Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Oktober 2006

Heute in den Feuilletons

31.10.2006. Die für ihre Rezensionen berühmte taz geißelt Kulturbanausen in den übrigen Feuilletons. Die NZZ misst Größen beim Potenzgerangel Schweizer Architekten. Die Welt denkt über wahrhaftige politische Sprache nach. In der FR beschreibt Artur Becker den deutsch-polnischen Missverstand. Die FAZ protestiert gegen neue Einheitsschulen in Berlin. In der SZ beschreibt Andrzej Stasiuk den schönsten Feiertag in Polen: Allerseelen.

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30.10.2006. Elfriede Jelineks Stück "Ulrike Maria Stuart" löst gemische Gefühle aus. Die FR lobt bohrende Intensität und kritisiert Geschwätzigkeit. Für die NZZ schüttet Regisseur Nicolas Stemann die Jelinek mit dem Bade aus. Laut SZ genießt sie ihre Schändung aber wie nur je eine Märtyrerin. In der FAZ erklärt der Deutschland-Korrespondent von Al Dschasira, Aktham Suliman, warum der deutsche Streit um die Berliner "Idomeneo"-Inszenierung für ihn kein Thema war. In der SZ wäscht der Germanist Peter Strohschneider seinen Kollegen Geisteswissenschaftlern, die sich so über die Exzellenzintitative aufregen, das dramatisch umwölkte Haupt.

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28.10.2006. In der Welt warnt Robert Kagan: Amerika hat den Expansionismus in den Genen. Und Georg M. Oswald erledigt die Memoiren des Altkanzlers Gerhard Schröder mit einem Blick auf Rousseau. In der FR sieht der Philosoph Otfried Höffe den Urheberschutz durch digitale Techniken gefährdet. Die Berliner Zeitung freut sich, wie der Komiker Sacha Baron Cohen die Vorurteile der Amerikaner (wir haben ja keine!) entblößt. In der NZZ erinnert Dan Diner an die Suezkrise.

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27.10.2006. Jürgen Habermas hat keine Zettel gegessen, auch und gerade keine Zettel aus seiner Hitlerjugendzeit. So das einhellige Urteil unserer Feuilletons nach harter Recherche. Die FAZ nennt die diesbezügliche Cicero-Geschichte "dämlich". Und in der SZ erzählt Hans-Ulrich Wehler wie's wirklich war. Die NZZ findet die Begeisterung für Blogs und Blogger naiv. In der taz erklärt György Dalos, warum weder Rechte noch Linke den Aufstand der Ungarn gegen die Sowjets 1956 für sich reklamieren können. Die FR ist enttäuscht von den Memoiren von Altkanzler Gerhard Schröder.

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26.10.2006. In der Zeit behauptet Wolf Biermann: Die Deutschen verraten Israel. Die Berliner Zeitung spekuliert über gesundheitsschädliche, aber effiziente Formen der Vergangenheitsbewältigung, die angeblich von Jürgen Habermas eingeführt wurden. In der SZ erklärt Michel Wieviorka, warum die Jugendlichen in den Banlieues keine gemeinsame Erzählung über die Krawalle im letzten Jahr erfunden haben. In der NZZ plädiert Tahar Ben Jelloun für menschenwürdige Lebensbedingungen in Marokko.

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25.10.2006. In der FR freut sich Frank Castorf nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen Berlin auf eine Wiederkehr der sozialen Schärfe in der Hauptstadt. Die NZZ schildert die Vorzüge des Bahnverkehrs im Aargau. Die SZ bringt einen Auszug aus Peter Nadas' großem Roman "Parallelgeschichten" zum Ungarn-Aufstand. In der Welt schreibt Zsuzsa Bank zum gleichen Thema. Die FAZ stellt fest: Noch nie war die Kulturrevolution in China so tabu.

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24.10.2006. Die taz konstatiert eine Annäherung von Kunst- und Modekritik bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust der Kunstkritik. Die FR erklärt, wie es dem Künstler Stephen Willats gelang, die Zeit anzuhalten und zwar ausgerechnet in Berlin-Gropiusstadt im Jahr 1979. Die FAZ behauptet, dass acht Perkussionisten in Donaueschingen ihre strukturierende Pflicht taten. Die Welt applaudiert Harold Pinters Krapp. In der SZ empfiehlt Joachim Kaiser Takt angesichts von übergewichtigen Operndiven.

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23.10.2006. Jo! Putin ist ein lupenreiner Demokrat, und dabei bleibt Gerhard Schröder laut Spiegel-Gespräch. Die taz porträtiert die 21-jährige französische Erfolgsautorin Faiza Guene - die Francoise Sagan der Banlieue. In der SZ erklärt Tony Judt den Unterschied zwischen Länder- und Wirtschaftslobbys. Die NZZ ist verbittert: Walter Benjamin, der Antiakademiker, ist längst zum Opfer neuer Akademiker geworden.

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21.10.2006. György Konrad erinnert sich in der NZZ, wie sie Budapest 1956 zu einer einzigen Wandzeitung machten. Die Welt spekuliert, warum Janos Kadar die russischen Panzer hereingelassen hat. Die FR ruft das arme Berlin zum Spielen auf, während die Berliner Zeitung nicht glauben kann, dass die Hauptstadt 159 Euro pro Kopf für Kultur ausgibt. Die SZ schaut in die prekären Abgründe der Gesellschaft, die taz verwirft das Märchen vom Selfmademan. Die FAZ beschäftigt sich lieber mit tranchierten Augäpfeln und Rebecca Horn.

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20.10.2006. Die FR hat einen Trost für das akademische Proletariat parat: Prekariat ist noch nicht Unterschicht. In der FAZ kritisiert Niall Ferguson ein neues amerikanisches Gesetz, das Kriegsgefangene zu Rechtlosen macht. Die SZ rügt den Provinzialismus der deutschen Verfassungsrichter, die der Stadt Berlin raten, 60 Milliarden Euro am Kultur- und Bildungsetat einzusparen. Die Welt begibt sich auf die Spuren der ältesten Zivilisation Südamerikas. Die NZZ untersucht die Affäre Tony Judt. In der taz verteidigt der amerikanische Historiker Paul Kennedy seine These vom kommenden Niedergang der USA. Und die Berliner Zeitung protokolliert Robbie Williams' stream of consciousness.

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19.10.2006. Die taz empfiehlt das Modelabel für die Unterschicht, die auf sich hält: Picaldi. In der FAZ feiert Neil MacGregor, Leiter des British Museum, das neue Bode-Museum als europäischen Skulpturengarten. In der FR plädiert Georg Klein für eine kenntliche Mary Shelley. Die NZZ ergründet das Wesen der Kunst Diddys: Geschäftsmann! Peng! Die Zeit verhält sich mittels eines verglasten Lastwagens in Sofia dekonstruktivistisch zur Welt. Stefan Krohmers Film "Sommer 04" inspiriert die Kritiker von FR und SZ zu Hymnen.

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18.10.2006. Taz und FAZ sind sich einig: Der Begriff der Unterschicht trifft, weil er zutrifft. Heinz Bude in der SZ sieht es ähnlich. Und die FR schlägt angesichts der Probleme der Politiker mit dem Begriff vor, den Begriff des Politikers in "Mensch mit Wahrnehmungsproblemen" umzumünzen. Außerdem sagt Herfried Münkler im Tagesspiegel angesichts wahnsinniger Regimes im Besitz des Apokalypseinstruments ein neues atomares Wettrüsten voraus. Und in der Welt streiten Berliner Architekten über die Frage, wo's gemütlich ist.

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17.10.2006. Gabor Steingart erklärt den Weltkrieg der Ökonomien nun auch in der FAZ. In der Welt plädiert Ulf Poschardt gegen schwaches Denken. Die Welt porträtiert außerdem den jüdischen Satiriker und Cowboy Kinky Friedman, der Gouverneur von Texas werden will. In der SZ nimmt Kurt Flasch nochmals die Regensburger Rede des Papstes auseinander. Der Tagesspiegel erklärt, was es mit Kai Hensel auf sich hat.

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16.10.2006. Die kulturjournalistischen Sonntagsdienste haben sich kein Bein ausgerissen. Immerhin: In der taz erklärt Kurt Wagner, der Sänger der Band Lambchop, warum der Süden der USA ein absolut poetisches Land ist. In der SZ meint Abbas Beydoun, dass die Uno-Truppen im Libanon nicht Israel verteidigen sollten. Die Welt feiert die Wiedereröffnung des Bodemuseums in Berlin.

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14.10.2006. Hannah Arendt wäre heute hundert geworden und veranlasst die Feuilletons zu den üblichen Würdigungen. Heraus fallen die Berliner Zeitung, die Hannah Arendts Sexappeal verfällt, und die taz, die dorthin geht, wo über Arendt noch gestritten wird - nach Israel. Die taz bringt außerdem eine Pornobeilage, die ganz ohne Pornos auskommt. Die NZZ beobachtet saure bis gehässige Reaktionen auf den Nobelpreis für Orhan Pamuk in der Türkei, und Hans Magnus Enzensberger erinnert sich an seinen Förderer Alfred Andersch. Die SZ besucht Orhan Pamuk in Istanbul.

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13.10.2006. Orhan Pamuk überall! Die SZ bringt (auch online) das letzte Kapitel aus seinem demnächst erscheinenden "Istanbul"-Buch. Er ist der Autor, der "dem Westen den Osten und dem Osten den Westen" erklären kann, sagt Pamuk-Verleger Michael Krüger ebenfalls in der SZ. Die FR sieht im Nobelpreis für Pamuk ein Plädoyer für eine europafreundliche Türkei. Die NZZ erklärt, warum Pamuk nicht malt. Und im Tagesspiegel erzählt der Komponist Tayfun Erdem, warum Pamuk nicht liest, aber liebt. Für Frank Schirrmacher in der FAZ ist Pamuk der Westen. Auch die taz gratuliert.

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12.10.2006. Im Tagesspiegel erklärt der Philosoph Michail Ryklin die Botschaft des Mordes an Anna Politkowskaja. In der FAZ fordert die tschetschenische Journalistin Mainat Abdullajewa den Westen auf, nicht jedes Mal verschämt wegzuschauen, wenn in Russland Journalisten ermordet werden. In der Zeit sieht Mike Davis nach dem Fall der Berliner Mauer viele neue Mauern wachsen. NZZ und taz porträtieren Booker-Preisträgerin Kiran Desai. Die FR beobachtet, wie Intellektuelle den Zerfall des Intellektuellen beobachten. Für die SZ hat Günter Grass mit seiner Einstweiligen Verfügung gegen die FAZ nur einen Pyrrhussieg errungen.

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11.10.2006. In der taz widerspricht der Historiker Saul Friedländer seinem Kollegen Götz Aly: Hauptziel des Holocaust sei nicht die Auspressung, sondern die Vernichtung der Juden gewesen. Die Welt berichtet über das erste Filmfestival, das Antrittsgelder für anreisende Hollywoodstars bezahlt - es eröffnet am Freitag in Rom. Der Tagesspiegel erklärt, was Blixa Bargeld unter einem Divinationssystem versteht. Die FAZ liest Wladimir Sorokins gerade in Russland erschienenen Roman "Der Tag des Opritschniks", eine finstere Satire über die Moskauer Staatselite. Die NZZ beobachtet einen mangelnden Zusammenhalt unter den Muslimen.

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10.10.2006. Wir bitten um Pardon für den Ausfall unserer Seite - ein übler Absturz unseres Providers hat uns komplett aus dem Netz geworfen. Mit Verspätung also die Feuilletons vom Tage: Nach dem Mord an Anna Politkowskaja erklärt Anne Applebaum in der Welt die russische Tradition, mit wenigen Morden das ganze Land in Schrecken zu versetzen. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht Imre Kertesz über das tödliche Paradox, Freude beim Schreiben zu empfinden.Die taz beerdigt nach einem Besuch der Art Beijing den chinesischen Trend des zynischen Realismus.

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09.10.2006. Happy Birthday, Mister President! Der Mord an der kritischen Journalistin Anna Politkowskaja just zu Putins Geburtstag wirkt, als habe ein Vasall ihm den Kopf des Erzfeinds serviert, meint die FAZ. Außerdem schreibt die FAZ über die seltsame Rolle Michail Gorbatschows in Politkowskajas Zeitung Nowaja Gaseta. Die SZ und Welt regen an, dass Angela Merkel bei Wladimir Putins morgigem Besuch in Deutschland ein wenig über Demokratie plaudert. Mit Politkowskaja ist das moralische Russland endgültig gestorben, schreibt die taz. Der Standard findet, dass Österreich jetzt Energie-Autarkie anstreben sollte. In den vergangenen Jahren ist Russland zum dritttödlichsten Land für Journalisten geworden, meldet die Moscow Times.

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07.10.2006. Die taz erinnert die Kollegen daran, dass der Islamismus in Deutschland kein feuilletonistisches Großereignis ist, sondern konkret. Außerdem erklärt Christian Semler, warum der Maoismus für bourgeoise Revoluzzer so attraktiv war. Die FR beobachtet auf der Buchmesse, wie sich Chuzpe und comme il faut sehr elegant verbinden lassen. Die Welt beschreibt, wie christliche Fundamentalisten in den USA nach Kinderseelen fischen. In der SZ prophezeit Heinz Bude eine Invasion der Gehhilfen.

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06.10.2006. In der FAZ schreibt Michael Lentz zum Tod von Oskar Pastior über die befreiende Wirkung des Nichtverstehens. Die NZZ wirft ein herzhaftes "kurva orszag" nach Ungarn. Die SZ klagt über den Vormarsch der Einkaufscenter in die Innenstadt. Auf dem Empfang des Suhrkamp-Verlags in Frankfurt kommt der taz plötzlich die Zentralperspektive in der Literaturszene abhanden.

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05.10.2006. Die Zeit stellt den American Streber vor. Die NZZ steht staunend vor dem gräulichen Chamois-Ton, in dem Olafur Eliasson die Räume für den Blauen Reiter gestrichen hat. Die taz hat sich in Frankfurt von Frank-Walter Steinmeier erklären lassen, dass Kultur ein Mittel der Ausgrenzung sein kann. Im Tagesspiegel knipst Feridun Zaimoglu das Licht der Aufklärung aus. Die SZ sieht in Spanien reihenweise Mohammed-Köpfe explodieren.

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04.10.2006. Die taz hofft, dass sich auch ein paar Bischöfe den "Idomeneo" in Berlin ansehen. Die NZZ berichtet über eine Frankfurter Diskussion zur digitalen Zukunft der Buchbranche. In der FR beschreibt Kiran Desai Indien als rasenden Mischmasch. Die Berliner Zeitung hält nichts von weiblichen Formen der Deeskalierung. In der FAZ stellt sich Ayaan Hirsi Ali die Reformation des Islam vor. Die SZ kritisiert die Literaturkritik.

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02.10.2006. Die Berliner Zeitung beobachtet die digitale Revolution auf dem Büchermarkt. Die taz schildert anlässlich des Buchmessenschwerpunkts das komplizierte Verhältnis zwischen dem Englischen und den Regionalsprachen in der indischen Literatur. Außerdem besucht sie die umfassende Ausstellung über deutsche Juden in der Emigration. Die NZZ führt uns durch die brodelnde Kunstszene Schanghais. Der Tagesspiegel war dabei, als der Nobelpreis für Reportageliteratur verliehen wurde.