Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juli 2004

Heute in den Feuilletons

31.07.2004. FR, FAZ, NZZ und SZ erinnern an den Ersten Weltkrieg. George Steiner meint in der Berliner Zeitung, "zuviel Geschichte" hat die Deutschen müde gemacht. Todmüde. Die taz fragt, warum Nacktheit und Gewalt im Theater skandalträchtig sind, nicht aber im Kino. Und Franzobel verteidigt in der Welt die Freiräume in der neuen Rechtschreibung.

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30.07.2004. Die SZ verteidigt die Bundeskulturstiftung gegen die Lordsiegelbewahrer des Bewährten. Die FAZ verteidigt die bewährte Rechtschreibung. Die FR hat den neuen Handke gelesen und findet ihn gar nicht verschroben. Die NZZ misst österreichische Widerstände gegen österreichische Widerständler. Die taz bespricht die österreichische Briefmarke für den österreichischen Nationalhelden Arnold Schwarzenegger.

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29.07.2004. In der Zeit beschreibt Robert Menasse Österreich als erstes Opfer des Ersten Weltkriegs. Die FR beschwert sich über allzu viele Neologismen im neuen Duden. Die taz vergleicht Michael Moore mit Marcel Ophüls. In der SZ verteidigt Otfried Höffe die einfachen Bürger, die auch partizipieren sollen. Der Tagesspiegel begab sich auf die Suche nach der ukrainischen Literatur.

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28.07.2004. Nun startet Michael Moores "Fahrenheit 9/11" auch in Deutschland. Die Kritiker strengen sich noch mal richtig an, kommen aber nicht zu einem einheitlichen Urteil. Die FAZ ist pro und kontra zugleich. Die FR feiert den Film als mediale Rückeroberung, die Berliner Zeitung als grandioses Machwerk . Die SZ bewundert den investigativen Slapstick. Der Tagesspiegel deutet die Leere in Bushs Gesicht als anders.

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27.07.2004. Dunkel war's bei Schlingensiefs "Parsifal" in Bayreuth, aber schön! Die taz liebte die fast nackte Venus, die FAZ Klingsors Raketenhöllenfahrt, die FR das Beschwipste, die NZZ die pochenden Maden, und die Welt freute sich, dass sie mal wieder nachdenken konnte in Bayreuth. Der SZ ist es zu postmodern, der Tagesspiegel ruft: Scharlatanerie! Außerdem: In der FAZ denken Hermann Glaser und Heinz Dieter Kittsteiner über den Niedergang der SPD nach. 

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26.07.2004. In der FAZ begrüßt Mario Vargas-Llosa die Abwesenheit des lieben Gottes im europäischen Verfassungsentwurf. Für die taz besucht Gabriele Goettle das einzige Berliner Sterbehospiz für krebskranke Kinder. In der FR staunt Richard Wagner über die Renaissance des Billigen. Die NZZ wird mit dem Jubiläums-"Tell" auf dem Rütli nicht glücklich.

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24.07.2004. Außer der FAZ finden eigentlich alle Zeitungen den neuen Walser gut. In der Welt befürwortet Leon de Winter den Irak-Krieg immer noch. Der Tagesspiegel interviewt Nike Wagner zu Schlingensief. Auch die SZ stimmt uns ausführlich auf Salzburg und Bayreuth ein.

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23.07.2004. Die SZ liest Martin Walsers neuen Roman "Der Augenblick der Liebe" als "dünn überfirnistes Bild einer wahren Affäre des alten Mannes mit einer jungen Frau". Die FR sieht Walser im "unbefriedbaren Ödipalkampf". In der FAZ kritisiert Andre Glucksmann die französische Politik, die den Antisemistimus befördere. Die NZZ spielt Pachinko.

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22.07.2004. Die Zeit bespricht als erste Zeitung Martin Walsers neuen Roman "Der Augen blick der Liebe". In der Welt weist Jeffrey Gedmin vom Aspen Institut nach, dass Europa ein Irrtum ist. Im Tagesspiegel beklagt Matthias Politycki die fortwährende Demütigung der Deutschen. In der FR insistiert der Medientheoretiker Manfred Schneider, dass Europa keine Schicksalsgemeinschaft sei. Die SZ zeichnet ein Sittenbild über Castorfs Abwicklung West.

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21.07.2004. Die FR präsentiert Thomas Fliers Fünfjahresplan für die Berliner Theater. Die taz schildert die Nöte des Berliner Naturkundemuseums mit Blaps Mortisaga. In der SZ stimmt Jean Rouaud einen Abgesang auf den Pariser Kiosk an. Die NZZ lässt sich von Santeria behexen. Die FAZ feiert Angela Merkels historischen fünfzigsten Geburtstag.

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20.07.2004. In der SZ spottet Leon de Winter über die Scheinheiligkeit der UNO in Sachen Israel: "Eine Gruppe von Serienmördern beklagt über einen Taschendieb". In der FAZ erzählt Elke Heidenreich, wie sie mit leichter Hand Mozarts "Gärtnerin aus Liebe" umschrieb: "Elke, das ist jetzt kein literarisches Riesending." Die NZZ hat langsam genug von Berliner Theater, zumal in Avignon. Die FR fliegt  zum Mond. Und alle trauern um den genialischen Carlos Kleiber.

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19.07.2004. Die FAZ musste weghören, als das politische Theater in Avignon lallte und strampelte. Die SZ erkennt dagegen im Theatermarkt einen entgrenzten Merkantilismus. Die Welt behandelt das Trauma des Christoph Schlingensief (er sieht zu gut aus). Im Tagesspiegel spricht der Maestro selbst über seine Nähe zu Richard Wagner. Die NZZ wundert sich über den Medienrummel zum 20. Juli. Die FR erinnert an den "anti-antifaschistischen" Widerstand.

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17.07.2004. "So lange war ich noch nie nackt und voll Schokopudding", umreißt Christoph Schlingensief in der FR seine derzeitige Schaffensperiode. Die Welt fühlt sich nach Georg Kleins Horrorroman "Die Sonne scheint uns" geschleudert und geschüttelt, donnernd rauschend überspült, angeekelt und verängstigt.  Die NZZ kennt eine optimistische Verlegerin: Daniela Seel. Die taz führt in den Dresscode für junge Islamisten ein. Die FAZ nimmt den Berliner Invalidenfriedhof in Augenschein. Und die SZ nimmt schweren Herzens Abschied von James Levine.

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16.07.2004. Die FAZ lüftet das Geheimnnis von Brenner's Park-Hotel zu Baden-Baden. In der FR verzeiht Thomas Ostermeier dem Publikum in Avignon. In der NZZ plaudert Ulla Lenze an syrischen Gebirgsbächen über Nietzsche. Die SZ bedauert das männliche Geschlecht.

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15.07.2004. Die Zeit outet die Berserker der deutschen Dramatik als neoromantisch. SZ und FR verehren Anton Tschechow. In der taz beschreibt der libanesische Schriftsteller Selim Nassib, warum Abu Ghraib die Araber noch paranoider gemacht hat. In der Welt erklärt der Historiker Gadi Taub, warum er Ariel Sharon dankbar ist. Die NZZ besucht die Kartause von Padula. Und die FAZ hat den offiziellen chinesischen Sommerferienfilm gesehen.

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14.07.2004. Die SZ empfiehlt Flüchtlingen, etwas anspruchsvoller zu sein, wenn sie nach Europa kommen wollen. Die NZZ begutachtet die Geschenkesammlung von Nordkoreas Kim Jong Il, zu der auch Plüschbären mit FDJ-Hemd gehören. FR und FAZ haben dafür die Rieck-Hallen besichtigt, in denen die Flick Collection gezeigt werden wird. Der Tagesspiegel polemisiert gegen den bis zur Debilität gutmütigen Förderstaat.

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13.07.2004. Das klügste Gebäude der Welt steht laut FAZ in Boston, worüber sich Harvard sehr ärgert. In der Welt prangert Rupert Neudeck den Völkermord im Sudan an. Für die FR löst sich die französische Republik aufs unappetitlichste in eine ethnisch-religiöse Parallelgesellschaft auf. Die SZ beruhigt die Deutschen: So amerikanisiert seid ihr gar nicht.

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12.07.2004. In der Welt spricht Martin Walser ausführlich über seinen neuen Roman "Der Augenblick der Liebe" und seinen alten wunderbaren Verlag. Die FAZ prangert Gerhard Schröders "Realpolitik" gegenüber Moskau an. Die SZ wurde Zeuge eines Unglücks: Dem Pianisten Nikolai Tokarev fehlte bei Schumanns Toccata Opus 7 die dringend notwendige "leuchtende Legato-Festigkeit".

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10.07.2004. Die taz meditiert über die Botschaft der von Islamisten ins Netz gestellten Enthauptungsvideos. In der Welt kommt Gerd Koenen auf das eigentliche Skandalon in Hanns-Martin Schleyers Nazikarriere zurück. Dier Berliner Zeitung erzählt, wie Kofi Annan dank Brioni viel Würde mit Ironie kombinierte. Die NZZ zählt die zahlreichen Großeltern zu den Vorteilen der patchwork family.

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09.07.2004. Die taz setzt sich an den Avid-Schnittcomputer und zerbricht die lineare Logik des Erzählkinos. Die FR findet die Erklärung für die Frömmigkeit der Amerikaner in der Tiefe des Raums. Die NZZ stellt uns den Chinesen vor. In der SZ beklagt Klaus-Dieter Lehmann die Diskussion über die "Göring-Collection". Die FAZ-Kultur relativiert sich.

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08.07.2004. "Hinterkopf zum Teil und Haare vollständig weggebrannt" - Walter Kempowski hat für die Zeit Dokumente zum 20. Juli gesammelt. Die FAZ nimmt die Bundeskulturstiftung unter die Lupe. In der FR erklärt Vincent Baudriller, Leiter des Theaterfestivals von Avignon, warum er Thomas Ostermeier für einen herausragenden Regisseur hält. Der Tagesspiegel bringt eine Recherche zum Niedergang des Klassikmarkts. Die SZ fürchtet: Wenn Kerry dran kommt, müssen die Europäer in den Irak.

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07.07.2004. In der NZZ schildern zwei irakische Autoren ihre Genugtuung über den Prozess gegen Saddam Hussein. Die FAZ enthüllt, wie sich Spider-Man vor der Waschmaschine und Köln vor der Unesco blamiert. In der FR nimmt der linke Intellektuelle Peter Fuchs kritisch zu den neuen Sozialgesetzen Stellung, während sich beim linken Intellektuellen Michael Rutschky in der taz die Angst vorm Schwund nicht einstellen will. In der Welt singt der Autor Petros Markaris  ein Hohelied auf die "Schlauheit der Plebejer", womit diesmal aber die griechischen Fußballer gemeint sind.

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06.07.2004. In der FAZ erklärt Jonathan Franzen, was er warum nicht gegen Bush schreibt. In der taz stellt Heinz Berggruen einen schlechten Klee in die Ecke. Im Tagesspiegel sorgt sich die lettische Dichterin Amanda Aizpuriete um die Zukunft des groben Salzes. In der SZ führt Peter Brook in die vertrackte Dialektik von Natur und Kunst im Leben der Schauspieler ein.

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05.07.2004. Die FAZ erwischte Richard Rorty beim Agieren unter seinem Niveau. Der FR graut vor dem sowjetischen Kitsch im heutigen modebewussten Russland. Die taz sinniert über die Kindheit Klaus Theweleits, Michael Rutschkys und Botho Strauß'. Die SZ bewundert die Kriminalaffären einer schwedischen Sekte, bei der sich einem die Hände um den Hals der Seele legen, und zwar buchstäblich. In der NZZ zeigt sich der spanische Autor Enrique Vila-Matas beglückt über die Schweizer Art der Alka-Seltzer-Austeilung.

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03.07.2004. Endstation Brando: "Wer will nach ihm noch Kowalski sein?", fragt die FR. Er war nicht nur einer der bedeutendsten, er war auch einer der schönsten Schauspieler des 20. Jahrhunderts, meint die SZ, die auch einen Text von Truman Capote bringt. In der NZZ erinnern Michael Krüger und Peter Esterhazy an das Wunder beziehungsweise die Niederlage von Bern. Die Welt bringt einen Text von Uwe Tellkamp, in dem es knallt.

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02.07.2004. Die SZ weiß, warum das neue Buch Nicholson Bakers in den USA geheim gehalten wird: Darin wird ein Attentat auf George W. Bush geplant. Die NZZ erzählt, wie der Flamenco in Spanien seines Mythos beraubt wird. In der Berliner Zeitung erzählt Samira Makhmalbaf von Dreharbeiten zu ihrem letzten Film in Afghanistan. Die FAZ lässt Gras über das Berliner Schlossareal wachsen. Und alle hörten Frank Castorf ohne Konjunktiv von der Zukunft reden.

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01.07.2004. In der Zeit fragt sich Anne Tismer, ob sie erotisch ist. In der Berliner Zeitung erklärt der Berliner Kultursenator eine ganz normale Kündigung. Die FR zitiert Frank Castorfs Kommentar zu einem Scheitern in Recklinghausen: "Och, naja." Und die Welt beweist: Wenn die Linke verkümmert, hat die Rechte Phantomschmerzen.