossmann hörte Lesungen aus den neuen Büchern von Uwe Timm und Peter Härtling bei der lit.Cologne zu. Hans-Martin Gauger schreibt zum Tod des Sprachwissenschaftlers Mario Wandruszka.

Auf der Medienseite wird über das drastische Vorgehen belgischer Behörden gegen den Brüssler Stern-Korrespondenten Hans-Martin Tillack berichtet, der festgenommen wurde, weil er die Quellen einiger für die EU peinlicher Recherchen nicht nennen wollte. Michael Hanfeld beobachtet den Regisseur Dani Levy, der für den WDR eine Komödie über Juden im heutigen Deutschland dreht.

In der ehemaligen Tiefdruckbeilage erinnert Iring Fetscher an den Politologen Umberto Campagnolo, der sich nach seiner Flucht vor den italienischen Faschisten frühzeitig für einen europäischen Bundesstaat einsetzte. Und Jürgen Dollase wirft in einem Essay der deutschen Spitzengastronomie eine "mangelnde Grundierung in einem regionalen oder individuellen Kraftfeld" vor.

Auf der Schallplatten-und-Phono-Seite geht's um ein esoterisch grundiertes Album der französischen Pianistin Helene Grimaud, um die Symphonik Mieczyslaw Weinbergs, um eine CD des E-Gitarristen John Frusciante und um Schumann- und Schubert-Einspielungen des Cellisten Niklas Eppinger. Und Eleonore Büning sieht die Emanzipation der Frauen nun auch in der "schwer beweglichen Hackordnung der klassischen E-Musik" verwirklicht, nachdem nun auch Männer ganz selbstverständlich die Werke von Komponistinnen einspielen.

Besprochen werden die Ausstellung "Andy Warhol - the Late Work" in Düsseldorf, Jürgen Flimms Inszenierung von Strauss' "Salome" an der Met und der deutsche Computerfilm "Back to Gaya". Auf der Literaturseite werden unter anderem eine Neuübersetzung von "1001 Nacht" im Verlag C.H. Beck und Norman Maneas Roman "Die Rückkehr des Hooligan" vorgestellt.

In der Frankfurter Anthologie liest Harald Hartung ein Gedicht von Robert Gernhardt - "Ross und Reiter:

Ich fühl mich meinem Leben so verbunden
wie einem Stein, der mir in freiem Falle
vorausstürzt und den Weg weist: Da geht's weiter..."

NZZ, 20.03.2004

Der Dichter Charles Simic ist kategorisch: "Sitzen und warten" ist die Hauptbeschäftigung des Dichters schreibt er im Aufmacher von Literatur und Kunst, und dann erzählt er, wie aus einer urpsrünglich geplanten Elegie auf seinen Großvater folgendes Gedicht mit vorerst noch offenem Ende entstand:

"Der Hahn trägt eine Bischofsmitra
Während die Hennen hinter ihm herziehen
Und einvernehmlich gackern
Nach seiner Morgenpredigt.

In der Scheune hat der schwarzweiße Köter
Ebenfalls seine Religion gefunden
Und wird wie eine Musikdose aufgezogen
Von der langen Klaue der Katze. "

Auch Marcel Beyer (mehr hier) erzählt in der wunderhübschen, vor einigen Wochen von Lutz Seiler eröffneten Reihe "Wohin geht das Gedicht", wohin das Leben geht, damit es zum Gedicht kommt - zum Beispiel in die ornithologische Abteilung eines naturkundlichen Museums. Und Norbert Hummelt erklärt: " Mir erscheinen diese Erstbegegnungen mit Dingen, wie sekundär, naturfern oder profan sie auch immer stattgefunden haben mögen, in höchstem Maße bedeutsam, nämlich entscheidend für mein eigenes Verhältnis zu Wörtern und Dingen und dem, was ich in Gedichten anstellen kann."

Weitere Artikel in Literatur und Kunst: Der Musikwissenschaftler Anselm Gerhard schreibt über "Muzio Clementis umstrittene Rolle in der Musikgeschichte". Melanie Unseld lässt 200 Jahre Mozart-Biografik Revue passieren (und im Jahr 2006 steht schon wieder ein Mozart-Jahr ins Haus). Der Historiker Arndt Brendecke begibt sich in die Archive der Casa de la Contratacion in Madrid, also in das auf den Amerikaverkehr spezialisierte Handelsministerium der spanischen Könige, das er als Urküche des modernen Staates beschreibt.

Im Feuilleton denkt Uwe Justus Wenzel über Selbstbestimmung im Sog der Gentechnologie nach. Roman Hollenstein würdigt anlässlich einer Berliner Retrospektive ausführlich das Werk des Architekten Erich Mendelsohn. Joachim Güntner berichtet von den Weimarer Feiern zum 200. Geburtstag des "Tell". Und Marc Zitzmann empfand den 24. Pariser Salon du livre in Paris als reichlich müde Veranstaltung. Besprochen wird eine Ausstellung mit Einrichtungsgegenständen die Jean Tinguely für ein Cafe in Kyoto schuf, im Basler Tinguely-Museum.

In den Zeitbildern schließlich erzählen Alexander Goeb (Text) und Max Grüter (Bilder) die Geschichte der Edelweißpiraten, die vor bald sechzig Jahren von den Nazis öffentlich exekutiert wurden.

Welt, 20.03.2004

Der Autor Georg Klein (mehr hierfeiert in der Literarischen Welt die neue Ausgabe des "schrecklich schönen Reigens" der Geschichten aus "Tausendundeine Nacht". Besonders beeindruckt haben ihn die Frauen, gegen deren magischen Zauber und Hinterlist selbst Allah machtlos ist: "Quell dieser Tücke ist das sexuelle Vermögen des Weibes. Kaum ist der Mann ermattet aufs Liebeslager gesunken, da verwandelt sich seine schöne Geliebte in einen Vogel, flattert in den Garten, um sich dort von einem männlichen Piepmatz bespringen zu lassen. Nicht von irgendeinem Sperling, nein, von einem ihrer zahllosen früheren Liebhaber, die sie allesamt in Tiere verwandelt hat. Kann einem Mann noch Schlimmeres zustoßen? Gewiss: Kaum hat er seinem treulosen Weib und den nicht weniger niederträchtigen Nebenfrauen eigenhändig die Köpfe abgeschlagen und ist mit seinem ebenfalls gehörnten Bruder in die weite Welt hinausgezogen, da lauert am Strande des Ozeans neues Unheil - wiederum in Gestalt eines unersättlichen weiblichen Schoßes."

Der Historiker und Philosoph Michael Ignatieff (mehr hier) erklärt noch einmal, warum er noch immer den Irakkrieg für gerechtfertigt hält: "Nun, wo wir einmal da sind, ist unser Problem nicht länger Hoffnung und Illusion, sondern Verzweiflung und Resignation. Presseberichte aus Bagdad sind so düster, man erinnert sich kaum noch, dass immerhin ein Diktator verschwunden ist, das Öl wieder fließt und die provisorische Verfassung Menschenrechte garantiert. Wir scheinen Freiheit nicht zu erkennen, wenn wir sie vor uns sehen: Die Schiiten, die zu Hunderttausenden barfuß nach Kerbala gehen, Irakis, die bei Gemeindeversammlungen Demokratie üben, Zeitungen, die entstehen, tägliche Demonstrationen in den Straßen. Wie kommen wir darauf, Freiheit könnte etwas anderes sein als chaotisch, unordentlich und sogar beängstigend? Warum sind wir überrascht, dass die Iraker ihre Freiheit dazu nutzen, uns zu sagen, wir sollten abhauen? Würden wir das nicht auch tun?"

FR, 20.03.2004

"Jetzt sagen wir es deutlich, in der Hoffnung, dass Spanien es diesmal versteht". Der Kulturanthropologe Thomas Hauschild glaubt, wir sollten das Al-Qaida-Kommunique zu den Anschlägen von Madrid ernst nehmen. Eine Schlinge zieht sich um Europa zusammen, und der klassische Terrorismus a la Madrid ist nur eine Art, sich mitzuteilen. "Daneben steht eine zweite Form der Kommunikation, die ich nach dem Vorbild der russischen 'Matrjoschka'-Puppen die Strategie 'Puppe in der Puppe' genannt habe. Sie wendet sich gegen islamische Regierungen und Bevölkerungen, die vom 'wahren Glauben' und vom Heiligen Krieg abgefallen sind, und dort wiederum gegen westliche, jüdische und touristische Enklaven. Die von Deutschen besuchte Synagoge auf Djerba signalisierte perfekt jene Vermischung der Kulturen, welche getroffen werden soll."

Alia Begisheva kennt das Erfolgsgeheimnis Putins. Er bedient die Sehnsucht nach Vergangenem. "Die alte sowjetische Hymne ertönt jeden Morgen im Radio. Dass der Text ein wenig umgeschrieben wurde, ist Nebensache. Im Fernsehen laufen Filme aus der Sowjetzeit in einer Endlosschleife. 17 Augenblicke des Frühlings, eine zwölfteilige Serie über den russischen Spion Issajew im Nazi-Deutschland, erlebt eine Renaissance. Kriegsfilme, in denen es um die Bereitschaft des russischen Soldaten geht, für seine großartige Heimat zu sterben, sind wieder genauso beliebt wie die süßlichen Filme der Breschnew-Ära, die die heile sowjetische Welt auf hohem künstlerischen Niveau vorgaukeln."

Weitere Artikel: Der Friedensforscher Gerhard Piper befürchtet in einem langen Artikel, dass die aggressive Angriffsspolitik der USA und deren Bereitschaft zum Atomwaffeneinsatz Schwellenländer zur Nachahmung animieren könnte (hier der noch längere Original-Artikel aus der antimilitarismus information). Ulrich Speck registriert mit Wohlbehagen, dass auf der Abschlusstagung zur Wehrmachtsausstellung solide Forschung die anfängliche Polemik ersetzt hat. Adam Olschweski trauert um die Band Belle&Sebastian, die ihre "lässige Vorläufigkeit" nunmehr gegen fade Perfektion eingetauscht haben. Der Weltverband der Zeitungen meldet, dass 2003 53 Journalisten getötet wurden. Und Renee Zucker berichtet von zweitägigen Croissant-Fressorgien in Indien.

Besprochen werden die erste Ausstellung der Fondation Henri Cartier-Bresson mit acht fotografischen Essays in Paris und Thomas Schulers Buch über die Bertelsmann-Familie, "Die Mohns".

Im Magazin, das den Print-Lesern vorbehalten ist, verpassen wir unter anderem ein Interview mit Phil Collins.

TAZ, 20.03.2004

Im zweiten Teil seines Interviews mit Eric Chauvistre widmet sich Noam Chomsky (mehr) der überraschend schwierigen Befriedung des Irak und den Fehlern der Besatzungsmacht. "Ich bin davon überzeugt, dass es jedes Seminar an der Ingenieursfakultät hier bei uns am MIT geschafft hätte, das Stromnetz innerhalb einer Woche wieder in Betrieb zu nehmen. Auch das medizinische System hätte schnell repariert werden können. Eine Kombination von Arroganz, Inkompetenz und Ignoranz bei den US-Truppen führte ins Desaster. Das ist schlecht für Irak, aber hilfreich für den Rest der Welt."

Ein Jahr Irak-Krieg ist zudem Tagesthema. Karim El-Gawhary porträtiert den einflussreichen Schiitenführer Ajatollah al-Sistani, seines Zeichens "Demokrat mit schwarzem Turban". El-Gawhary beschreibt auch den wachsenden Reformdruck in den arabischen Ländern. Julia Gerlach schaut, was aus Saddams legendärem Informationsminister Mohammed Said al-Sahhaf (Fan-Seite) geworden ist, und stellt fest: "Es scheint ihm gut zu gehen.". Inga Rogg freut sich, dass die irakischen Frauen die Einführung der Scharia verhindern. Robert Misik vermisst bei den amerikanischen Linken eine Diskussion über die Chancen der Demokratisierung. Auf der Meinungsseite bezweifelt Norman Birnbaum (mehr) aber grundsätzlich, dass die USA geeignete Demokratiebringer sind. Und im Gespräch mit Daniel Bax hält der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze Repressionen für nutzlos, da die Armut der Nährboden des Terrors ist.

Im Feuilleton staunt Norbert Bolz über Jürgen Habermas' Annäherung an die Religion. Stephanie Prochnow weiß, was aus der offensichtlich absichtlich angezündeten denkmalgeschützten Manege in Moskau nun werden soll. Dorothea Hahn weist auf die Pariser Buchmesse hin, mit Schwerpunkt China. In der zweiten taz singt Sanem Kleff ein Loblied auf Deutschland als Einwanderungsland. "Ordnung und Pünktlichkeit, ein Paradies für Heimwerker - vor allem aber die Idee von sozialer Gerechtigkeit." Idee ist gut gesagt. Horror-Film Regisseur Jörg Buttgereit (mehr) findet, das Mel Gibsons Jesus-Film nicht einmal das Zeug zum Horror-Schocker hat. "Zu langweilig und zu verbissen." Auf der Medienseite lässt Jan Feddersen die Viva-Moderatorin Sarah Kuttner über den von ihr komoderierten Vorentscheid zum Grand-Prix monologisieren.

Besprechungen widmen sich Bubba Sparxxx' Album voll "durchgedrehter Experimentierfreude" namens "Deliverance", Eva Kanturkovas "beeindruckendem" Roman "Freundinnen aus dem Haus der Traurigkeit", Kristina Borjessons "etwas zu pathetischer" Anklageschrift gegen den Tod des investigativen Journalismus jenseits des Atlantiks "Zensor USA" sowie John Le Carres neuem Roman "Absolute Freunde" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

Im tazmag geht es recht bunt zu. Sebastian Heinzel kündigt nach der Lektüre des Illustrations-Kompendiums "Freistil" die Renaissance der Gattung auch in Deutschland an (Hintergrund Illustration). Niels Kadritzke sieht die Olympischen Spiele als Geburtsort des professionellen Sports. Peter Damman stellt ein Hilfszentrum für Straßenkinder im brasilianischen Salvador vor.

Und Tom.

SZ, 20.03.2004

Der Kabarettist Gerhard Polt (mehr und mehr) unterhält sich lesenswert und nachdenklich mit Susanne Vahabzadeh und Fritz Göttler über seinen neuen Kinofilm Germanikus. Warum er etwa in der römischen Cinecitta gedreht hat? "Es sind schon alle Sachen da. Da ist schon eine Römerstadt. Man geht also hin und sagt: Haben Sie mal einen Caligula? und dann antwortet einer: Caligulas sind da drüben!" Als Nächstes könnte Polt sich vorstellen, was über das Dritte Reich zu machen, und "diese Figuren als das zeigen, was sie wirklich waren, nämlich mediokreste Schlawiner, absurde Vögel."

Weiteres: Frisch und frech ist die slowakische Literatur heute, versichert der Lyriker und ehemalige Diplomat Milan Richter in seiner Einführung für kunstinteressierte Slowakei-Laien. Einige amerikanische Neokonservative scheren aus und plädieren für eine stärkere UN, beobachtet Tim B. Müller im Leitartikel und rät Europa, dieses Dialogangebot zu nutzen. Stefan Koldehoff nimmt das aufgetauchte Wiedergründungsprotokoll der NSDAP zum Anlass, um auf das noch immer zurückgehaltene Beutegut der Alliierten hinzuweisen. Kristina Maidt-Zinke gratuliert dem australischen Autor David Malouf (mehr) zum 70. Geburtstag. Innerhalb der Reihe "Wozu Geisteswissenschaften?" verteidigen Barbara Stollberg Rilinger und Gerd Althoff den DFG-Sonderforschungsbereich 496, zuständig für die symbolische Kommunikation. "mea" meldet, dass Thomas Schüttes Skulptur "Hotel für die Vögel" (so sieht es aus) ab 2005 den leer stehenden Sockel am Londoner Trafalgar Square schmücken soll.

Michael Jürgs überbringt dem Fotografen Robert Lebeck (mehr) auf der Medienseite Glückwünsche zum Fünfundsiebzigsten. Klaus Ott beleuchtet Georg Gafrons undurchsichtige Beraterdeals mit Leo Kirch. Auf der dritten Seite findet Karin Steinbergers stimmungsvolle Reportage über die Verbindung eines frustrierten deutschen Krabben-Pulmaschinenerfinders mit marokkanischen Akkord-Pulern.

Besprochen werden drei "interessante" Ausstellungen im Mailänder Palazzo Reale, die Uraufführung von Dirk D'Ases "katastrophaler" Oper "Einstein, die Spuren des Lichts" in Ulm, Billy Wilders Berlin-Komödie "Eins, zwei, drei" als Bühnenstück im Berliner Hebbel am Ufer, der Film "Zwerg Nase" von Ilya Maximov, und Bücher, darunter Victor Hugos erstmals vollständig auf Deutsch erhältliches Epos "Die Arbeiter des Meeres", Paul Rabinows Versuch einer "Anthropologie der Vernunft" sowie Karl Markus Gauß' "hübsch zu lesendes" Reisetagebuch "Die Hundeesser von Svinia" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

Das Magazin prunkt mit einem kleinen Text von Jonathan Safran Foer (mehr), der durch das Jüdische Museum wandelt und sich seinen Teil denkt. Etwa zu den rekonstruierten Feigenblättern von 3760 v. Chr.: Unwissend, dass nicht alle Unwissenheit schlecht ist, aßen Adam und Eva von der Frucht. Und in der Tat erwarben sie absolutes Wissen. Eva war endlich in der Lage, den Sinn des Leidens zu verstehen (es hat keinen Sinn), und Adam ging auf, was es mit dem freien Willen auf sich hatte (hängt davon ab, was man darunter versteht)."

Außerdem sieht Willi Winkler in Mel Gibson einen Wiedergänger Clemens von Brentanos, der sich gegen Ende seines Lebens der Aufzeichnung der "sadomasochistischen Visionen" der Nonne Katharina Emmerick widmete. Jens Bisky findet in Berlins Bibliotheken die Seele der Stadt. Klaus Podak unterhält sich mit dem ernst dreinblickenden Schriftsteller Christoph Hein (mehr) über Heiterkeit.

Passend zum Auftakt der "Bibliothek" der SZ fordert Eckhart Nickel im Wochenende eine neue Lektüre der Klassiker. Thomas Steinfeld bespricht das erste Buch, Milan Kunderas "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Und Literaturwissenschaftler Heinz Schlaffer (mehr) sinniert in einer kleinen Sonderbeilage über sämtliche Spielarten der Lektüre. "Es ist eine spezifische Schwierigkeit der Literatur, dass ihre Lektüre viel Zeit in Anspruch nimmt, die sich kaum verkürzen lässt. Wer mehr als ein Gesicht oder eine Aphorismus lesen will, muss sich eine Zeitinsel im Tagesverlauf einrichten, um wenigstens eine Portion davon ungestört aufnehmen zu können. Doch selbst dann ist er Unterbrechungen ausgesetzt.: durch äußere Zwischenfälle, durch innere Abschweifung..." Schwierig, das alles.