Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

August 2012

Klickstrecken mit Zitaten

31.08.2012. Die FAZ erzählt die sensationelle Geschichte eines von einem Nazikonkurrenten versteckten und nun wieder aufgefundenen Manuskripts Erwin Panofskys. Beim Thema Beschneidung lässt sich Ludger Lütkehaus in der NZZ von Kant inspirieren: "Handle stets so, dass du deine Kinder nicht ohne Not religiös determinierst!" Stefan Niggemeier findet in seinem Blog noch eine Menge anderer Applikationen für ein Leistungsschutzrecht. Die Welt ist gefesselt von Freiheitsforscherin Ulrike Ackermann. Die taz schickt eine erste Kolumne vom Filmfest Venedig: über Xavier Giannolis kulturkritischen Film "Superstar".

Das Internet war eine Episode der Freiheit

30.08.2012. Der Perlentaucher verzichtet heute zum ersten Mal auf seine Presseschau, weil wir glauben, dass Internetmedien gegen die Berichterstattung der Printmedien zum Leistungsschutzrecht die Idee einer freien Zirkulation von Informationen hochhalten müssen. Das von der Bundesregierung angedrohte Gesetz ist ein Einschnitt in der Geschichte der deutschen Öffentlichkeit.

Unabhängigkeit und so Gedöns

29.08.2012. Die FAZ bringt ein ureuropäisches Stimmengewirr von Autoren zur Krise: Da gibt's die spirituelle Fraktion, die revolutionäre Fraktion, die indifferente Fraktion. Aber nur einer spricht von Selbstverantwortung. In der SZ ärgert sich Liao Yiwu über westliche Sinologen, die immer wieder das Regime in China verteidigen.  FR und SZ fragen, ob Judith Butler trotz ihrer Unterstützung für die Israel-Boykott-Bewegung den Adorno-Preis bekommen soll und finden: ja beziehungsweise nein. Irights.info stellt den neuesten Entwurf für ein Leistungsschutzrecht vor: Aggregatoren brauchen wieder eine Lizenz zum Zitieren.

Einfach nur so ein Lied

28.08.2012. In der NZZ schreibt Osteuropa-Historikerin Monica Rüthers über den neuen Feminismus in Russland und der Ukraine. Die Welt erzählt von der feindlichen Übernahme eines Films über die Treuhand. In der FR fragt Götz Aly, warum der von den Nazis ermordeten Behinderten nur so schüchtern gedacht wird. Laut FAZ geschah in Weimar ein Wunder: das Wunder der Aria. In der SZ erklärt der Harvard-Professor Jeffrey F. Hamburger, warum ihm die Pläne für die Berliner Gemäldegalerie ein solches Unbehagen bereiten.

Die sich so erholsam räkelt

27.08.2012. Für die taz spricht Gabriele Goettle mit der Frau von der Fürsorge. In der NZZ jongliert  Martin Walser wieder mit Hölderlin-Zitaten. Diesmal geht's aber nicht um Europa, sondern um Religion. Atheisten in Amerika geht's schlecht, stellt good.is fest: Sie sind die einzige Gruppe, die jeder in diesem Land noch offen verabscheuen darf. Die Welt ging nach Baden-Baden und fand dort Luxe, calme et volupté: allerdings nur im Museum. Das Niemanlab stellt fest: Die Zeitungen sind noch gar nicht tot, da geht's den Homepages an den Kragen. Außerdem betten wir die Berliner Rede von Tim Berners-Lee ein.

Ich dementiere energisch

25.08.2012. In der NZZ wirft Christian Saehrendt der Documenta intellektuelle Verlogenheit vor. Die Welt sieht Simon Rattle verloren für blaugespülte amerikanische Sponsorenwitwen. In der FR widerspricht die Comic-Künstlerin Marie Marcks ihren Laudatoren. Vielleicht könnten die Feuilletons zur Abwechslung einfach mal mal einen guten Krimi besprechen, schlägt Thomas Wörtche in der taz vor. In der SZ hält der Jurist Reinhard Merkel fest: Es gibt keine juristische Rechtfertigung für die Beschneidung von Kindern, höchstens eine politische. In der FAZ erzählt Alexander Kluge eine Arztgeschichte. Laut New York Times ist Apple der Weltherrschaft einen Schritt näher gekommen.

Verhängnisvolle Interaktion

24.08.2012. In der Welt unterstützt Richard Herzinger den Vorschlag, den 23. August  - den Tag der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts - zum Gedenktag für alle Opfer des Totalitarismus zu machen. Die SZ freut sich, obwohl es ja auch irgendwie traurig ist: die beste Jazzplatte des Jahres stammt aus dem Jahr 1979. In der FAZ geht die Debatte über den Westen und Syrien weiter. Die taz wirft einen Blick auf die Theaterszene in Argentinien. Die NZZ wirft dem Internet Feuilletonismus vor. 

Im Schneckengehäuse der trudelnden Medieneffekte

23.08.2012. In der NZZ vermisst Kurt Drawert eine Kultur des Scheiterns. Buzzfeed enthüllt, wie Google mit jenen Mitarbeitern umgeht, die für die Firma Tag für Tag finsteren Content wie Kinderpornos und islamistische Snuff  Movies löschen. Thomas Steinfelds Krimi "Der Sturm" muss sich jetzt vor dem unbestechlichen Auge der Literaturkritik bewähren, findet Hans-Ulrich Gumbrecht im Freitag. Was werden die Leser die FAZ und SZ denken, die über diese Geschichte noch gar nicht informiert wurden?, fragt die FR. In der Zeit träumt Sibylle Lewitscharoff vom großen Europa-Roman.

Selbst der Lärm ist kontrolliert

22.08.2012. Welt, SZ und FAZ sind hin und weg von Zimmermanns "Soldaten" in Salzburg, die Ingo Metzmacher kongenial dirigiert: wunderfein wie Mondscheinmusik, rühmt die Welt. Geht immer bis an die Ränder des Stimmumfangs, schwört die SZ. Diese Musik brüllt uns an, freut sich die FAZ. Außerdem: In Rumänien kann man wieder offen seine Liebe zu Ceausescu bekennen, berichtet die NZZ. In der Abendzeitung probt Joseph von Westphalen korrekte Umgangsformen im Zeitalter von Multikulti.

Triftiger Teil des Wagner-Museums

21.08.2012. In der FR fragt Götz Aly, warum eigentlich immer Wähler linker Parteien Rinks und Lechts verwechseln. Die NZZ macht klar, dass die meisten Russen das Urteil gegen Pussy Riot völlig okay finden. Im New Statesman erklärt John Banville, warum es so schwierig ist, über Sex zu schreiben. In der FAZ spricht Martin Walser dem Euro und Hölderlin sein Vertrauen aus.

In der Alpenwelt von Ozeanriesen träumen

20.08.2012. Die Welt berichtet von der demütigenden Prozedur der Urteilsverkündung im Pussy-Riot-Prozess. The Next Web stellt eine Studie über die Zukunft der journalistischen Formen vor. In der SZ plädiert der Ex-Generaldirektor der Staatlichen Museum in Berlin, Peter-Klaus Schuster, für die Berliner Museumsrochade. Im Focus verrät Romancier Thomas Steinfeld, welche schillernde Medienfigur sich tatsächlich hinter der zerstückelten Leiche aus "Der Sturm" verbirgt. Die Ruhrtriennale-Aufführung von John Cages "Europeras" stößt bei der Kritik auf höchst unterschiedliche Reaktionen.

Das Fleischrosa dieser Servietten hier

18.08.2012. Russland ist ein Papiertiger, ruft die taz nach dem Urteil gegen Pussy Riot  und ist sich mit allen anderen Zeitungen einig.  Nichts Gutes  bedeutet die Kaperung der Kriminalliteratur durch Feuilletonisten und Verleger fürs Genre selbst, meint Cora Stephan in der Welt.  In der NZZ klagt der in Kuwait lebende Autor Ibrahim Farghali über die Rezeption arabischer Literatur im Westen: Nur Klischees würden goutiert, nicht Qualität. In der FR spricht Thomas Demand über seine Kunst. Die FAZ warnt vor vorschnellen Urteilen über Günter Wallraff.

Nur weiße Nahrung

17.08.2012. In der FAZ erzählt Liao Yiwu, wie er in chinesischen Gefängnissen schrieb. Die FR würdigt die düstere Schönheit der Romane V.S. Naipauls. In der Paris Review erklärt Jorge Luis Borges, wann er im Kino weint. Ein letztes fernes Wetterleuchten gilt der Affäre um Thomas Steinfelds Roman "Der Sturm": Die taz bedauert den "Rohrkrepierer" und hätte gern einen richtig guten Schlüsselroman übers Feuilleton. Die Welt fragt: Was ist ein nicht normales Ich? Die SZ interviewt Michail Chodorkowskij zum Fall Pussy Riot. Das Urteil wird für heute erwartet. Wir bringen das Soli-Video von Peaches.

Im Grunde unfassbar spektakulär

16.08.2012. SZ und FAZ sind eigentlich die einzigen Zeitungen, die nicht darüber berichten: SZ-Kulturchef Thomas Steinfeld hat sich inzwischen als realer Autor von "Der Sturm",  aber nicht als fiktiver Mörder des FAZ-Kulturchefs Frank Schirrmacher bekannt. Die Welt und der Freitag nehmen ihm das aber nicht ab. Laut Postillon entwickeln Sprachwissenschaftler das Futur III, um Gespräche über den Berliner Flughafen zu ermöglichen, für den laut SZ niemand verantwortlich sein will. Die Zeit hat eine große Mehrheit unter europäischen Autoren gefunden: Alle lehnen die deutsche Sparpolitik ab. Die FAZ ist unterdes mit dem Google-Auto unterwegs.

Skrupel haben sie keine

15.08.2012. Nur Dichter interessieren sich nicht für Copyright, seufzt Tim Parks in der New York Review of Books. Deutsche Verlage lassen ihre Bestseller am liebsten vom eigenen Personal oder befreundeten Journalisten schreiben, notiert die Welt anlässlich der Affäre Steinfeld/Schirrmacher. In The Awl erklärt Marina Abramovic, warum Besucher in ihrem neuen Performance-Institut sechs Stunden in einen Rollstuhl geschnallt werden. In der FAZ erklärt Hubertus Knabe, warum Folteropfer in Tunesien keine Chance auf ein Ermittlungsverfahren haben. Laut Meedia und Stefan Niggemeier knickt das Bundesjustizministierum in Sachen Leistungsschutz gegenüber den Verlagen nun doch wieder ein.

Ein Denkmalsturz im Schafspelz

14.08.2012. Die Welt ermittelt: Die Leiche in Per Johanssons Krimi "Der Sturz" ist zwar zur Unkenntlichkeit entstellt. Sie sieht aber Frank Schirrmacher sehr ähnlich. Aber wer genau ist Per Johansson? Etwa Thomas Steinfeld? Dahinter verblasst die Realität zwar, aber dennoch ein paar Hinweise: In der FAZ plädiert Hans-Gert Pöttering für das Europäische Parlament. Die Berliner Gazette fragt nach der Funktion des Feuilletons. Laut Slate ist Twitter schuld an der erbärmlichen Freundlichkeit der amerikanischen Literaturkritik. Und die SZ beschäftigt sich mit einem Bestseller von Jonas Jonasson.

Abgeklärt aufgeklärte Äffchen

13.08.2012. In der Welt erklärt der Rapper EES, warum europäische Popmusik in Namibia gern etwas langsamer rezipiert wird. Die FAZ und die FR amüsieren sich sehr mit Peter Sloterdijk, obwohl er weder über die Feuilletons noch über die Denkerkollegen Freundliches zu sagen hat. In der NZZ hat Hans Pleschinski kein Problem mit dem Männermangel in Sibirien. Die FAZ bringt ein Tagebuch der syrischen Autorin Rosa Yassin Hassan aus dem Bürgerkrieg. Das Blog Designboom macht die regenerative Wachslampe der Designerin Merve Kahraman an - und sie tropft.

Mit Wonne romantische Banausen

11.08.2012. In der FAZ lässt Meinhard Miegel die finale Krise hinter sich. Die taz legt die Wurzeln des Luchterhand Verlags frei, dessen Erfolg auch auf einer Arisierung beruht. Die Welt fragt, warum Literatur in ARD und ZDF nur noch mit kleinster intellektueller Münze berechnet wird, und der frühere Direktor der Gemäldegalerie Peter-Klaus Schuster verteidigt den geplanten Umzug des Hauses: Die Museumsinsel ist doch keine Schaubudennummer! Und die FR spürt noch immer Sam Fullers lyrische Faustschläge.

Aber dafür lecker Catering

10.08.2012. Die NZZ macht sich Sorgen um das Kulturerbe in Aleppo. Das Rechercheblog der WAZ hätte vom Bundesinnenminister gern erfahren, welche Medaillenbilanz er in London erwartet hat. Aber der Minister will's auf Teufel komm raus nicht sagen. In der Welt erklärt Katharina Wagner, mit welchen Symbolen Jonathan Meese in Bayreuth wird spielen dürfen und warum. In der FAZ ist Otfried Höffe sauer auf die sanfte deutsche Diplomatie in der Eurokrise. Die SZ meint: Teuer wird es so oder so.

Großer Mythen-Rührquark

09.08.2012. In Glanz & Elend wirft Hermann-Hesse-Lektor Volker Michels Marcel Reich-Ranicki vor, dass er Hesses Ruf nachhaltig habe schädigen wollen. Ist denn wirklich nichts ernst?, fragt die taz nach einem Welt-Artikel über Jonathan Meese. Matthias Küntzel macht in einerm Perlentaucher-Artikel antisemitische Töne in der Debatte um Beschneidung aus. Die FR berichtet vom sogenannten Prozess gegen Pussy Riot. In der Zeit ruft Jonathan Zittrain nach wütenden Nerds gegen Apple. Und Punk lebt jetzt Dänemark.

Ehrfürchtige Zusatzattribute

08.08.2012. In der FAZ erklärt Wolfgang Marquardt vom Wissenschaftsrat, warum man in Bibliotheken auf Papier kopieren muss, obwohl es auch dort schon das Internet gibt. In der taz rät Georg Seeßlen zur Abschaffung des Feuilletons. BoingBoing präsentiert ein bisher unbekanntes Farbfoto von Abraham Lincoln. Und nach Lektüre der Welt stellt sich die Frage: Warum darf  Evgeny Nikitin trotz Übermalung des Hakenkreuztattoos nicht in Bayreuth singen, obwohl Jonathan Meese, der "am Faschismus das Unwichtigwerden des Einzelnen" liebt, dort den "Parsifal" inszenieren darf?

Nicht sogleich. Aber demnächst

07.08.2012. Auch in seiner abgeschwächten Version ist der Regierungsentwurf für ein Leistungsschutzrecht überflüssig, findet Till Kreutzer auf rights.info. In der NZZ warnt Historiker Ahlrich Meyer nicht-deutsche Länder vor zu großer Bußfertigkeit in bezug auf den Holocaust. In der taz erklärt David Weinberger die neue Wissenskultur im Internet. In der FR sind sich Buch, Grass und Walser einig: Früher war alles besser, und man selbst war eine moralische Autorität. In der Welt erweitert Heiner Goebbels den Kulturbegriff. In der FAZ verteidigt die Grünen-Politikerin Agnes Krumwiede Gemas gute Gründe gegen Googles Gier.

Bebrillt vor einem Bruegel

06.08.2012. Die Welt findet: Die Documenta ist buchstäblich zergangen, und das ist gut so. Die SZ erlebte die Wiederauferstehung der Beach Boys. Im Tagesspiegel gibt Noam Chomsky dem internationalen Propagandasystem Auskunft über Hugo Chavez. Cargo erlebte mit, wie Leos Carax und Kylie Minogue in Locarno die Aussage verweigerten.  Die FR staunt mit Liao Yiwu über Christen in China.

Durch Verkunstung entschärft

04.08.2012. In der FAZ rufen Jürgen Habermas, Peter Bofinger und Julian Nida-Rümelin dazu auf, die Parallelwelten des Finanzkapitalismus wieder in die Demokratie zu integrieren. David Grossman stellt sich zudem gegen einen israelischen Angriff auf Irans Atomanlagen. Die Welt trauert mit Jonathan Littell um die syrische Freiheitsbewegung, die auch vom Westen im Stich gelassen wurde. In der taz erinnert sich Ex-Mossadchef Zvi Samir an das Olympia-Attentat in München vor vierzig Jahren und die dilettantische Arbeit der Polizei. Die NZZ erzählt, wie die Chinesen über Tirana nach Paris kamen. Und in der FR träumt Arno Widmann noch einmal von Marilyn Monroe.

Amor, amor, amor

03.08.2012. Die Welt erinnert die Kritiker des Umbaus der Gemäldegalerie an ihre Lobeshymnen für eben diesen Plan vor 13 Jahren. In der NZZ versteht der Biochemiker Gottfried Schatz nicht mehr, was im Cern passiert. Die SZ bewundert das neue Traumpaar der Oper, das sich in der Salzburger "Boheme" zusammenfand. In der FAZ wirft Gertrud Höhler Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre "Ego-Karriere" vor.

Sommersuperkitsch

02.08.2012. Die Welt folgt dem Flug der Fliege in einer Berliner Fluxus-Ausstellung. In Syrien ignoriert die Kulturszene die sich vertiefenden religiösen Spaltungen, berichtet die NZZ. Das Thema Beschneidung kann nicht allein rational diskutiert werden, warnt der Psychiater Egon Fabian in der Jüdischen Allgemeinen. Hitchcocks "Vertigo" hat Orson Welles' "Citizen Kane" als besten Film aller Zeiten abgelöst, meldet Sight & Sound. In der FAZ möchte Peter Gauweiler aus der EU eine Schweiz der Welt machen. Bis die steht, sammeln die Tschechen lieber Pilze, erklärt Jaroslav Rudiš. Die Zeit denkt über beachtungshungrige Killer nach.

Ruhm, Ehre, Geld

01.08.2012. Die FR spürt einen antiprogrammatischen konservativen Geist durch Salzburg wehen. Die SZ lässt uns heavymetalmäßig die Ohren bluten. Welt und taz regen sich über Heribert Prantls Dressing-Desaster auf. Und Gawker meldet den Tod von Gore Vidal.