Georg Klein

Von den Deutschen

Erzählungen
Cover: Von den Deutschen
Rowohlt Verlag, Reibek 2002
ISBN 9783498035136
Gebunden, 192 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Auf und ab, und kreuz und quer, sind sie unterwegs. Ob zur Bowling-Bahn in U-Bahn-Nähe oder in ein Seniorenheim am Ammersee, ob zum neugebauten Kanzleramt an der Spree oder nach Erfurt, ob nach Chicago, wo der riesenhafte Herr Arno ein Nazi-Devotionalien-Geschäft betreibt, oder ins ferne Schutzgebiet an der Druschka - die Deutschen, von denen Georg Klein in diesen Geschichten erzählt, sind Getriebene, und doch sind sie alle fast am Ziel. Da ist der weißbeflaumte Kungu, der früher einmal in Afrika gekämpft hat und jetzt im Regengeniesel mit seiner Staffelei an der Gedächtniskirche sitzt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.07.2003

Georg Kleins zwölf Erzählungen "Von den Deutschen", gegliedert in die Abteilungen "Riesen", "Recken" und "Wichte", haben den "Jdl." zeichnenden Rezensenten nicht wirklich begeistert. Das Thema hätte seines Erachtens zu "Exkursen" und zu "Exemplarischem" getaugt. Doch Georg Klein wähle die Form "ironischer Verdichtung". Den deutschen Existenzen, von denen Klein erzählt, misslinge das Leben auf dem hohen Niveau ihrer uneinlösbaren Absichten und Träume. "Aber", fügt der Rezensent hinzu, "es scheitert auch an der Brillanz von Georg Kleins Erzählungen, die am Ende seltsam leblos bleiben." Aus Kleins Sprache, die obschon "artistisch" und von "virtuosen Witz", wächst zum Bedauern des Rezensenten letztlich mehr "Manieriertheit" als deutsche "Manier".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.01.2003

Mit einer guten Portion Misstrauen begegnet Katharina Granzin dem aktuellen Erzählband von Georg Klein, einen Autor, den sie ohne weiteres ins 19. Jahrhundert verfrachten würde - mit solcher Inbrunst preise er die Romantik, zu der eben auch das Deutschsein gehöre. Dass Klein es wagt, danach zu fragen, verdanke er seiner literarischen Methode, behauptet Granzin, der "Uneigentlichkeit" seines Schreibens: da lasse sich ganz ernsthaft nach dem Deutschen suchen und diese Suche zugleich ironisch in Gänsefüßchen zu setzen. Das "Uneigentliche" klassifiziert Granzin folgendermaßen: als ein Dauerbad in historischen und literarischen Bezügen, die "anzitiert und travestiert" werden und damit eine "Art Ursuppe der surrealistischen Erfindungskraft" Kleins bilden. Solcherlei Kombinationen führen dann in einen Nazi-Devotionalienshop in Chicago oder nach "Old Erfurt", welches Granzin für die beste Erzählung hält. Doch ihr Misstrauen bleibt in Alarmbereitschaft und tritt sofort wieder auf den Plan bei der "Spree Novelle", worin die "Historical Harmonists" deutsche Altkanzler nachstellen und der gegenwärtige Kanzler Würstchen für alle ausgibt. Ist das nun als ein verschämtes Ja zur "Berliner Republik" zu verstehen, fragt sich Granzin. Ihr Misstrauen will nicht weichen, ihre Verwirrung sich nicht vollends lichten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Man sollte eigentlich annehmen, schreibt Marius Meller, dass ein Autor wie Georg Klein, der 1998 im Alter von Mitte Vierzig wie aus dem nichts im Literaturbetrieb auftauchte und just erfolgreich gehandelt wurde, nach seinen Erfolgen mit den Romanen "Libidissi" und "Barbar Rosa" nun einen weiteren Roman vorlegen würde. Weit gefehlt, berichtet der Rezensent, "Von den Deutschen" sei ein Erzählungsband mit zwölf Geschichten, die in drei Vierergruppen unterteilt seien. Die Schauplätze dieser Geschichten erinnern Meller sowohl an die utopische Stadt Libidissi als auch an die düstere Hauptstadt Berlin in Barbar Rosa. "Schrundig", "schäbig" und recht surreal gehe es darin zu, und zwar so sehr, dass der Rezensent hier und da fast meinte, er habe eine "bewusstseinsverändernde Droge" eingenommen. Das hat durchaus seinen Reiz, verspricht Meller und empfiehlt, sich diese "rührenden" wie "komischen" Prosastücke über Begegnungen zwischen Deutschen und über das Deutschsein keineswegs entgehen zu lassen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2002

Ijoma Mangold unterscheidet zwei Hauptlinien in der Tradition der Deutschland-Reflexion: einmal eine der deutschen Innerlichkeit gewidmete Schubert-Linie, zum anderen die das "politische Dunkel" beklagende Heinrich-Heine-Linie, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich gewesen sei. Georg Klein wiederum interessiert sich eindeutig für die Schubert-Seite der Deutschen, meint Mangold, er betreibe "seelenhistorische" Recherche, bei der er ungerührt auf altmodische nationalpsychologische Klischees zurückgreife. Das Erstaunliche ist, so Mangold, dass seine Figuren dennoch absolut auf der Höhe der Zeit seien. Kleins Geschichten berichteten von verdrängten Ursprüngen des deutschen Seelenlebens, begriffen Misstrauen wie Faszination gegenüber dem Fremden als anthropologische Konstante. Man ist versucht, gesteht Mangold, Kleins raffinierte und pointenlose Erzählungen in ihrer suggestiven Art als Allegorien zu lesen; für Mangold begibt sich der Leser damit auf den Holzweg, weil er sich in diesem Moment für eine Lesart der Geschichte entscheiden muss. Das Besondere an Kleins Geschichten aber sei ihre Mehrdeutigkeit.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Was ist vom deutschen Nationalcharakter übrig geblieben, nachdem die Schatten der Vergangenheit vertrieben sind, und wir Deutschen unser geistiges Netz zwischen New York und Berlin-Mitte gespannt haben, fragt Thomas E. Schmidt. Diese Frage treibt auch Georg Klein um, den Schmidt aus diesem Grunde zu einem "Heimatkünstler" der Berliner Republik erklärt. Klein beobachtet scharf, findet Schmidt; seine Deutschen, ob in Berlin, den USA oder auf dem Balkan, seien keine Karikaturen, sondern überraschend treffend gezeichnet. Das Deutsche, fasst Schmidt zusammen, sei nicht verschwunden, besiegt oder gezähmt; es werde an der Oberfläche spürbar als "Amalgam aus Verfolgungswahn und Geschäftstüchtigkeit, aus Selbsthass und Todeskult". So interessant Kleins Beobachtungen sind, Schmidt stört die "Manier" des Autors: vom "Kleinschen Futur II" ist die Rede, von seiner latinisierenden Diktion, einem fast "verfallslüsternen Blick", der "die Gegenwart in eine archaische Zukunft verlängert". Gegenwartskritik und literarische Mittel stehen für Schmidt nicht im richtigen Verhältnis. Kleins Erzählungen strebten in Wirklichkeit zum Feuilleton, sagt er, ohne dessen Sprach-Kunst negieren zu wollen. Wirklich gefallen hat sie ihm nicht.
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