Heute in den Feuilletons
Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
April 2009
30.04.2009. Abdolkarim Soroush erklärt in seinem Blog, warum Gott für Rumi formlos ist. Die FR staunt über die aberwitzige Konsequenz der Dramaturgie rumänischer Filme. Nerdcore greift eine Meldung von Lawrence Lessig auf: Warner hat die Youtube-Videos des Urheberrechtlers sperren lassen, weil er dort Remixe zeigte. Die FAZ freut sich: Diebe geistigen Eigentums kriegen in Frankreich nicht nur den Internetanschluss gesperrt - sie müssen ihn auch noch weiterzahlen!
29.04.2009. Jetzt auch mit NZZ: Darin schildert der pakistanische Autor Mohammed Hanif, wie das Leben unter der Scharia im Swat Tal aussieht. In der FR erinnert sich der Kabarettist Johnny Klinke: Eine Stelle bei Opel kann einem ein ganzes Lehrerstudium ersparen. Und Umberto Eco erklärt, warum das Buch unverzichtbar ist. Die FAZ plädiert gegen Open Access. Die SZ warnt vor "Les Untergunther".
28.04.2009. In der FR äußert sich Martin Luther in der alten Rechtschreibung über Urheberrechtsfragen: "Das die geitzigen Wenste vnd reubische Nachdrücker mit vnser Erbeit vntrewlich vmbgehen!" Die Welt unterstützt den "Heidelberger Appell" gegen Google, aber nicht gegen Open Acess. Im Blog von Eren Güvercin beklagt Ilija Trojanow die Bösartigkeit der Islam-Kritiker. Die NZZ inspiziert die Lage der Roma in Osteuropa.
27.04.2009. Nach fortwährendem Beschuss der Öffentlichkeit mit Heidelberger Appell und Kinderporno-Sperren fragen sich die Blogs, ob Deutschland überhaupt reif ist fürs Internet. Die FR erinnert daran, wie Golo Mann mit siebzig seine Mutter verließ. Der Tagesspiegel fürchtet nach den annoncierten Abschieden der Dirigenten Ingo Metzmacher und Lothar Zagrosek um die Musikstadt Berlin.
25.04.2009. Im Tagesspiegel erklärt Jonathan Franzen, warum er glaubt, das Günter Grass' Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" ungerecht behandelt wurde. In der NZZ schreibt der in der Türkei wegen Blasphemie angeklagte Autor Nedim Gürsel einen offenen Brief an seine Regierung. Die FAZ hätte das Internet aus Sorge um die Urheber vielleicht doch lieber weg. Die taz wandert durch die weibliche Literaturlandschaf, die Welt durch das Internet der Jugend. Das Blog Medienlese verabschiedet sich.
24.04.2009. Die SZ fürchtet um das Ende der Berliner Nachtkultur. Die Welt bekämpft die Bekämpfer des DDT. In der NZZ meint der Layouter Javier Errea, dass Zeitungen in zwanzig Jahren auch nicht so anders aussehen werden. Die FAZ begreift nicht, dass sich Architekten gegen den Abriss ihrer Bauten wehren.
23.04.2009. Heute ist der Tag des Buchs. Ein Tag, an dem viele Dichter starben, so der Dichter Ian McMillan im Guardian. Ein Tag, an dem das Buch stirbt, so der Darwin-Biograf Jürgen Neffe in der Zeit, der aber froh ist, denn das Internet ist das Himmelreich des Buchs, das sich aus seinem Körper befreit hat. Auch die FAZ ist froh: Christoph Schlingensief glaubt. Nur die taz sucht das Heil jenseits des Jenseits.
22.04.2009. In der FAZ sieht Adriaan van Dis Südafrika am Abgrund und hofft doch auch auf die Zivilgesellschaft. In der Welt sieht es Hans Kollhoff als kapitalistischen Zyklus an, dass die Werke der Konkurrenten demnächst der Spitzhacke zum Opfer fallen. Die SZ lässt das Hamburger Schauspielhaus im Regen stehen. Hannes Stein erklärt in Achgut, warum er anders als die von Robert Spaemann bemühte Edith Stein den Holocaust nicht als Strafe für den Unglauben des jüdischen Volkes ansieht.
21.04.2009. In der FR erklären Matthias Spielkamp und Florian Cramer etwa 1.300 Gelehrten und Schriftstellern, warum Open Access ihnen nützt. Wie aus einem gut aussehenden Prinzen ein tyrannisches altes Ekel wurde, erzählt die Welt. Der SZ zu Ehren organisiert man in Kapstadt eine Schießerei. Die FAZ warnt vor nahkampftechnisch ausgebildeten russischen Friseusen. Für Kleingeld gibt's keine zweite Hochzeitsnacht, erfährt die taz von Mary in Hamburg.
20.04.2009. In der NZZ erzählt die russische Lyrikerin Olga Martynova, wie der KGB die orthodoxe Kirche neu erfand. Das Blog Carta zitiert den britischen Medienwissenschaftler Richard Collins, der eine Neuverteilung öffentlich-rechtlicher Gelder vorschlägt - auch zugunsten von Zeitungen und Internetredaktionen. Im Tagesspiegel erinnert sich Elliott Carter an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die SZ hat kein Mitleid mit der Musikindustrie.
18.04.2009. In der FAZ rechnet Erich Loest mit der Leipziger Kulturpolitik und ihrer DDR-Verklärung ab. In der NZZ legt George Steiner Milliarden von Kilometern Entfernung zwischen sich und das Werk. In der FR sieht Roberto Saviano die Mafia schon beim fröhlichen Wiederaufbau der vom Erdbeben verwüsteten Gebiete in den Abruzzen. Abgezockt von Elfriede Jelinek fühlt sich die Welt. Und es gibt erste Reaktionen auf die Internetsperren durch deutsche Provider und die Verurteilung der Betreiber von Pirate Bay: Die FAZ jubelt, die SZ wird sehr nachdenklich. Die Blogs fragen, was das Urteil für Google bedeutet.
17.04.2009. In der Welt setzt sich Walter Laqueur mit Ernst Noltes Buch über den Islamismus auseinander, das allerdings mehr von den Juden als von den Muslimen zu handeln scheint. Slate plädiert für das Prinzip Perlentaucher. Im Tagesspiegel erklärt Volker Grassmuck die Idee einer Kulturflatrate. Und überall pfeifen ergraute Ex-KollegInnen 30-jährigen hinterher.
16.04.2009. In der FAZ sehen Peter Nadas und Peter Esterhazy schwarz für Ungarn. Amerikanische Blogs sind fasziniert von deutscher Kondomwerbung. Jungle World fragt sich, was die UNO unter "Diffamierung von Religionen" versteht. In der Zeit erinnert Alice Schwarzer an eine wenig reflektierte Tatsache aus Winnenden: Elf von zwölf Opfern waren weiblich. Welt und SZ besuchen den Bonner Kanzlerbungalow: Ein flaches Gebäude, das tief blicken lässt.
15.04.2009. Die taz kritisiert die DDR: Das war Liebesterror. Die Welt zeigt am Beispiel des Berliner Schlosses: Nun wird auch noch die Zivilgesellschaft verstaatlicht. Die SZ fragt: Wie ernst ist den Türken die Versöhnung mit den Kurden? Die Berliner Zeitung macht sich Sorgen um den Wissenschaftsjournalismus, die FAZ um einen ganz normalen Banker.
14.04.2009. In der SZ erklärt Per Olov Enquist sein Engagement gegen das illegale Herunterladen von Hörbüchern. Die FAZ besuchte die Ausgrabungen des Kölner Stadtarchivs und kommt mit deprimierenden Meldungen nach Haus. Die NZZ ist sehr erfreut über den Pritzker-Preis für Peter Zumthor. Alle haben Robert Wilsons Dramatisierung der Shakespeare-Sonette am BE gesehen, die "Shakespeares queere Seite"" zum Vorschein brachte.
11.04.2009. In der Welt erklärt der Ökologe Hansjörg Küster, warum er den Begriff des "Naturschutzes" verabscheut. In der NZZ besorgt sich David Albahari den Grundstock für das Museum einer Liebe. Die SZ besucht das landschaftlich und geopolitisch attraktive Kirgistan.
09.04.2009. Die Verfilmung von Marcel Reich-Ranickis Leben findet höfliche Aufnahme. Die taz zürnt dem Zorn. Nachtkritik und SZ schreiben Kritiken der Hauptversammlung von Daimler. Die Zeit erklärt Open Access. Die Blogs bringen Eric Schmidts Rede an die Zeitungen: Google ist die einzige Lösung. Die Zeitungen sehen das laut FTD aber ganz anders.
08.04.2009. Der Kapitalismus geht unter - und kein Mucks von links, nörgelt die FAZ. "Kapital" lesen bringt's jedenfalls nicht, meint Mathias Greffrath in der Berliner Zeitung, es kömmt darauf an, die Erde bewohnbar zu machen. In der FR versuchen unterdes drei Star-Ökonomen eine Billiarde in neuen Derivaten unter Kontrolle zu bringen. In der SZ erklärt Ai Weiwei, warum er nach den Kindern aus den Tofu-Schulen sucht. In der NZZ bewältigen Deutsche und Schweizer 4000 Meter Empörung.
07.04.2009. In der FR meint der Literaturwissenschaftler Uwe Jochum: Der Zwang zu Open Access verstößt gegen die Verfassung. In der Welt schreibt der Soziologe Gerhard Schulze: Gier hilft nicht weiter, auch nicht als Begriff. Die SZ staunt: Wie fragil der Begriff des Originals geworden ist! Und in Daily Beast erklärt Rupert Everett, warum der Vanity Fair- Chef so kompetent wirkt.
06.04.2009. In der NZZ fragt Necla Kelek: Wann wird die Türkei erwachsen? In der FR spricht die britische Psychoanalytikerin Susie Orbach über Körperkult und Körperhass. Die SZ zieht ein enttäuschtes Resümee der Bloggerkonferenz re:publica. Stefan Herheims Berliner "Lohengrin"-Inszenierung wird mal gefeiert, mal verrissen.
04.04.2009. Im Titel-Magazin geißelt Wolfram Schütte die Knebelverträge der FAZ. In der SZ stellt John Mellencamp klar, dass das Elend der Musikindustrie nicht mit dem Internet begann, sondern mit dem Börsengang. In der FR untersucht Wolfgang Kraushaar die Krise der Globalisierungskritik. In der NZZ denkt Jan Philipp Reemtsma über Gewalt und Sinn nach. Die taz rechnet mit der Linken ab. Und alle bewundern das leichte Spiel von Botho Strauß - außer der Welt.
03.04.2009. Die NZZ ist nicht zufrieden mit einer Studie über den DuMont-Verlag in der Nazizeit. Peter Glaser erklärte auf der re:publica, in was für einer digitalen Welt er leben will. In der taz verweist Bahman Nirumand auf eine noch offene Rechnung des Irans aus dem Jahr 642. In der FR sucht Cees Nooteboom den Schatten. Die Welt feiert die Unzernuschelbarkeit alter Dylan-Songs. Und die Freischreiber präsentieren einen Vertrag, in dem die FAZ ihren Urhebern ein Nutzungsrecht gewährt.
02.04.2009. Die Zeit verteidigt das Urheberrecht gegen das Copyright. Die NZZ lauscht dem Wiener Akzent der jetzt allerdings japanischen Klavierfirma Bösendorfer. Alle Feuilletons berichten über den Streit zwischen Youtube und der Gema. Auch zwischen FAZ-Verlag und Perlentaucher gab es einen Streit um Rechte, berichtet die Berliner Zeitung. In der FAZ hält der Londoner Bürgermeister Boris Johnson am Kapitalismus fest.
01.04.2009. In der taz schildert Ilija Trojanow den düsteren Einfluss der Mafia in Bulgarien. Die FR meditiert über die Muskelwerdung des Fleisches bei Caravaggio. Alle Zeitungen gratulieren Milan Kundera zum Achtzigsten, nur die Welt geht dabei nochmal näher auf die Kundera-Affäre ein. Die FAZ schreibt dem Perlentaucher einen Brief. Wir zitieren.