Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Dezember 2007

Das Jahr des Exits

31.12.2007. In der FR sagt der Schriftsteller Aharon Appelfeld: "Die einzige Moral eines Schriftstellers ist ein guter Satz." In der Welt schreibt Zafer Senocak: "Der Terror kommt aus dem Herzen des Islam." In der Blogbar meint Don Alphonso, dass viele auch der bekannteren Blogger Deutschlands demnächst aufgeben werden. Die Medienlese stellt eine Blütenlese der schönsten dümmsten Zitate über das Internet zusammen. In der taz geißelt Gabriele Goettle das Anti-Roma-Gesetz in Italien. Die SZ begibt sich unter die Dandys von Kinshasa. Die FAZ bedauert.

Soll ich mich einmischen?

29.12.2007. In der Welt macht Juli Zeh einen großen Satz aus dem Jahr 2007. In der FAZ fragt sich Durs Grünbein, ob er sich einmischen soll in verkehrter Welt. In der taz konstatiert Silvia Bovenschen: Im Vergleich zu heute war 1968 gar nicht mal so schlecht, zumindest theoretisch. Im Tagesspiegel gibt Anselm Kiefer keinen Sinn. In der FR ergibt auch die Lage Pakistans laut Tariq Ali keinen Sinn. Die SZ fordert: Schluss mit der unwürdigen Exhumierung ehemaliger Rockbands.

Weder dreschen noch mahlen

28.12.2007. Die FAZ wird Martin Walsers kommenden Roman als Vorabdruck bringen. Der Tagesspiegel fragt: War da nicht mal was? Die Welt fragt, warum 2008 das Jahr der Kartoffel ist. Die NZZ fragt: Was wird, wenn die Sagrada Familia einstürzt? Die FAZ fragt: Kann China einen konkurrierenden Universalismus entwickeln? Die taz empfiehlt Rudresh Mahanthappa.

Abgeschabte Dekadenz

27.12.2007. Lars Gustafsson erklärt in der SZ, warum der Liberalismus in der Klimafrage an seine Grenze kommt. Die NZZ trinkt Wein in der islamischen Welt, der laut Koran übrigens nicht mal den Muslimen verboten ist. Die taz zieht eine Parallele zwischen dem Extremismus muslimischer und dem Rechtsextremismus deutscher Jugendlicher. Die FAZ liest Stefan George.

Es geht nicht auf nett

24.12.2007. In der Welt will sich Veit Heinichen erst richtig über den erweiterten Schengen-Raum freuen, wenn auch Kroatien dazugehört. Die NZZ zieht die besorgniserregende CO2-Bilanz leerstehender Kirchen. Die taz hat den Untergrundfilmer Klaus Lemke nach neuen Einsichten zum Geschlechterverhältnis gefragt. Außerdem bringt die taz ein Tagesthema zum Verkauf der SZ. Die FAZ besucht den "Delaware Saengerbund", der in den USA original deutsche Weihnacht feiert. Die SZ ist ergriffen von dem Tenor Neil Shicoff als Eleazar in der Zürcher Aufführung von Jacques Fromental Halevys Oper "La Juive". Und außerdem: Frohe Weihnachten!

Damit er schneller explodiert

22.12.2007. In der FAZ lüftet Raoul Schrott das Geheimnis Homer. Die SZ entschwebt ins antike Rom. Die FR genießt das Befremden über Neo Rauchs Kirchenfenstern. Die Welt weiß, dass nicht Wolf Biermann Florian Havemanns Buch "Havemann" hat verbieten lassen. In der taz geht es für Stefan Niggemeier in Ordnung, nicht nur für Geld und Karriere zu schreiben, sondern weil man was zu sagen hat. Im Tagesspiegel feiert Bora Cosic Slava.

Schillerfern erzählt

21.12.2007. Nach Thomas Langhoffs Wiener "Wallenstein"-Inszenierung konstatieren die Feuilletons: Das deutschsprachige Theater hat ein Schiller-Problem. Die NZZ hat sich eine Holocaust-Serie im iranischen Staatsfernsehen angesehen. Die Berliner Zeitung stellt eine Parallele zwischen Murat Ersen und Murat Kurnaz her, die Frank-Walter Steinmeier alt aussehen lässt. Der Blogger Don Alphonso antwortet auf die jüngsten Blogophobien der etablierten Medien. Die taz kommentiert mit Sorge eine Studie zum Islam in Deutschland, die den jungen Muslimen große Distanz zur Demokratie bescheinigt. Die SZ meldet: Handke sieht das genauso, nur genau andersrum.

Ein hübsches Wort, eine vage Utopie

20.12.2007. In der Welt hält der Schriftsteller Rolf Schneider den von der SPD wieder propagierten Begriff des "demokratischen Sozialismus" für einen Popanz. Im Tagesspiegel bestreitet Muhabbet, den Mord an Theo van Gogh gerechtfertigt zu haben. In der FR plädiert Ernst Piper für den Perlentaucher. Im Perlentaucher greift Necla Kelek in die Debatte zwischen Ayaan Hirsi Ali und Tariq Ramadan ein. Nachtkritik hat schon Thomas Langhoffs "Wallenstein"-Inszenierung besprochen. In Spiegel Online glaubt Sonja Margolina nicht an die Stabilität des Putinismus. In der FAZ sieht Viktor Jerofejew schwarz für Russland.

Gott ist gefährlich

19.12.2007. Die schwedische Axess-Stiftung dokumentiert eine Diskussion, in der Timothy Garton Ash die auf Ayaan Hirsi Ali gemünzte Formulierung von der "Fundamentalistin der Aufklärung" in aller Form zurückzieht. In der Zeit enthüllt Ulrich Beck kurz vor Weihnachten den totalitären Charakter der Religion. Die FR fragt als Zeitung: Gibt es Gründe das Netz zu fürchten? Für die FAZ bereiste Katharina Narbutovic Weißrussland und fand es fremd und zur Einsamkeit verdammt.

Gehe nicht fort, kämpfe

18.12.2007. In der Welt antwortet Tariq Ramadan auf Ayaan Hirsi Ali: Nur wer in beiden Welten gehört wird, hat Gewicht. Don Alphonso kommentiert in seiner Blogbar die Meldung, dass Spiegel Online Inhalte von Wikipedia übernehmen will. Die FAZ berichtet über den Pianisten Fazil Say, der die Türkei verlassen will. Außerdem bringen die Feuilletons die Wahrheit über die Managergehälter.

Ist die Demokratie ein Tanzmausverein?

17.12.2007. In der SZ wendet sich der Philosoph John Gray gegen einen dogmatischen Atheismus. In der Welt erklärt der Althistoriker Martin Jehne, warum die EU kein Imperium ist - wegen Reißzahnlosigkeit. Die NZZ beobachtet bei den Russen eine "Sehnsucht nach Zensur". Die FAZ ist gelassen: Die vielen Kochsendungen können unsere kulinarische Kultur auch nicht mehr kaputtmachen.

Das ist Qualitätsjournalismus!

15.12.2007. In der FAZ meint Necla Kelek: Muslime sind integrierbar, der Islam ist es nicht. Im kress-report pocht Frank Schirrmacher auf das Monopol des Qualitätsjournalismus: "Wir sagen, was in der Welt passiert ist." Bei Spiegel Online ist Martin Suter stolz auf das Schweizer Parlament, das seinen Stolz wiedergefunden hat. Die NZZ huldigt der spontanen Kreativität von Kevin Speaceys Londoner 24-Stunden-Stücken. Die FR lernt mit Olli Dittrich den blanken Horror zu lieben: Männer im Elektro-Markt. Die Welt sorgt sich um die Journalisten, die Deutungsmacht verlieren und keine Frauen finden. Und die SZ besucht Stella Rimington, die Ex-Chefin des MI5.

"Noten von Eiche"

14.12.2007. In der Welt hasst die Dramatikerin Malgorzata Sikorska-Miszczuk linke westliche Intellektuelle und liebt Ulrike Meinhof. In der FR konstatiert der Physiker Klaus Michael Meyer-Abich einen bewussten Zynismus der Klimaoptimisten. Die SZ nickt und nennt Beispiele. In der NZZ prophezeit der Literaturwissenschaftler Manfred Schneider die perfekte Orbitalisierung der Selbstbeobachtung.

"Du machst es wie Maxim Vengerov"

13.12.2007. In der taz erklärt der algerische Schriftsteller Boualem Sansal: Opposition ist Opposition gegenüber allem. Nur in Deutschland trägt die Opposition gern Schutzplanen, beklagt sich Gert Voss in der Zeit. Die NZZ hätte lieber gar keine Opposition. Die FR blickt bekümmert auf die asozialen deutschen Reichen. In der SZ empfiehlt der Pianist Fazil Say den Assistenten von Maxim Vengerov als Kofferträger mit Massagefähigkeiten. Die FAZ bietet der Steinway-Mafia Paroli.

Beatlessche Ausmaße

12.12.2007. Die NZZ findet Led Zeppelin laut, aber subtil. In der taz erklärt der chinesische Menschenrechtsaktivist Teng Biao, warum Treffen westlicher Politiker mit dem Dalai Lama gut sind. Die SZ erklärt, warum die Idee eines Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig Sprengstoff birgt. Außerdem wird über das Perlentaucher-Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt und die guten Sitten im Netz diskutiert.

Habituelles Beleidigtsein

11.12.2007. Die NZZ beobachtet die leise Revolution weiblicher und schwuler SchriftstellerInnen in Polen. Stefan Niggemeier fragt in seinem Blog: Wie ist die SZ auf die Schnapsidee mit dem Web 2.0 gekommen? In der Welt schildert die Filmemacherin Irene Langemann, wie auf der Rubljovka in Moskau Putins Eskorte vorbeirauschte. Die FR bemerkt: Die neuen Länder verdauen den real existierenden Nicht-Sozialismus mithilfe gehäufter Faust-Inszenierungen. Die SZ fühlt bei Betrachtung Matthias Grünewalds schwerste Pein.

Volle Konsequenz der Materialästhetik

10.12.2007. Das Blog Medienlese ist gar nicht einverstanden mit der SZ, die gar nicht einverstanden ist mit all diesen von ihr nicht autorisierten Blogs. Die NZZ fürchtet um den Schmaltz Factor bei Hillary Clinton. Die taz fragt: Ist Coolness die fast hysterische Angst vor der Entgleisung? Die FR und andere Zeitungen ziehen die volle Konsequenz der Materialästhetik Stockhausens. In der Welt sieht Wolf Lepenies das Frankreich-Bashing des Time-Magazins als Dokument eines gegenseitigen Neids. BHL wertet den selben Artikel im Guardian als Ausdruck der amerikanischen Angst vor der eigenen Deklassierung.

Sabotage, Verschwörung, Häme, Denunziation

08.12.2007. Die SZ würdigt Karlheinz Stockhausen als Romantiker im eigentlichen Sinne des Wortes. Außerdem ärgert sie sich im Namen der Qualität über das Netz. Die NZZ besucht das weltweit erste und einzige Mahnmal für 68. In der Welt macht sich Niall Ferguson Gedanken über die Hochkonjunktur des Gedenkens. In der taz gibt Tariq Ramadan beruhigende Antworten auf islamkritische Fragen.

Den roten Hebel umgreift sie

07.12.2007. In der SZ erklärt Andras Schiff, wann und warum er Bösendorfer spielt. Die FR begrüßt einen bedeutenden Moment in der Geschichte der Musikübertragung: Die Freischaltung des Katalogs der Deutschen Grammophon im Internet. Die NZZ feiert die europäischen Medien Economist, International Herald Tribune, Perlentaucher und Eurotopics. In der FAZ erklärt der Psychiater Karl Kreutzberg, warum Mütter, die morden, morden. In der Welt erzählen die Gebrüder Reding, wie ihnen die Deutsche Bahn einmal das Leben rettete.

CO2 in der Ehe

06.12.2007. In der taz erklärt Seyran Ates, warum sie keinen Artenschutz für Minderheiten will. Auch Amartya Sen setzt sich in einer von der Zeit dokumentierten Rede mit dem Thema Multikulti auseinander. Die NZZ besucht Avantgardetheater im Libanon. Die Welt besiegelt das Ende der CD jetzt auch in der Klassik. Die SZ befasst sich mit einem schwerwiegenden Thema: CO2 in der Ehe. In der FAZ rät Donata Elschenbroich: Singen Singen Singen! Und viele fragen: Wie geht's weiter beim Spiegel?

Moralisch unglaubwürdig

05.12.2007. Die taz dokumentiert einen offenen Brief einer Reihe prominenter europäischer und afrikanischer Autoren an die Staatschefs des bevorstehenden EU-Afrika-Gipfel: "Wir staunen über so viel politische Feigheit." In der FR meint Robert Kaltenbrunner: Die Architektur der Stadt ist eine Bewirtschaftung der Zeit. Der Tagesspiegel fragt: Ist Martin Amis ein Rassist? Die taz schildert die unwürdige Odyssee, zu der Taslima Nasrin in Indien gezwungen wird. Das Deutschlandradio ist nicht hundertprozentig zufrieden mit dem Buch zur Perlentaucher-Debatte über Islam in Europa.

Unterhaltungsschock!

04.12.2007. Die SZ stellt klar: Kunstkritiker sind keine Grenzschützer. Die FR sucht in den Texten deutscher Rapper mit Migrationshintergrund vergeblich nach Verständigungsbotschaften. Die taz staunt: In Großbritannien gibt's Historiker, die erzählen können. Im Tagesspiegel spricht der rumänische Regisseur Cristian Mungiu über einen großen Schock nach 1989: den Unterhaltungsschock. Und im Titel-Magazin wirft Wolfram Schütte einen bewundernden Blick auf Frank Schirrmacher, der als einziger deutscher Journalist einen Walkürenritt auf einem Bambi hinlegen kann.

Lass, o Welt, o lass mich sein!

03.12.2007. Bei den europäischen Filmpreisen wurden zwar die richtigen Filme ausgezeichnet, aber niemand kam zur Preisverleihung, klagen die Zeitungen. Im Tagesspiegel wirft Wolfgang Templin Florian Havemann erneuten Vatermord vor. Brandeins macht sich Sorgen um die Printpresse: Magazine machen nur noch fünf Prozent der Mediennutzung aus, bekommen aber 20 Prozent der Werbung. Die NZZ besucht neue Berliner Moscheen.

"Der Schläger lässt nicht locker"

01.12.2007. In der Berliner Zeitung ärgert sich Stefan Rosinski, Chef der Berliner Opernstiftung, über eine kulturimperialistischen Geste der Kanzlerin. In der NZZ schreiben Schriftsteller über ihre Bibliotheken. In der SZ sieht die Politologin Margarete Mommsen kaum noch einen Unterschied zwischen dem Putinismus und dem einstigen Sowjetstaat. In der Welt stellt sich E.L. Doctorow vor, er wäre Abraham Lincoln begegnet. Die FR berichtet über eine Performance im öffentlichen Raum, die beweist, dass nicht immer niemand eingreift, wenn ein Weißer einen Schwarzen schlägt. Außerdem würde die FR die neue Enzyklika des Papstes nicht drucken.