Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

April 2010

Doch dann das große K!

30.04.2010. Es ist so weit - das Netz wird privatisiert. Die ersten Opfer heißen Adobe und Google. Denn auf der Website Apple erklärt Steve Jobs höchstpersönlich, warum er auf seinen Geräten niemals mehr das Flash-Programm von Adobe zulassen wird. Und auf CNN erklärt der Blogger Peter Cashmore, warum Google durch den "Like"-Button von Facebook das Netz nicht mehr hierarchisieren kann. Ist aber egal, denn das Internet macht uns sowieso alle blöd, informiert die FAZ. In der NZZ denkt Sibylle Lewitscharoff über Namensgebung in Romanen nach. In der Welt meckert Fritz J. Raddatz über Kollegen. 

So verzweifelte Düsternis

29.04.2010. Die FAZ greift  Peter Nadas' scharfe Kritik am Berliner Holocaust-Mahnmal auf. Der Freitag begrüßt die Archivierung sämtlicher Tweets in der Library of congress. Die SZ fragt: Wer steckt eigentlich hinter Wikileaks? Und ist das Journalismus? Die Zeit hat einen Text, der eventuell von Helene Hegemann ist. Die taz fragt nach dem richtigen Gebrauch des Begriffs Missbrauch. In Perlentaucher, taz, Tagesspiegel und einigen Blogs hallt außerdem ein lautstarker Abend im Berliner Centrum Judaicum nach.

Wäre ich ein schlanker Mann

28.04.2010. Für die NZZ liest Richard Wagner Securitate-Akten über Cioran. Die FR fürchtet um die Stadt Hamburg, der durch die Elbphilharmonie das Schicksal Griechenlands zu drohen scheint. In der taz will Michail Chodorkowski seine Hoffnungen in Putin und Medwedjew nicht ganz aufgeben. Die SZ porträtiert den haitianischen Filmemacher  Arnold Antonin, der die Erdbebenkatastrophe in seinem Land dokumentiert hat.

Niemand schreit hier

27.04.2010. Trotz ihrer ersten Niederlage in der Kruzifix-Frage: Es ist gut, dass Aygül Özkan Ministerin wird, findet die taz. In der FR lernt Micha Brumlik bei Shlomo Sand Neues über die Geschichte der Juden. Die Auflage der amerikanischen Zeitungen ist um 9 Prozent gefallen, meldet die New York Times. Jörg Lau nennt die South Park-Zensur und die dahinterstehende Mentalität in seinem Blog "langsam verachtenswürdig". Mashable fragt: Warum twittert Hugo Chavez? Die SZ stellt Tato Tabordas Musiktheaterprojekt mit den Yanomami-Indianern vor.

Zauberhafte Anarchie des Netzes

26.04.2010. Heute ist Tag des Geistigen Eigentums. Wir zitieren Zweifel der Wikipedia an der Einschlägigkeit des Begriffs.  Techcrunch fragt: Kann man Facebook noch stoppen? Matthias Küntzel legt auf seinem Blog Ungereimtheiten bei der Neubesetzung der renommierten,  zur Zeit von Wolfgang Benz besetzten Professur für Antisemitismusforschung an der TU Berlin offen. In SZ Online äußert sich Harald Martenstein ein bisschen traurig zur Zukunft des Journalismus. Die FAZ feiert Kristof Schreuf.

Ich bin ein Hannelörchen

24.04.2010. Die 200. South-Park-Episode ist jetzt auch für das deutsche Publikum gesperrt. Die FAZ hat ein Statement von MTV eingeholt. Jörg Lau hat zur Gruppe Revolution Muslim recherchiert und fragt bestürzt: Wegen der albernen Drohposts dieser Freaks wird zensiert? Jon Stewart singt dazu: Bleep Bleep Bleep. In der taz erklärt die Autorin Olga Lewicka: Polentum ist eine Religion. In der FR diskutieren Christa Ritter und Arno Widmann über Sex zwischen Schülern und Lehrern. In der Welt fürchtet Michael Krüger den Zusammenbruch der kritischen Öffentlichkeit durch das Internet. Die NZZ porträtiert den Künstler Hitonari Tsuji. Die SZ lernt aus Großbritannien: Auch im Fernsehen kann man vernünftig debattieren.

Pino zieht an seiner Zigarette

23.04.2010. Die Welt möchte die Southpark-Folge mit Mohammed im Bärenkostüm (Abbildungsverbot eingehalten!) sehen. Aber sie wurde nach Einspruch religiös Empfindlicher (die das Schicksal Theo van Goghs beschworen) zensiert. Die NZZ berichtet über die Schweizer Dialektik der Dialekte. Die Welt besucht eine Stadtbücherei. FAZ und SZ denken über die katholische Kirche nach.

Ein Zeichen von Feudalmacht

22.04.2010. Die taz klärt auf: Nicht nur in der katholischen Kirche, auch in der alternativen Szene und bei manchem taz-Autor war Sex mit Knaben echt beliebt. Da schlug das Pendel zu weit aus, meint Christian Ströbele dazu heute.  Die Zeitschrift Cicero ist unter Michael Naumann auf dem Weg nach Vorwärts, meldet The European. Die NZZ spricht mit Arseni Roginski von Memorial über Katyn. Die FAZ findet den Dalai Lama nicht. Sie hat aber auch bei Google.cn gesucht. Die SZ bringt einen Essay von Olga Tokarczuk über das "neurotische Theater eines katholischen Nationalismus" in Polen. Die Zeit mischt sich ins Netz ein.

Groteske Sakralisierung

21.04.2010. In der NZZ erklärt der Islam-Experte Olivier Roy, warum er den Begriff der Islamophobie für abwegig hält. Die Welt bringt einen Aufruf nun doch noch angeknipster Künstler und Designer zum Erhalt der Glühbirne. Die FR weiß, warum der Tod deutscher Soldaten in Afghanistan weniger Empathie auslöst als der Tod Robert Enkes. Google führt jetzt eine Liste mit Zensuranfragen von Regierungen. Deutschland steht auf einem ehrenvollen zweiten Platz. In der FAZ schreiben Andrzej Stasiuk und Viktor Jerofejew über das Flugzeugunglück von Smolensk und seine Folgen.

Verblüffendes Freispiel der Themen

20.04.2010. Irights.info stellt das Online-Spiel Cat Protect vor, mit dem der Börsenverein Kinder für das Urheberrecht sensibilieren möchte (und wer es bricht "wird für alle Ewigkeit als abschreckendes Beispiel gefangen sein"). The Big Picture bringt very big pictures des Eyjafjallajökull. In der FAZ verteidigt Werner Spies den allenthalben groß präsentierten Maler Neo Rauch gegen Neider und Zweifler. Die SZ sieht ihn vor allem als sehr deutschen Künstler.

Kein Gluck-Glück

19.04.2010. Gizmodo bringt eine Weltkarte des Dreifrontenkrieges zwischen Google, Apple und Microsoft. Die westlichen Werte sind nicht westlich, erklärt Kenan Malik in seinem Blog. In der FAZ und in der Welt wird's wolkig. In der NZZ empfiehlt der Pädagoge Allan Guggenbühl: Lasst Kinder chatten. Die Zeit stellt einige Artikel aus ihrer Islamdebatte online.

Dezidiert linke Konferenz

17.04.2010. Die NZZ beobachtet eine Renaissance des Jiddischen. Die FR sieht nur Pseudozusammenhänge im Werk Neo Rauchs. Die taz rühmt das Tollkühne an Alain Resnais. Die SZ lauscht Enteignungsfantasien auf der re:publica. Die FAZ betrachtet das Grauen in Form einer anonymen Hacker-Truppen auf der Webseite 4chan.

Er hat's verpatzt

16.04.2010. In der Welt fegt Michael Wolffsohn den vom Papst angerichteten interreligiösen Scherbenhaufen zusammen. The Big Picture bringt erhabene Anblicke von Der großen Wolke. In der NZZ schreibt György Konrad über Ungarn nach den Wahlen. Nachtkritik bringt eine Rede des zum Theaterfan konvertierten Filmkritikers Michael Althen. Die SZ hat mit Blick auf den Papst irgendwie Verständnis von Gentlemans Beschreibung der Homophobie in Jamaika als kultureller Praxis.

In Köln stürzen nicht nur Archive ein

15.04.2010. Alle Zeitungen sind auf der re:publica. Die Welt interviewt Jeff Jarvis, der nichts gegen die Datensammelwut bei Google und Facebook hat. Auch die FR berichtet ausführlich. In der SZ staunt Pawel Huelle über die postmortale Apotheose Lech Kaczynskis in Polen. In der Zeit spricht Peter Nadas über den Erfolg der Rechtsextremen in Ungarn, der auch vom Westen verschuldet sei. In der FAZ hält David Gelernter an der technologischen Überlegenheit des Papierbuchs fest.

Selbst Fassbinder lobte dich

14.04.2010. In der taz erklärt der Grünen-Politiker Volker Beck, warum er bestimmte Reggae-Musiker lieber nicht nach Deutschland lassen würde. Wisch und weg: Die FAZ entsorgt die deutsche Blogosphäre. In Qantara erklärt Antisemitismusforscher Wolfgang Benz, warum er am Begriff der Islamophobie festhält. Der Kölner Stadtanzeiger erblickt im Votum für das Kölner Schauspielhaus ein Hoffnungszeichen fürs ramponierte Städtchen. Unter anderem in der FR schreibt Rosa von Praunheim einen Liebesbrief an Werner Schroeter

Die Antwort kam postwendend

13.04.2010. Der Papst soll in Großbritannien wegen Duldung und Vertuschung von Pädophilie verklagt werden. Die Süddeutsche eilt ihm mit wehenden Soutanen zur Hilfe. Die FAZ muss wegen des eingesetzten Spitzenanwalts ganz schön schlucken. Christopher Hitchens bleibt in Slate dabei: Der Papst gehört verklagt! Dito Paolo Flores d'Arcais im Tagesspiegel. Die taz porträtiert die türkische Autorin Pinar Selek, die die Rolle der Armee in der Zurichtung des türkischen Mannes beschreibt. Netzwertig findet die Medien-Apps auf dem Ipad fantasielos. 

Menschen auf dem Weg nach oben

12.04.2010. In der Welt macht der Reggae-Sänger Gentleman noch einmal klar: Schwulenfeindlichkeit in Jamaika soll man akzeptieren, das ist Kultur. Nach 15 Jahren Internet stellt die SZ klar: Fernsehen und Umweltingenieure sind nach wie vor wichtiger. In der FAZ erklärt erklärt der Verlagsmanager Georg Rieppel, warum Verlage keine Buchhandlungen gründen werden.Die NZZ feiert die Fußballstadien von Südafrika. Netzpolitik veröffentlicht eine Petition zu den Acta-Verhandlungen.

Wer behauptet, dass der Hahn singt

10.04.2010. "Ich möchte so gern diesen Hang hinunterbrausen": In der FR spricht die 87-jährige Autorin Ilse Helbich sehr beeindurckend übers Altern. In der NZZ macht sich der Politologe Helmut König Gedanken über die Tränen der Erinnerung. Außerdem weint der Linkskatholik Otto Kallscheuer nach fünf Jahren Benedikt die Tränen der Vergegenwärtigung. Auch um das amerikanische Imperium steht es nicht gut, meint Niall Ferguson in der Welt. In der SZ erzählt Monika Maron, wie sie lernte, dass die Römer unmusikalisch waren.

Heute glücklich ohne Bedauern

09.04.2010. Die NZZ ist mit den Verzagten, und zwar sowohl Japanern als auch Verlagen. Die FAZ lupft dem Fundamentalismus der Aufklärung den Schleier. In der taz fordert Michael Brumlik den Antisemitismusforscher Wolfgang Benz auf, sich zu seinem Nazidoktorvater zu äußern. Die SZ liest Romane über Landärzte und rät Studierenden von entsprechenden Angeboten ab. Laut Mediabistro wurden mit dem Ipad schon mehr als 600.000 Ebooks heruntergeladen. In der Welt betet Mathias Döpfner zu Steve Jobs.

Gemeinschaftliche Werke

08.04.2010. Im Freitag schreibt Volkmar Sigusch: Ein Mensch, der pädophile Neigungen hat, kann so wenig dafür, wie der, der erwachsene Frauen begehrt. In der taz macht der Reggae-Sänger Gentleman klar: Entweder man respektiert die Schwulen oder die jamaikanische Kultur. Die taz macht auch auf eine fatale Dialektik von Wikileaks aufmerksam. In der FAZ erklärt Thomas Hettche, warum er auf keinen Fall bloggen will.

Nicht nur die bösen Googles

07.04.2010. Ändert Russland seine Geschichtspolitik? Jedenfalls wird Wladimir Putin heute bei den Gedenfeiern in Katyn dabei sein. Anne Applebaum in Slate und Gerhard Gnauck in der Welt spekulieren über seine Motive. Immateriblog rät: Bevor man sich ein Ipad kauft, sollte man sich einige Wochen Zeit nehmen und die AGB für Itunes studieren. Die NZZ porträtiert den chinesischen Starblogger und Bestseller-Autor Han Han. Die FAZ fragt: Warum wendet sich eine Ministerin eigentlich mit einem offenen Brief an Facebook?

Chiacchiericcio

06.04.2010. Boingboing hat im Ipad eine neue Schreibung für das Wort S****a entdeckt. Auch die FAZ blättert im Ipad und macht sich Hoffnungen auf eine Zukunft der alten Medien im neuen. In der Welt erklärt der Germanist Karl-Heinz Göttert, warum die deutsche Sprache durch das Englische weit weniger gefährdet ist als seinerzeit durch das Französische. Die NZZ positioniert sich im wilden Schweizer Streit über die Frage, ob es richtig ist, Max Frischs "Entwürfe zu einem dritten Tagebuch" zu veröffentlichen, für Peter von Matt und gegen Adolf Muschg.

Gott sei gerühmt für das Getüpfelte

03.04.2010. In der Welt bereitet uns Laszlo F. Földenyi auf einen Schock vor: bei den ungarischen Wahlen in einer Woche könnten Rechtsextreme und Populisten achtzig Prozent bekommen. In der taz erklärt der Schriftsteller Petros Markaris, den Griechen könnte es viel besser gehen, würden sie nicht so viele Rüstungsgüter von den Deutschen kaufen. Die FR ist glücklich über die Pirahas. Die NZZ rühmt die ekstatische Daseinsfeier der Schönheit in den Gedichten von Gerard Manley Hopkins. In BoingBoing erklärt Cory Doctorow, warum er niemals ein Ipad kaufen wird.

Mitschnacker

01.04.2010. In der NZZ fragt Cora Stephan: Schaffen Apple und Amazon die Verlage ab? Und was heißt das für die Autoren? In der FR klagt die kubanische Bloggerin Yoani Sanchez den Postkonzern DHL an, bei der Zensur im Lande mitzuwirken. Außerdem stellt die FR einige Fakten zu Helene Hegemann richtig. Frederic Fillou fragt in seinem Blog: Gibt es noch britische oder französische Zeitungen, die nicht in die Hände von russischen Oligarchen übergehen? In der FAZ reitet der Theologe Friedrich Wilhelm Graf eine Attacke gegen den Filz in den Kirchen.