9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Mit einer Gewaltmembran

19.03.2024. Gesellschaft im Aufruhr: Der "Meinungskorridor" für antiisraelische Äußerungen werde immer enger, beschwert sich die taz. Israel betreibt in Gaza einen Rachefeldzug, schreibt Joseph Croitoru in der FR. Susan Neiman wirft Deutschland in der Irish Times MacCarthyismus vor. Die Sozis sind "Munichois" ruft FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube  der "Gruppe der Schwesigs, Stegners und Scholzens" zu. Ein charmanter Zahnarzt aus Düsseldorf organisiert den Rechtsextremismus in Deutschland, berichtet die SZ: "sogar Sahra Wagenknecht"! Das Berliner Stadtschloss wird zur Festung für den Kulturkampf, fürchtet ebenfalls die SZ.

Minen in den Köpfen der Menschen

18.03.2024. Die Krim ist auf den Tag genau vor zehn Jahren besetzt worden. In der taz spricht Tamila Taschewa, die "Ständige Vertreterin des ukrainischen Präsidenten in der Autonomen Republik Krim", darüber, wie die Krim nach dem ukrainischen Sieg wieder demokratisiert werden soll. Auch an Stalins Genozid an den Krimtataren erinnert die taz. Im Spiegel zeichnet Karl Schlögel in einigen kräftigen Strichen das Porträt des Putinismus. Und Jan Fleischhauer informiert im Focus über das "Berliner Register" für missliebige Äußerungen.

Gut erprobte Methoden

16.03.2024. Eva Illouz wirft Judith Butler in einer fulminanten Replik für Le Monde "doppelten Negationismus" vor - wir zitieren ausführlich. Auch Butler hat sich nochmal geäußert. "Hinter dem Verschwinden verbirgt sich meist ein Verbrechen", schreibt  die ukrainische Schriftstellerin Tanja Maljartschuk über die historischen Traumata ihres Landes. Richard Herzinger fragt in der NZZ, ob Demokratien generell eine Tendenz zum Appeasement haben. Die taz stellt neue Erkenntnisse über den "progressiven" Pädagogen Helmut Kentler vor, der im Verein mit Gerold Becker von der Odenwaldschule ein Pädophilie-Netz in Deutschland unterhielt.

Im Alltag fühlen sie sich schwach

15.03.2024. Putin siegt auf ganzer Linie: Der Westen lässt die Ukraine im Stich - wogegen sich ein Aufruf wendet - und die Wahlen in Russland gewinnt Putin ja sowieso. In der FAZ erklärt Bülent Mumay den neuen türkische Religionsunterricht an Pappmodellen. In der Jüdischen Allgemeinen antwortet Esther Schapira zornig auf einen Spiegel-Artikel, der Israel einen "Vernichtungsfeldzug" vorwirft. Charlie Hebdo schlägt nun auch für Universitäten Schuluniformen vor.

Es liegt sehr viel Ungewisses in der Luft

14.03.2024. Putin lässt sich am Wochenende seine "Wiederwahl" fabrizieren. Aber der Krieg kommt nicht noch, er ist schon, schreiben Daniel Cohn-Bendit und Claus Leggewie in der taz. Eine Gesellschaft, die ihre "Verletzlichkeit" ins Zentrum stellt, endet im Zwang, fürchtet die Juristin Frauke Rostalski in der Zeit. Was Judith Butler betreibt, ist eine Auslöschung der Differenzen im Namen der Fluidität, diagnostiziert Jan Feddersen in der taz. Aufruhr an der Saar: Nach der Absage einer Candice-Breitz-Ausstellung im November geht's immer noch drunter und drüber, berichtet der Saarländische Rundfunk.

Und beschämend ist es auch

13.03.2024. Im Guardian blickt Jan-Werner Müller auf die Bromance zwischen Orban und Trump: Vor allem Trump schwärmt davon, wie Orban die Kontrolle über Bildung und Kultur im Staat erlangte. In der Welt glaubt Hans Michael Rühle, ehemaliger Nato-Referatsleiter, dass sich die Ukraine irgendwann unter westlichem Druck auf Verhandlungen mit Russland einlassen muss. Ohne einen Regimewechsel in Russland wird es nie einen dauerhaften Friedensschluss geben, räumt indes die Historikerin Beatrice Heuser in Sirius ein. Gewalt ist kein theoretisches Konstrukt, klärt die Jüdische Allgemeine Judith Butler auf.

Der geringe Grad an Protest

12.03.2024. In Zeit online warnt Cory Doctorow vor einer "Verschlimmscheißerung" des Internets - aber es gibt Hoffnung. Ohje, jetzt gibt es nicht nur Künstliche Intelligenz, sondern auch "emotionale künstliche Intelligenz" - Kenza Ait Si Abbou erklärt in der FR, was das sein soll. Bernard-Henri Lévy prangert in seiner Kolumne die Kälte gegenüber Israel an. Der Figaro-Kolumnist Gilles William Goldnadel schildert den neuen Antisemitismus in Frankreich. In der FAZ erzählt Hubertus Knabe, mit welchem Aufwand Kolumbien sich mit sich selbst versöhnen will.

Es geschah am helllichten Tag

11.03.2024. Norbert Röttgen und Anton Hofreiter  prangern in der FAZ den "katastrophalen Defätismus des Kanzlers" an. Vor zwanzig Jahren begann in Spanien die Ära der Fake News, konstatiert die taz mit Blick auf den Terroranschlag von Madrid am 11. März 2004. Antisemitismus kann gar nicht links sein, dekretiert Wolfgang Benz in der FR - das hat er in Geschichte gelernt.  KI könnte fürs Übersetzen so schlimm sein wie Taschenrechner fürs Kopfrechnen, fürchten FAS und FAZ in mehreren Artikeln. Aber Thomas Rabe von Bertelsmann ist zuversichtlich: "Nehmen Sie das Beispiel Pumuckl."

Reale, physische, ereignishafte Gewalt

09.03.2024. Die Opposition in Russland liegt am Boden, aber sie ist nicht tot, hofft Sergei Lukaschewski, der einst das Sacharow-Zentrum leitete, in der taz. Die Welt nimmt Abschied von den Ideen des Universalismus, meint Leander Scholz in der NZZ. Die Welt nimmt Abschied von Butlers Konstruktionen, die ebenfalls gerade einen Super-GAU erlebten. In der FAZ erzählt der Autor Matthias Jügler die alptraumhafte Geschichte geraubter Babys in der DDR.  Und wir sehen einer Aktivistin dabei zu, wie sie das Porträt des Lord Balfour zerstört.

Donald Trumps Schwestern im Geiste

08.03.2024. Judith Butler möchte gern die Beweise für die Vergewaltigungen am 7. Oktober sehen und überprüfen. In der Welt rechnet Mirna Funk mit den Feministinnen der dritten Welle ab, die zu den Vergewaltigungen der Hamas schweigen. Die FAZ erklärt, warum vor allem weibliche Politiker den Rechtspopulismus in Europa und den USA befeuern. Die FR beklagt die Lage palästinensischer Frauen in Gaza. Kurz: Man hat schon bessere Weltfrauentage erlebt. Außerdem berichtet Andreas Umland in der Welt über die systematische Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland.